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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 26.1877

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Kuhn, ...: Ueber die Kunstweberei der Alten, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6908#0057

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mit einem dünngezogenen leichten Slberdrähtchen umsponnen ist, welches vorher mehr oder minder
vergoldet wurde. Diese Erfindung kam erst im f5. Jahrhundert in Italien aus. Der Goldfaden
der Alten bis zum f 5. Jahrhundert herab ist nicht rund und als Faden gedreht, sondern ist wie
dünne Riemchen platt geschnitten. Dieses Riemchen ist nun keine animalische, sondern eine vege-
tabilische Substanz, eine Art j)stanzenhäutchen (Bast), welches auf der einen Seite vergoldet und
um einen mehr oder weniger kräftigen Leinen- oder Baumwollenfaden spiralförmig gewunden
oder gesponnen ist. Diese Erfindung ist ohne Zweifel in Ehina gemacht und sind für alle Fabriken
diese Goldfäden aus dem Grient bezogen worden, bis die neue, freilich auch kostspieligere, aber
auch werthvollere Erfindung in Italien diesen Bezug unnöthig machte. Auf allen japanefischen
Goldbrokaten finden wir dieselbe Manipulation und bei einem Etoff im Bayerischen National-Museum,
der schon tief in das f6. Jahrhundert geht, sehen wir den Brokat durch Goldpapier hergestellt.
Es können also Brokate, welche das vergoldete Eilberdrühtchen haben, jedenfalls nicht früher, als
vom f5. Jahrhundert fein; in der Regel find sie erst in die zweite bsälste des \5. Jahrhunderts
zu setzen, namentlich die nichtitalienischen Fabrikate, da der Bezug der neuen Goldfäden weit
kostspieliger war, als die bisher beliebten.

Damast ist jenes Eeidengewebe, bei welchem statt des Goldes der Gegensatz zwischen
den brillanten und matteren Theilen des Seidenstoffes durch verschiedene Abstufungen des
Glanzes gleichfarbiger oder mehrfarbiger Eeidenfäden erzielt wird. Es ist dieses Gewebe dem
Brokat verwandt, aber minder prachtvoll und reich. Der chauptfabrikationsort dieser Gewebe
war Damaskus.

Der Atlas oder Eatin ist nur eine Art Grundstickerei, zu deren Herstellung man sich des
Webestuhles bedient. Dieser Etoff hat gewissermaßen gar keine Textur, sondern besteht aus
unausgesetzt nebeneinander gelegten und ineinander greifenden Plattstichen, so daß der Faden der
Seibe möglichst lange ungebogen und ungeknickt bleibt und seinen Glanz mit dem Glanze der
parallel gelegten benachbarten Fäden zu glattester Oberfläche und zu äußerst brillanter Wirkung
von Licht und Erhalten vereinigt. Mit kurzen Worten, der Atlas ist eine Art Plattstickerei in
Eeide mittelst des Webestuhles. Eeine bjeimath ist Ehina oder Indien und fand derselbe schon
sehr frühzeitig seinen Weg nach Gersten und nach dem Euphratthale. In Europa war er schon
im 7. und 8. Jahrhundert bekannt.

Der alte Namen dafür ist bei dem Bibliothekar Anastasius, in seinem Werke „über die
Echanknngen der älteren Päpste" b l a t t i n , im Mittelalter heißt er j? s e l l e l und wissen unsere
Minnesänger nicht des Lobes genug über dieses kostbare Gewebe zu sagen. So wird im „wigalois"
erzählt, wie in Asten eine bjöhle voll ewigen Feuers sei, in dem die Salamander einen kostbaren
jlfellel wirken, der unverbrennbar ist. Eine besondere Art des pffellels hieß sogar Salamander.
Wolfram von Eschenbach erwähnt eines pfeüels (jlofuß genannt), so heiß an Glanz, daß ein
Strauß seine Eier darin hätte ausbrüten können. U. a. in.

Welchen Einstuß dieser Stoff auf die Malerei gehabt hat, ergibt sich aus den werken der
deutschen und niederländischen Meister zu Ende des f5. und Anfang des f6. Jahrhunderts und
unter diesen zeigt es sich am entschiedensten bei A. Dürer, dessen geknickter Faltenwurf so recht
bewußtvoll von ihm aus Vorliebe für diesen Stoff gewählt wurde. Lsöchst interessant ist der
Vergleich dieser deutschen Auffassung des stofflichen mit dem, was die italienischen Meister,
namentlich Titian und j)aul Veronese, daraus gemacht haben, dann mit dem, was unter den
fänden der holländischen Meister des f c. Jahrhunderts daraus hervorging. Offenbar hat Dürer
andere Zeuge vor Augen gehabt als Titian, j?anl Veronese und selbst bjolbein. Der Atlas, den
diese Meister malten, war ein anderer, als derjenige, der uns bei Netscher, Terburg, Mieris u. s. w.
entgegenglänzt.

Den Gegensatz zum Atlas bildet der S a m in t.

wie dort die langen nebeneinanderliegenden Seidenfäden den Glanz des Gewebes bedingen,
so wird beim Sammt dadurch, daß unendlich viele querdurchschnittene Seidenfäden aufrecht
nebeneinander stehen, das Licht absorbirt und das Gewebe wird glanzlos, wie wir dieses bei dem
kurzgeschorenen Sammt sehen.

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