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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 32.1916-1917

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Esswein, Hermann; Damberger, Josef [Ill.]: Joseph Damberger
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JOSEPH DAMBERGER

Von Hermann Esswein

Die Lehre von der Unerheblichkeit des
Thematischen, deren pädagogischer Wert
gänzlich außer Frage steht, hat in Wirklich-
keit noch keinen Berufenen und Ueberschau-
enden unter unseren Künstlern von der Hin-
neigung zu bestimmten Stoffgebieten abgehallen.
Wo das Gegenständliche nicht zur Erreichung
kunstfremder Nebenzwecke, zur Erzielung lite-
rarischer Pointen mißbraucht wird, da bedeutet
es eben eine bestimmte Sphäre künstlerischer
Lieblingsprobleme, auf die sich zu beschrän-
ken des Malers gutes Recht ist. Die leere
Gestaltenfülle jener Allerweltsmalerei späterer
Tage, die vom Stilleben bis zur verwickelten
figurenreichen Wandkomposition schlechthin
auf jedem Gebiete Meister sein wollte, ohne
auch nur eines einzigen der ersten und ein-
fachsten Schaffensgesetze Herr zu sein, dürfte
wohl von keinem Einsichtigen jener altmeister-
lichen Gelassenheit vorgezogen werden, die
im engsten Kreise des Thematischen und in
weiser Zurückhaltung gegenüber der locken-
den Mannigfaltigkeit der Motive einen uner-
hörten Reichtum an innerer Form, an künst-
lerischer, nicht an schildernder Vielfältigkeit
offenbart hat.

Es gab Maler gewisser gegenständlicher Ge-
biete der Gegenwart sowohl wie der Ver-
gangenheit, die, ob sie sich selber nun Genre-
oder Historienmaler nannten, im Grunde doch
nur die Illustratoren der von ihnen bevorzug-
ten Erscheinungenkreise waren, Begabungen,
die alle ethnographischen, psychologischen,
kulturhistorisch oder sonst geschichtlich merk-
würdigen, alle novellistisch anregenden oder
poetisch rührenden Seiten ihres Themas mit
nimmermüder Geschäftigkeit durchspürten und
es dabei vollständig verständnislos oder wohl
gar verdrossen ablehnten, den eigentlichen,
den künstlerischen Möglichkeiten ihres Stoff-
kreises auch nur etwas näher zu treten. Das
Genre eines Knaus oder Defregger, ich exem-
plifiziere mit Absicht gerade auf diesen Alt-
meister des Bauerngenres, hatte für alle seine
weitläufigen Berichte, Erbauungen und Humore,
für die ganze äußere Fülle seiner Szenen, sei-
ner rein motivlichen Neuwendungen, im Grunde
nur immer wieder die nämliche malerische
Form, die wandellose Anwendung einer zum
Kanon gewordenen Folge akademischer Ge-
staltungsgrundsätze.

Wie sich nun seit den Tagen Leibis, des
Realismus, der Freilichtmalerei und des Im-

pressionismus dieses verhärtete Erdreich auf-
lockerte unter der Pflugschar einer neuen
Kunstgesinnung mit neuen, eigenwilligen Ge-
schmacksanforderungen, sei hier am Schaffen
Joseph Dambergers nachgewiesen, dessen
Kunst als Bauernmalerei die Beschränkung auf
ein bestimmtes Gebiet nicht literarisch gegen-
ständlicher Absichten, sondern künstlerischer
Aufgaben bedeutet, die mit dem Motiv nicht
erzählerisch anregt, lockt und spielt, sondern
sich in ernster Malerarbeit mit künstlerischen
Aufgaben auseinandersetzt, die Genre im Sinne
jenes alten anekdotischen Bildertheaters eben-
so wenig ist wie die Kunst, der wir Leibis in
Köln hängenden Schimmelreiter oder den le-
senden Mohren Trübners im Frankfurter Städel-
institute zu verdanken haben.

Damberger, von Wilhem Diez ausgehend,
kommt allerdings aus einer Genreschule, aber
er gehört zu den wenigen, die sich schon gleich
zu Anfang ihrer Laufbahn aus eigenem Be-
dürfnis gerade das aneigneten, was der Meister
selbst nur in störender Vermengung mit illu-
stratorenhaften Eigentümlichkeiten der Kom-
position und der Zeichnung zu bieten vermochte:
Ein Tongefühl, das ihn als Urkeim einer rei-
chen malerischen Entfaltung gegen die Ver-
lockungen vom Gegenständlichen her schützte.

Neben frühen Proben dieses großzügigen
Erfassens toniger Reize finden wir in der Früh-
zeit freilich auch Zeugnisse eines naturalisti-
schen Zeitgeschmackes, der den akademischen
Kanon lediglich schlichter und wahrer hand
habte, ja der in seiner Feindseligkeit gegen
alle Romantik der Farbe und der Auffassung
weder vor Härten noch vor Nüchternheiten
zurückschreckte. Einem Gruppenbilde wie den
hier gezeigten „Sonntag" wird wohl nie-
mand die leichte Hand und den flüssigen Pin-
sel des späteren Meisters ansehen. Die Pietät
gegen die Einzelheit waltet hier als strenge,
wir sagen heute verkehrte, mißverstandene
Selbstzucht gegenüber dem ausschweifenden,
unruhig nach Sensationen suchenden Maler-
tume, und nicht anders wie der frühere Aka-
demismus sich die Kunst verdorben durch die
ewigen Rücksichten auf ein fragwürdiges Schön-
heitsideal, genau so hemmte sich nun der ihn
ablösende naturalistischeKunstwilledurch seine
Akribie der Wirklichkeitstreue, die wohl mit
den komödiantenhaften Zügen des älteren Gen-
res gründlich aufiäumte, im Grunde aber doch
eher ein allgemeingeistiges Programm erfüllte,

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