Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 32.1916-1917

DOI Artikel:
Römer, E.: Von deutscher nationaler Kunst, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13746#0148

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
R. SCHRAMM-ZITTAU

ZEICHNUNG

der alten Zeit haben es leicht, es nicht mehr
schön zu finden, sondern amerikanisch. Der
Künstler aber sollte die Schönheit gestalten,
die der Welt entflohen ist? Man will ihn auf
ein Deutschtum verpflichten, das in seiner
idyllischen Beschränktheit kaum mehr be-
steht?

Der Künstler hat niemals fremder in der
Umwelt gestanden als in unseren Tagen.
Seine Kunst — mag sie Angelegenheit noch
so vieler sein, besprochen, befeiert und be-
kämpft, wächst wie auf einsamer Insel, ge-
deiht üppig wie im Treibhaus. Als die auf-
strebende Kunst sich vom Leben des neuen
Geschlechtes zurückzog, dann den Zugang
zur Kunstfremdheit des Herrn Jedermann
nicht mehr fand, kam die böse Lehre auf:
die Kunst sei um ihrer selbst willen. Das
Wort „l'art pour l'art" hat gesiegt wie Pyr-
rhus. Die junge Kunst, die heute mit dem
Bewußtsein auftritt, die der Gegenwart und
Zukunft zu sein, ist nur für die Künstler und
ihre Gemeinde da. Sie hat keine Beziehung
zur Nation. Und schon schallt ihr als Ant-
wort das Urteil entgegen: sie sei nicht
deutsch. Und was nicht deutsch sei, habe
nichts zu suchen im Deutschland dieser
Tage. Wir brauchen eine nationale Kunst.

Das mag gelten, will solch kategorische

Forderung jener Affenliebe ihr Recht be-
streiten, mit der unsere Jüngsten wetterwen-
dischen Modelaunen und schnellfertigen
Programmachern nachgehangen haben, wie
irgendwo in der ungesund komprimierten
Atelierluft von Paris und geschwind auch in
deutschen Kunstzentren lautes Wesen trie-
ben. Doch wird ein historisch gerichteter
Urteiler dieser aufwallenden Zeit überhaupt
die Berechtigung aberkennen, in diesen das
reinste Gleichmaß der Volkspsyche voraus-
setzenden Fragen verantwortungsvolle Ant-
wort zu geben, solange der Schwall dieser
Stürme dauert.

Und ist es nicht kurzsichtig, der Friedens-
arbeit einer Generation das Daseinsrecht
deshalb entziehen zu wollen, weil sie der ge-
steigerten Empfindlichkeit des nationalen
Bewußtseins während solcher Krise nicht
mehr entspricht?

Jede lebendige Kunst ist irgendwie Aus-
druck für Leben und Gesinnung ihrer Nation.
Wenn die deutsche Kunst der letzten Jahr-
zehnte zerklüftet und widerspältig war, gar
unrein und trübe, kein deutscher Gedanke in
ihr aufleuchtete, — ist denn das Deutschtum
der letzten Jahrzehnte nicht gleich wider-
spältig und trübe gewesen? Aber dieses
Deutschtum hat Leistungen vollbracht, die

133
 
Annotationen