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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 3.1914

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III.2
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Rank, Otto: Der Doppelgänger
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https://doi.org/10.11588/diglit.42096#0112

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102

Otto Rank

Flucht wegen Totschlages eines Nebenbuhlers der Heißgeliebten
auf ihre Bitten sein Spiegelbild zurückläßt. Sie standen gerade vor
dem Spiegel, »der ihn und Giulietta in süßer Liebesumarmung zurück
warf«,- sie »stredcte sehnsuchtsvoll die Arme aus nach dem Spiegel.
Erasmus sah, wie sein Bild unabhängig von seinen Bewegungen
hervortrat, wie es in Giuliettas Arme glitt, wie es mit ihr im selN
samen Duft verschwand.« <1, 271). Schon auf der Heimreise wird
Erasmus wegen seines zufällig entdeckten Mangels zum Gespött der
Leute. Darum »ließ er überall wo er hinkam, unter dem Vorwand
eines natürlichen Abscheus gegen jede Abspiegelung, alle Spiegel
schnell verhängen und man nannte ihn daher spottweise den Ge-
neral Suwarow, der ein gleiches that« <274). Zu Hause stößt ihn seine
Frau von sich, während sein Sohn ihn verhöhnt. In seiner Verzweiflung
naht sich ihm der geheimnisvolle Begleiter Giuliettas, der Doktor
Dapertutto und verspricht ihm Wiedererlangung ihrer Liebe und
seines Spiegelbildes, wenn er sich entschlöße, Weib und Kind dafür
aufzuopfern. Die Erscheinung Giuliettas bringt ihn in neue Liebes-
raserei,- sie zeigt ihm, wie getreu sie das Spiegelbild bewahrte, in-
dem sie das Tuch vom Spiegel zieht. »Erasmus sah mit Entzücken
sein Bild der Giulietta sich anschmiegend,- unabhängig von ihm selbst
warf es aber keine seiner Bewegungen zurück« <277). Er ist nahe
daran, den höllischen Pakt abzuschließen, der ihn selbst und die
Seinen den fremden Mächten überliefern soll, als er durch die plötz-
liche Erscheinung seiner Frau gewarnt, die Höllengeister hinweg zu
beschwören vermag. Er zieht dann auf den Rat seiner Frau in die
weite Welt, sein Spiegelbild zu suchen, und trifft mit dem schatten-
losen Peter Sdhlemihl zusammen, der bereits in der Einleitung zu
der »Geschichte« vorgekommen war (»Die Gesellschaft im Keller,«
I, p. 257 bis 261) und darauf hinweist, daß Hoffmann mit seiner
phantastischen Erzählung ein Gegenstück zu der berühmten »wun-
dersamen Geschichte« von Chamisso geben wollte, deren Inhalt
wohl als bekannt vorausgesetzt werden kann.
Des Zusammenhanges wegen seien nur die wesentlichen Über-
einstimmungen und Parallelen kurz hervorgehoben. Wie bei Balduin
und Spikher handelt es sich auch bei Sdhlemihls Schattenverkauf um
eine Seelenverschreibung (Teufelspakt) und auch hier bekommt der
Held Spott und Verachtung der Welt zu verspüren. Als Analogie
zur Bewunderung des Spiegelbildes ist die sonderbare Bewunderung
des Schattens durch den grauen Mann hervorzuheben1, wie über-
haupt die Eitelkeit einer der hervorstechendsten Charakterzüge
Schlemihls ist (»das ist im Menschen, wo der Anker am zuver-

1 »Während der kurzen Zeit, wo ich das Glück genoß, mich in Ihrer Nähe
zu befinden, hab' ich, mein Herr, einige Male — erlauben Sie, daß ich es Ihnen
sage — wirklich mit unaussprechlicher Bewunderung den schönen, schönen Schatten
betrachten können, den Sie in der Sonne, und gleichsam mit einer gewissen edeln
Verachtung, ohne selbst darauf zu merken, von sich werfen, den herrlichen Schatten
da zu ihren Füßen«.
 
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