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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 7.1921

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Teller, Frida: Die Wechselbeziehungen von psychischem Konflikt und körperlichem Leiden bei Schiller
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https://doi.org/10.11588/diglit.28545#0133
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Die Wechselbeziehungen von psychischem Konflikt etc.

1Z5

des inzests mit der Mutter, als die Abwehrregungen hinzutraten,
die weitere Ausführung des Pianes hinderte h
Um aber SAillers Absicht in ihrer ganzen Bedeutung zu er^
fassen, müssen wir uns zunächst den wesentliAen Gegensatz des
antiken und neueren Dramas vergegenwärtigen. Er besteht — wie
schon G. Freytag erkannt hat — in der Abiösung der antiken
Technik der Erkennungsszenen durch die Liebesszenen im neueren
Drama. Diese Verschiebung entspricht, wie -wir glauben, jenem
Gegensatz, der von Freud für das verschiedene Verhalten der
beiden Weltanschauungen im Hinblick auf das Liebesieben auf-
gedeckt wurdet Die tragisAe SAuld ergab siA im antiken Drama
offenkundig aus den aus der Behandlung des Inzestmotivs hervor-
gegangenenVerwi&lungenundAbwehrgefühlen'k Infolge des später
einsetzenden VerdrängungssAubes versAwindet die offene Behänd^
lung des Inzestmotivs, während die aus dieser Quelle herrührenden
Gegenregungen siA der Behandlung der Liebesszenen anheften h So
erklärt es siA, daß in den neueren Bearbeitungen der antiken Dramen
regelmäßig die frei erfundene Person eines (oder einer) Geliebten ein-
geführt wird, während die Wirkung der Erkennungsszene stark ver-
blaßt". Daher müßten auA wir, um SAlliers TeAnik mit der alten
Tragödie in Einklang zu bringen, die tragisAen VerwiAlungen der
Marina=Lodoiska- und Axinia-Szenen in der Behandlung der Er-
kennungsszene aufgehen lassen.
Immer tiefer in die infantile Regression versinkend, war SAiller
in seinem letzten dramatisAen VersuA vollständig in den Bann des
SophokleisAen Ödipus geraten und erstrebte eine Wiederbelebung
des antiken Tragödienstils. Aber es liegt im Wesender fortsAreitenden
Verdrängung, daß eine solAe Erneuerung unmöglidi war. Die miß-
glüdcte künstlerisAe Sublimierungsarbeit führte nun eine Stauung der
Libido herbei und die verstärkten unbewußten Triebkräfte untere
stützten das Zerstörungswerk der Krankheit. Hatte SAiller siA einst
in den AAtzigerjahren mit Hilfe seiner kunstphilosophisAen Arbeiten

* Das Inzestmotiv. S. 74.
2 »Der eingreifendste Unterschied zwischen dem Liebesieben der aiten Weit
und dem unsrigen iiegt wohi darin, daß die Antike den Akzent auf den Trieb
seibst, wir aber auf dessen Objekt veriegen. Die Aiten feierten den Trieb und
waren bereit, auch ein minderwertiges Objekt durch ihn zu adein, während wir
die Triebbetätigung an sich gering schätzen und sie nur durch die Vorzüge des
Objekts entschuidigen iassen.« (Drei Abhandiungen zur Sexuaitheorie. 3 A. S. 15.>
s Um Ödipus wird die zugrunde Hegende Wunschphantasie des Kindes
wie im Traum ans Tagesii&t gezogen und reaiisiert. im Hamlet bieibt sie ver-
drängt und wir erfahren von ihrer Existenz — dem Sa&verhalt bei einer Neurose
ähniich — nur durch die von ihr ausgehenden Hemmungswirkungen.« (Freud.)
* Es ist bekanntiich das Verdienst Otto Ranks, hinter den Phantasiebiidungen
der neueren Dichter den Inzestkompiex in seinen verschiedenen Einkieidungen,
Entstehungen und Verbüßungen aufgedeAt zu haben.
s Ähntiches gilt z. B. auch für Goethes Iphigenie, in der zwar nicht die
Gestalt, aber doch die Liebesbeziehungen des Thoas zu Iphigenie zum antiken
Vorbild hinzugekommen sind.
 
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