Sedanbiers in dem Stück Paul Mongre „der Arzt seiner
Ehre" wieder auftauchen.
Der in Bremen verstorbene Vorsitzende des dortigen
Kunstvereins, Dr. H. H. Meyer, überwies den bremer
Kunstfreunden als wertvolles Vermächtnis seine Samm-
lung von Kupferstichen und Radierungen (ca. 70000
Stück). H.
ÜBER DAS KUNSTURTEIL
Unter dem Titel „Musikkritik" hat Carl Krebs am
r 1. Oktober im „Tag" einen vortrefflichen Aufsatz ver-
öffentlicht, dem wir nicht umhin können den letzten
Teil zu entnehmen, weil er nach unserer Ansicht auch
für die Betrachtung bildender Kunst das Richtige trifft:
„Was hat es mit dem ästhetischen Urteil auf sich",
fragt Krebs. „Giebt es überhaupt ein Kunsturteil?
Um diese Frage zu beantworten, müssten wir zunächst
wissen, was denn „Kunst" ist. Hier stock' ich schon!
Es geht uns mit der Kunst ähnlich wie den Elektrikern
mit der Elektrizität: sie haben sich das rätselhafte Wesen
dienstbar gemacht und operieren mit ihm höchst er-
spriesslich, was es jedoch im Grunde ist, vermag keiner
zu sagen. So hat auch noch keiner die Formel finden
können, die uns den Begriff Kunst erschliesst. Durch
Erfahrung und Übung haben wir einen Instinkt in uns
entwickelt, der uns auf leidlich gebahnten Wegen ziem-
lich sicher leitet. In ganz fremder Gegend aber gehen
wir leicht irre. Ja, was ist Kunst? Wem diese Frage
immerfort durch den Kopf geht, der gelangt durch Aus-
scheidung schliesslich zu einem Ergebnis, das alles Üb-
liche auf den Kopf stellt, zu dem Ergebnis, dass Kunst
überhaupt nichts Reales ist, sondern ein Gefühl, eine
Empfindung, und dass das Kunstwerk, in dem man die
Kunst verkörpert wähnte, nur den Zweck hat, dies Ge-
fühl auszulösen.
Ist diese Anschauung richtig — und für meinen per-
sönlichen Gebrauch habe ich ihre Richtigkeit erprobt, —
so kann es kein Kunsturteil im eigentlichen Sinne geben,
denn ein Urteil muss sich begründen lassen; ein Gefühl
zu begründen ist jedoch eine Unmöglichkeit, denn was
man als Begründung anführen könnte, sind rein subjek-
tive Momente. Die Meinung, dass ein wirkliches Kunst-
urteil möglich sei, hat sich nur infolge einer Verwechs-
lung bilden können: der Verwechslung von Handwerk
und Kunst, der Annahme, dass Kunst nichts weiter ist
als die höchste Verfeinerung, die letzte Spitze des Hand-
werks. Wie diese Annahme entstehen konnte, ist ganz
klar. Das Handwerkliche nimmt im Kunstwerk eine be-
deutende Stellung ein; wir sehen, wie die grössten
Meister schlicht als Handwerker begonnen haben und,
scheinbar nur von Stufe zu Stufe schreitend, plötzlich
ALFRED MESSEL, HEIZKÖRPERVERKLEIDUNG IM SPEISE-
ZIMMER DES SIMONSCHEN HAUSES
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Ehre" wieder auftauchen.
Der in Bremen verstorbene Vorsitzende des dortigen
Kunstvereins, Dr. H. H. Meyer, überwies den bremer
Kunstfreunden als wertvolles Vermächtnis seine Samm-
lung von Kupferstichen und Radierungen (ca. 70000
Stück). H.
ÜBER DAS KUNSTURTEIL
Unter dem Titel „Musikkritik" hat Carl Krebs am
r 1. Oktober im „Tag" einen vortrefflichen Aufsatz ver-
öffentlicht, dem wir nicht umhin können den letzten
Teil zu entnehmen, weil er nach unserer Ansicht auch
für die Betrachtung bildender Kunst das Richtige trifft:
„Was hat es mit dem ästhetischen Urteil auf sich",
fragt Krebs. „Giebt es überhaupt ein Kunsturteil?
Um diese Frage zu beantworten, müssten wir zunächst
wissen, was denn „Kunst" ist. Hier stock' ich schon!
Es geht uns mit der Kunst ähnlich wie den Elektrikern
mit der Elektrizität: sie haben sich das rätselhafte Wesen
dienstbar gemacht und operieren mit ihm höchst er-
spriesslich, was es jedoch im Grunde ist, vermag keiner
zu sagen. So hat auch noch keiner die Formel finden
können, die uns den Begriff Kunst erschliesst. Durch
Erfahrung und Übung haben wir einen Instinkt in uns
entwickelt, der uns auf leidlich gebahnten Wegen ziem-
lich sicher leitet. In ganz fremder Gegend aber gehen
wir leicht irre. Ja, was ist Kunst? Wem diese Frage
immerfort durch den Kopf geht, der gelangt durch Aus-
scheidung schliesslich zu einem Ergebnis, das alles Üb-
liche auf den Kopf stellt, zu dem Ergebnis, dass Kunst
überhaupt nichts Reales ist, sondern ein Gefühl, eine
Empfindung, und dass das Kunstwerk, in dem man die
Kunst verkörpert wähnte, nur den Zweck hat, dies Ge-
fühl auszulösen.
Ist diese Anschauung richtig — und für meinen per-
sönlichen Gebrauch habe ich ihre Richtigkeit erprobt, —
so kann es kein Kunsturteil im eigentlichen Sinne geben,
denn ein Urteil muss sich begründen lassen; ein Gefühl
zu begründen ist jedoch eine Unmöglichkeit, denn was
man als Begründung anführen könnte, sind rein subjek-
tive Momente. Die Meinung, dass ein wirkliches Kunst-
urteil möglich sei, hat sich nur infolge einer Verwechs-
lung bilden können: der Verwechslung von Handwerk
und Kunst, der Annahme, dass Kunst nichts weiter ist
als die höchste Verfeinerung, die letzte Spitze des Hand-
werks. Wie diese Annahme entstehen konnte, ist ganz
klar. Das Handwerkliche nimmt im Kunstwerk eine be-
deutende Stellung ein; wir sehen, wie die grössten
Meister schlicht als Handwerker begonnen haben und,
scheinbar nur von Stufe zu Stufe schreitend, plötzlich
ALFRED MESSEL, HEIZKÖRPERVERKLEIDUNG IM SPEISE-
ZIMMER DES SIMONSCHEN HAUSES
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