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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 32.1916-1917

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Vollmer, Hans: Die Erziehung zum Kunstgenuss
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https://doi.org/10.11588/diglit.13746#0438

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Reise in den Münchner Pinakotheken, Schack-
galerie, Bayerischen Nationalmuseum und Ger-
manischen Museum sich umgetan haben. Der
Fremdenstrom ergießt sich immer wieder in
dieselben paar berühmten Kunstzentren. Wie
wenige halten es der Mühe wert, auch nur
Ulm, Augsburg oder Regensburg einen Be-
such abzustatten, von Städtchen wie Nörd-
lingen, Heilbronn, Freiburg und hundert an-
deren ganz zu schweigen. Blaubeuren, Tiefen-
bronn, Wimpffen, Blutenburg, Creglingen,
St. Wolfgang, das alles sind nur vom Kunst-
historiker aufgesuchte Wallfahrtsorte*). Und
doch kann man in diesen von der großen
Heeresstraße abseits liegenden Plätzen das mit
dem Heimatboden Verwachsene der alten Kunst
ganz anders zu Gefühl bekommen als in den
durch die Forderungen des modernen Verkehrs

*) Es fehlt dem kunstliebenden deutschen Reisepublikum ein
Cicerone, ein würdiges Seitenstück zu Jacob Burckhardts un-
sterblichem Werk für Italien, durch das es hingewiesen würde
auf diese köstlichen, an versteckten Pfaden noch im alten Boden
wurzelnden Schätze deutschen Kunstgeistes. Dehios im übrigen
sehr verdienstliches „Handbuch der deutschen Kunsidenkmäler"
bietet keinen Ersatz, schon weil es nicht nach historischen,
sondern nach topographischen Gesichtspunkten angeordnet ist.

nivellierten Zentren. Hier, wo man die Kunst
in ihrem ursprünglichen Milieu zu sehen Ge-
legenheit hat, wird den meisten überhaupt erst
der Sinn und das Verständnis für alte Stile
aufgehen. Sollte man doch nie vergessen, daß
alle alte Kunst nun einmal ein veraltetes Idiom
redet, das den modernen Menschen notwen-
digerweise zunächst fremd berühren muß.
Während aller stilsicheren Epochen standen
die einzelnen Künste in engster Wechselbe-
ziehung zueinander. Erst wer diesen tieferen,
von allem Gegenständlichen unabhängigen stili-
stischen Zusammenhang erkannt hat, ist über-
haupt zu künstlerischem Sehen durchgedrun-
gen. Die zusammenhanglose, alle Relationen
außer acht setzende Kunstbetrachtung, zu der
die in ihrer Anordnung ganz andere Gesichts-
punkte verfolgenden Museen den undiszipli-
nierten Laien verführen, bleibt in den aller-
meisten Fällen eine ebenso fruchtlose wie
freudlose, weil den Intellekt nicht anregende
Beschäftigung. Nur die auf Synopis gegrün-
dete Assoziation schafft diese Anregung und
damit die wesentliche Vorstufe für einen ästhe-

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