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Deutsches Archäologisches Institut [Editor]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Editor]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 7.1892

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Kalkmann, August: Archaische Bronze-Figur des Louvre
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https://doi.org/10.11588/diglit.37649#0141
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Kalkmann, Archaische Bronze-Figur des Louvre.

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zu fehlt der characteristische Übergang des voluminösen Muskelfleisches der schiefen
Bauchmuskel in die Sehnenplatte, der sich als eine von der Gegend der Darmbein-
stachel nach aufwärts laufende Linie zu erkennen
giebt. Diese Punkte verdienen um so mehr hervor-
gehoben zu werden, als von den Aegineten abwärts
die in den Giebelsculpturen zuerst beobachtete cha-
racteristische Zeichnung des Beckens zum typischen
Formenschatz der antiken Kunst gehört7.
Details, wie Mund und Ohr, habe ich bisher
absichtlich aufser Acht gelassen. Die geradlinig um-
rissenen Lippen bringen eher z. B. den Mund des
Kalbträgers oder anderer archaischer Sculpturen als
den Mund der Aegineten in Erinnerung, dessen
Grundschema sich auf zwei aneinander gereihte
Spiralen zurückführen läfst. Die Möglichkeit, dafs
auch die Zeichnung des Mundes auf eine Kunststufe deute, die älter ist als die-
jenige der äginetischen Giebel, mag erwogen werden; doch scheint es mir gewagt,
bei der Kleinheit der Figur auf solches Detail
Gewicht zu legen. Die Bildung des Ohres er-
innert ebenfalls entfernt an hocharchaische For.
men, und doch wird man in der umschreibenden,
die Formen des Ohres mehr andeutenden als aus-
führenden Behandlung kaum etwas anderes er-
blicken können als Ungeschick oder Flüchtigkeit
einer das Original vervielfältigenden Hand. Schwer-
lich ist die Pariser Bronze Original. Auch die Fiifse
lassen die charactervolle Behandlung und liebevolle
Sorgfalt der Ausführung vermissen, welche man
gerade an den Fiifsen originaler archaischer Sculp-
turen zu sehen gewohnt ist.

II.
Die bisherige Untersuchung des Stiles der Pariser Bronze hat zunächst eine
nahe Verwandtschaft mit den aeginetischen Giebelsculpturen ergeben: Aufgabe und
Ziele der Kunst sind hier wie dort auf möglichst exacte Wiedergabe des Muskel-
baues gerichtet. Daneben fanden sich Abweichungen, die darauf schliefsen lassen,
dafs der Künstler noch nicht mit derselben Schärfe des Blicks alles anatomische
Detail durchdringt wie die Künstler der Giebelfiguren, dafs er mithin auf einer


T) Zum Schnitt des Beckens vgl. Langer, Anatomie der äufseren Formen S. 207: Brücke, Schönheit und
Fehler der menschlichen Gestalt S. 97 ff.
 
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