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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 10.1924

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Heft 1
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Gomperz, Heinrich: Psychologische Beobachtungen an griechischen Philosophen
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https://doi.org/10.11588/diglit.36527#0030
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H. Gomperz

Br. IX, 1: Aber nachdem nun alles benannt nach dem Licht und der
Nacht ist —^
Jeder der Namen, nach seiner Bedeutung, diesem und jenem!—
Ist nun alles des Lichtes sowohl wie der finsteren Nacht voll.
Die sich genau dem Maß nach gleichen;^ denn nichts ist
dazwischen. ^
Hier fehlen uns einige Verse. Ihr Inhalt läßt sich nach einem
Auszug des Aetios ungefähr erraten:^ die Göttin sprach von mehreren.

6g) Daß IX, 1 „bald nach" VIII, gg stand, sagt Simplicius ausdrücklich. Und daß
zwischen beiden mehr als VIII, 60 bis 61 gestanden hätte, ist wenig wahrscheinlich,
6p xcti td xatd toüh re xai rotg-. Der von Simplicius
Dinge seien auf Grund ihrer „Kräfte", d. i. Eigenschaften, den beiden Grunderscheinungen
Licht und Nacht zugeordnet worden, bis eben „alles" nach der einen oder der andern
benannt war. Allein dürfen wir Parmenides ohne Not einen solchen Selbstwiderspruch
zumuten? Aus dem Gegensatz von Licht und Nacht sollte sich doch erst alle Vielheit
entwickelt haben: woher nun mit einem Male die einzelnen, mit den verschiedensten
„Kräften" begabten Dinge? Es gibt eine bessere Erklärung. bezeichnet die
Bedeutung eines Wortes (Herodot IV ig2; VI g8; vgl. II go; Vorsokr. 7g A 11; Lysias
in Theomnest. I 7; Plato, Cratyl. gg^A; 455^; Critias nga; Phileb. 24c; 4gc). Nun
hat Parmenides schon innerhalb des Seienden eine räumliche Vielheit, die einzelnen
Stücke des Seienden, unterschieden (VIII, 2g und 47). Zur „Bedeutung" des leichten
Feuers aber gehört, daß es „oben", zu der der schweren „Nacht", daß sie „unten"
ist. Er sagt nun hier: die Namen Licht und Nacht wurden je nach ihrer Bedeutung
diesem und jenem zugeteilt, d. h. es wurde alles, was oben liegt, Licht, alles, was
belegt, das eine Seiende in die zwei Grunderscheinungen Licht und Nacht zerfällt war.
6g) Wie in Wahrheit (nach VIII, 24) alles, d. i. die ganze Himmelskugel, mit
Seiendem, so ist es mm dem Wahne zufolge mit Licht und Nacht erfüllt und unter
sie zu gleichen Teilen aufgeteilt — mögen nun die von Licht erfüllte „obere" und
die von Nacht erfüllte „untere" Hälfte der Himmelskugel als ihre „nördliche" und
„südliche" oder als ihre „äußere" und „innere" Hälfte zu deuten sein (vgl. o. Anm. 61).
66) wörtlich: denn keinem von beiden ist etwas anderes,
-oder aber: denn keinem von beiden ist das Nichts, d. h. ist Leere beigemischt. Sowohl
dies als jenes muß aber zutreffen, wenn die Worte wirklich die Behauptung begründen
sollen, daß Licht und Nacht zusammen „alles" erfüllen (IX, g; daß es sich um die
'Begründung dieser Behauptung handelt, zeigte Lortzing, Jahresber. f. d. Fortschr.
d. klass. Altertumswiss. igo2, I2g7). Wahrscheinlich hat somit Parmenides mit Fleiß
Worte gebraucht, die geeignet waren, j ede Möglichkeit auszuschließen, es könnte, dem
Wahn zufolge, im All neben Licht und Nacht noch etwas anderes geben.
67) Daß nicht viel ausgefallen ist, ergibt sich aus den Worten des Simplicius, der
zwischen VIII, 61 und XII, 1 nicht viel mehr las, als auch wir noch IX, 1 bis 4 lesen.
Der Auszug des Aetios Vorsokr. 18 Ag7; den Text habe ich verbessert Vorsokr.
Nachtr. XXVII, go: Aetios kennt nur eine mit Dünnem (Feuer) und eine mit
 
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