kunstvollen Regeln der höfischen Etiquette als han-
delnde Personen auftreten, und in Haltung, Geber-
den und Kostümen die künstlerische Einheit zu voll-
enden suchen. Die Gartenetiquette, zuerst von
Italien und später von Frankreich ausgehend, ist
für ganz Europa verbindlich geworden. Die eng-
lische Romantik, die den Kontinent mit dem falsch
verstandenen Vorbild des Landschaftsgartens be-
schenkte, hatte kein neues Kunstgesetz für den
Garten entwickelt. Der landschaftliche Garten hat
vielmehr die künstlerische Entwicklung aufgehalten.
Er hat sich als der misslungene Versuch erwiesen,
durch Nachahmung der landschaftlichen Willkür-
lichkeiten die Weihe der Naturstimmungen in
kleinen und kleinsten Gärten künstlich zu erzeugen.
Die Stimme Rousseaus lebte nun in den götter-
verlassenen Hainen. Er predigte Natürlichkeit,
und was in den meisten Fällen erreicht ward, war
Künstlichkeit. Jeder kleine Villengarten, die win-
zigsten städtischen Parkanlagen wollen ein hyde-
parkähnliches Gebilde vortäuschen, mit scheinbar
natürlichen Teichen, bretzelförmig gewundenen
Wegen, kleinen Grasflecken als Wiese, stockigen
Büschen als Wald, künstlichen Ruinen, felsigen
Grotten, bazarmässigen Gartenplastiken, als Pilzen,
Zwergen, Hirschen-aus gebranntem Ton; nicht der
Gartenkünstler ist am Werk, sondern der „Kunst"-
Gärtner; der Geist ist entwichen, und die ideen-
arme Banalität herrscht. Noch stehen in alter
Pracht und Heiterkeit die barocken Gärten, eine
leere Bühne, das Requisit einer vergangenen hoch-
gestimmten Zeit, eine Art Freimuseum, ein Stück
verwitterter Festlichkeit mitten im nüchternen All-
tag. Aber seit Böcklin geht die Ahnung neuer
mystischer Schönheit durch die Welt, die eine
kommende Entwicklung für die Gartenkunst er-
schliesst. Was der Naturromantik versagt blieb,
wird bei Böcklin Ereignis. Die mystische Natur-
feier gestaltet er als künstlerisches Erlebnis. Er
kennt die Elegie versunkener Gärten; er verehrt
schöne alte Bäume wie ein Heiligtum; sie erscheinen
anbetungswürdig, wenn auch das Standbild des
Herakles fehlen würde; Quellen, Brunnen, Teiche
sind in seinen Bildern sorgfältig gemauert und bau-
künstlerisch behandelt; zur Weihestimmung ver-
dichtet sich das Naturelement im heiligen Hain;
festlich führt der Gang zum Bacchustempel über
kunstvolle Mosaiken, die Gartenlaube zeigt die ein-
fachsten stilistischen Elemente, aus denen die Wunder
künftiger Gärten hervorgehen werden. Sie werden
ein neues Geheimnis einschliessen. Sie werden das
Seelenleben des modernen Menschen mit Mitteln
versuchen, deren Wirkungen noch unversucht sind.
Sie werden nicht nur als Weihebezirke erlesener
plastischer Kunstwerke gelten, sondern auch die
letzte künstlerische Entdeckung des 19. Jahrhun-
derts, den Impressionismus, ihren Zwecken unter-
than machen und das ungeahnte Paradies der far-
bigen Wirkung erobern.
