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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Haberfeld, Hugo: Religiöse Kunst in der Wiener Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0177

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Im letzten Saal hängen ein paar gute Bilder
nicht immer gut nebeneinander. Von Eduard v.
Gebhardt ein malerisch etwas spröder „Christus",
dessen sprechende Haltung und Geste eher die des
Predigers in der Wüste ist. Von Uhde ebenfalls
ein „Christus", blond, rötlichen Gewandes, in
wundersam lebendem und belebendem Licht, dann
die „Predigt am See", künstlerisch nicht ganz
so hochstehend wie des Meisters frühere religiöse
Bilder, aber auch nicht so genrehaft pointiert, in die
blaue Stille des Sees und die abklingenden Farben des
Spätnachmittags unvergesslich getaucht. Ferner ein
toter „Christus", in schwarz-blau-grüner Tönung,
die Stuck in solchen Fällen liebt. Merkwürdig ist,
dass auf dem Rahmen aus Evang. Matthäi 2 7 zitiert

wird: „.....und Joseph nahm den Leib und

wickelte ihn in eine reine Leinwand....", im Bilde
jedoch ein nackter Leichnam gemalt ist. Das fiele
bei anderen Künstlern gar nicht auf; für Stucks
ein wenig ungeistige, äusserlich arrangierende Art
ist es bezeichnend. Schliesslich von Lovis Corinth
eine „Grablegung", „gemalt und geschenkt seiner
Geburtsstadt Tapiau", ein starkes Werk seines kraft-
vollen, zuweilen kraftmeiernden Pinsels. Unter den
französischen Bildern fällt ein 1895 gemalter
wunderschöner Gauguin auf, „Traum des heiligen
Josef" benannt: die noch konsequenter als Prinzip
festgehaltene Manet'sche Farbenfläche und ver-
schärfte Degassche Zeichnung in Gauguin'scher
Synthese und Fortführung zum Stil hin, diesmal nicht
wie sonst von den exotischen Reizen Tahitis um-
spielt. Daneben drei Sachen von Maurice Denis, die
man aus dem letzten „Salon" kennt. Wer dieses
Künstlers ganze Bedeutung für die moderne religiöse
Malerei ermessen will, muss in le Vesinet bei Paris

die Schulkapelle und die zwei Kirchenkapellen ge-
sehen haben, die Denis ausgemalt hat. Von der
blütenweissen Schönheit und Süsse, von dem durch
Anmut und Güte gesänftigten Genie dieser Fresken
ist in der „Huldigung" in „Notre Dame de l'ecole"
und in der „Anbetung der heiligen drei Könige"
mancher Reflex zu spüren. Aus Belgien ist Leon
Frederic zu nennen, der in seinem Triptychon „der
heilige Franziskus im Walde" die hagere Silhouette
und die braune Kutte des Heiligen bald den der
Predigt lauschenden Rehen, bald einem einsam
verwitternden Baumstamm reizvoll anzunähern weiss,
als wollte er fein daran erinnern, dass Franz die
Tiere und Bäume Brüder und Schwestern nannte.

Sonntag, den 2. Mai 1824, vermerkt Ecker-
mann: „Wir sprachen sodann, nach flüchtiger Be-
rührung anderer Gegenstände, über die falsche
Tendenz solcher Künstler, welche die Religion zur
Kunst machen wollen, während ihnen die Kunst
Religion sein sollte. Die Religion, sagte Goethe,
steht in demselben Verhältnis zur Kunst, wie jedes
andere höhere Lebensinteresse auch. Sie ist bloss
als Stoff zu betrachten, der mit allen übrigen
Lebensstoffen gleiche Rechte hat. Auch sind Glaube
und Unglaube durchaus nicht diejenigen Organe,
mit welchen ein Kunstwerk aufzufassen ist, viel-
mehr gehören dazu ganz andere menschliche Kräfte
und Fähigkeiten. Die Kunst soll aber für die-
jenigen Organe bilden, mit denen wir sie auffassen;
thut sie das nicht, so verfehlt sie ihren Zweck, und
geht ohne die eigentliche Wirkung an uns vor-
über . . . ."

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