Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

DOI Artikel:
Ein Frauenbildnis Caspar David Friedrich's
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0091

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
EIN FRAUENBILDNIS CASPAR DAVID FRIEDRICH'S

Wie furchtbar wenig wissen wir von andern
Menschen. Was ist in ihnen ausser dem, was uns
von ihnen bekannt geworden ist! Erwägungen
solcher Art sind es, die uns das Bild Caspar David
Friedrich's mit ebenso erstaunten wie entzückten
Augen betrachten lassen: eine junge Frau, sich aus
einem Atelierfenster beugend.

Was wir von Friedrich wussten, ist, dass er
einer der grössten deutschen Maler des neunzehnten
Jahrhunderts ist, obwohl nur erst von wenigen als
solcher erkannt. Wir wussten, dass er vorwiegend
ein Landschaftsmaler und zwar von strenger, ge-
wissermassen unmalerischer, obwohl romantischer,
in der Farbe eher ascetischer Richtung sei. Hier
aber sehen wir ihn zärtlich in betreff des malerischen
Modernen gesinnt, wir erblicken bei ihm ausser-
dem einen nicht vorausgesetzten Sinn für das Femi-
nine. In der That ist in diesem mit einem ge-
streiften Gewand bekleideten Frauenrückeh, der
von Luft umspielt wird, etwas von Manet vorweg-
genommen und wir finden in Friedrich eine Moder-
nität in der Empfindung der Allüren, die uns sogar
an Alfred Stevens erinnert! Aber Friedrich ist ein
viel grösserer Maler als Stevens gewesen und wir
schränken die Parallele mit dem belgischen Pariser
dahin ein, dass es mehr äussere Gründe sind, die
uns an Stevens denken lassen. Doch der Vergleich
mit Manet kann aufrecht gehalten werden. Auch
kann man an einen bestimmten Leibl denken, der
vor mehreren Jahren in München ausgestellt war
und eine wundervoll gemalte Frau in einem ge-

streiften Kleide zeigte. Wir urteilen freilich etwas
wie der Blinde von der Farbe. Denn um die Wahr-
heit zu gestehen, wir haben von dem Bilde bis
jetzt noch nicht das Original vor Augen gehabt,
sondern nicht viel mehr, als der Leser auch in
unserer Zeitschrift wahrnehmen kann, eine Photo-
graphie. Wir sind daher in seinen Farben auf
Mutmassungen, bezüglich seiner Valeurs auf Vor-
aussetzungen angewiesen. —

Es sei diese Gelegenheit benutzt, um einen Irr-
tum zu rektifizieren, der uns bei der Wiedergabe
des ausgezeichneten Bildes vorgekommen war, das
wir auf Seite 522 unseres vorigen Jahrganges vor-
geführt haben. Derselbe Raum war hier dar-
gestellt, der auf dem heute von uns gebrachten
Bilde gezeigt wird; man erkennt die Identität u.a.
an der Uebereinstimmung der Fensterflügel; beide
Male bildet die Werkstätte von Friedrich den
Gegenstand, auf unserm heutigen Bilde sieht man
Friedrich's Gattin am Fenster, auf dem Bilde vom
vorigen Jahrgang Friedrich selber an der Staffelei.
Doch war der Maler jenes Bildes nicht, wie wir,
auf einen Irrtum im Katalog der Landschafteraus-
stellung am lehrter Bahnhof gestützt, annahmen,
Friedrich selber. Wenn man in unserer Wiedergabe
des Bildes im vorigen Jahrgang den untern linken
Rand genau betrachtet, so erkennt man die Sig-
natur des Künstlers, der thatsächlich das Bild gemalt
hat: Es stellt zwar Caspar David Friedrich dar, ist
aber von G. Kersting, wie dieser untere Bildrand
zeigt, gemalt, und zwar im Jahre 18 11. H.

84
 
Annotationen