Die Architektur des Gartens. — Schöne Gärten
sind nicht nur schön durch die Vegetation, Blumen,
Gräser, Bäume, sie sind künstlerisch schön durch
die Anlage. Sie sind von den festen Linien der
Architektur nicht abzulösen, wenn sie nicht die
Bedeutung des Gartens verlieren sollen. Der Baum
ist zwar schön als Baum, die Wiese ist schön als
Wiese, aber Bäume und Wiesen in der Zufälligkeit
des Daseins sind noch lange nicht Gärten. Was die
Natur mit sorgloser Freigebigkeit hervorbringt,
gewinnt erst Bedeutung durch die künstlerische
Gestaltung, die anderen Absichten folgt und das
menschliche Geheimnis der Schönheit offenbaren
will. Die Gärten sind eine Huldigung an die
Natur, wenn sie auch anderen Gestaltungsgrund-
sätzen folgen als diese. Die Huldigung wird Archi-
tektur. Die Gärten der Antike, die mittelalter-
lichen Wasser- und Mauergärten, im engen Bereich
der Befestigungen erblüht, die strengen Kloster-
gärten in weissen Arkadenhöfen, sind ebensowenig
von der architektonischen Grundlage, die ihnen die
Form giebt, zu trennen, wie die Gärten der Renais-
sance und des Barocks, die dieses formale Prinzip
mit stärkstem Bewusstsein entwickeln. Der Geist
des Gartens hat kein anderes Mittel, sichtbar zu
werden, als das architektonische Moment. Die
Mythe, die der Mensch um alte Bäume oder um
freie Kultstätten dichtet, wird Bauform. Das Ge-
heimnis der Quelle der Arethusa in Syrakus ist
durch das Mauerwerk um die Quelle lokalisiert,
Böcklin errichtet um die Bäume und das Standbild
des Herakles ein prachtvolles Gemäuer, das die
Heiligkeit des Ortes ausdrücken soll; im Heiligen
Hain, oder im Gang nach dem Bacchustempel be-
wegt sich die mystische Handlung in den strengen
Linien einer idealen verschwebenden Architektur,
und im allgemeinen deutet jedes Naturfest, jeder
feierliche Umzug von Menschen und jeder Reigen
einen unkörperlichen Grundriss an. Auch in
Maeterlincks mystischen Spielen sind die imagi-
nären Linien von künftigen Werken der schönen
Hausbau- und Gartenkunst enthalten, die sicherlich
einmal in körperlicher Sichtbarkeit erstehen wer-
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delnde Personen auftreten, und in Haltung, Geber-
den und Kostümen die künstlerische Einheit zu voll-
enden suchen. Die Gartenetiquette, zuerst von
Italien und später von Frankreich ausgehend, ist
für ganz Europa verbindlich geworden. Die eng-
lische Romantik, die den Kontinent mit dem falsch
verstandenen Vorbild des Landschaftsgartens be-
schenkte, hatte kein neues Kunstgesetz für den
Garten entwickelt. Der landschaftliche Garten hat
vielmehr die künstlerische Entwicklung aufgehalten.
Er hat sich als der misslungene Versuch erwiesen,
durch Nachahmung der landschaftlichen Willkür-
lichkeiten die Weihe der Naturstimmungen in
kleinen und kleinsten Gärten künstlich zu erzeugen.
Die Stimme Rousseaus lebte nun in den götter-
verlassenen Hainen. Er predigte Natürlichkeit,
und was in den meisten Fällen erreicht ward, war
Künstlichkeit. Jeder kleine Villengarten, die win-
zigsten städtischen Parkanlagen wollen ein hyde-
parkähnliches Gebilde vortäuschen, mit scheinbar
natürlichen Teichen, bretzelförmig gewundenen
Wegen, kleinen Grasflecken als Wiese, stockigen
Büschen als Wald, künstlichen Ruinen, felsigen
Grotten, bazarmässigen Gartenplastiken, als Pilzen,
Zwergen, Hirschen-aus gebranntem Ton; nicht der
Gartenkünstler ist am Werk, sondern der „Kunst"-
Gärtner; der Geist ist entwichen, und die ideen-
arme Banalität herrscht. Noch stehen in alter
Pracht und Heiterkeit die barocken Gärten, eine
leere Bühne, das Requisit einer vergangenen hoch-
gestimmten Zeit, eine Art Freimuseum, ein Stück
verwitterter Festlichkeit mitten im nüchternen All-
tag. Aber seit Böcklin geht die Ahnung neuer
mystischer Schönheit durch die Welt, die eine
kommende Entwicklung für die Gartenkunst er-
schliesst. Was der Naturromantik versagt blieb,
wird bei Böcklin Ereignis. Die mystische Natur-
feier gestaltet er als künstlerisches Erlebnis. Er
kennt die Elegie versunkener Gärten; er verehrt
schöne alte Bäume wie ein Heiligtum; sie erscheinen
anbetungswürdig, wenn auch das Standbild des
Herakles fehlen würde; Quellen, Brunnen, Teiche
sind in seinen Bildern sorgfältig gemauert und bau-
künstlerisch behandelt; zur Weihestimmung ver-
dichtet sich das Naturelement im heiligen Hain;
festlich führt der Gang zum Bacchustempel über
kunstvolle Mosaiken, die Gartenlaube zeigt die ein-
fachsten stilistischen Elemente, aus denen die Wunder
künftiger Gärten hervorgehen werden. Sie werden
ein neues Geheimnis einschliessen. Sie werden das
Seelenleben des modernen Menschen mit Mitteln
versuchen, deren Wirkungen noch unversucht sind.
Sie werden nicht nur als Weihebezirke erlesener
plastischer Kunstwerke gelten, sondern auch die
letzte künstlerische Entdeckung des 19. Jahrhun-
derts, den Impressionismus, ihren Zwecken unter-
than machen und das ungeahnte Paradies der far-
bigen Wirkung erobern.
Die Architektur des Gartens. — Schöne Gärten
sind nicht nur schön durch die Vegetation, Blumen,
Gräser, Bäume, sie sind künstlerisch schön durch
die Anlage. Sie sind von den festen Linien der
Architektur nicht abzulösen, wenn sie nicht die
Bedeutung des Gartens verlieren sollen. Der Baum
ist zwar schön als Baum, die Wiese ist schön als
Wiese, aber Bäume und Wiesen in der Zufälligkeit
des Daseins sind noch lange nicht Gärten. Was die
Natur mit sorgloser Freigebigkeit hervorbringt,
gewinnt erst Bedeutung durch die künstlerische
Gestaltung, die anderen Absichten folgt und das
menschliche Geheimnis der Schönheit offenbaren
will. Die Gärten sind eine Huldigung an die
Natur, wenn sie auch anderen Gestaltungsgrund-
sätzen folgen als diese. Die Huldigung wird Archi-
tektur. Die Gärten der Antike, die mittelalter-
lichen Wasser- und Mauergärten, im engen Bereich
der Befestigungen erblüht, die strengen Kloster-
gärten in weissen Arkadenhöfen, sind ebensowenig
von der architektonischen Grundlage, die ihnen die
Form giebt, zu trennen, wie die Gärten der Renais-
sance und des Barocks, die dieses formale Prinzip
mit stärkstem Bewusstsein entwickeln. Der Geist
des Gartens hat kein anderes Mittel, sichtbar zu
werden, als das architektonische Moment. Die
Mythe, die der Mensch um alte Bäume oder um
freie Kultstätten dichtet, wird Bauform. Das Ge-
heimnis der Quelle der Arethusa in Syrakus ist
durch das Mauerwerk um die Quelle lokalisiert,
Böcklin errichtet um die Bäume und das Standbild
des Herakles ein prachtvolles Gemäuer, das die
Heiligkeit des Ortes ausdrücken soll; im Heiligen
Hain, oder im Gang nach dem Bacchustempel be-
wegt sich die mystische Handlung in den strengen
Linien einer idealen verschwebenden Architektur,
und im allgemeinen deutet jedes Naturfest, jeder
feierliche Umzug von Menschen und jeder Reigen
einen unkörperlichen Grundriss an. Auch in
Maeterlincks mystischen Spielen sind die imagi-
nären Linien von künftigen Werken der schönen
Hausbau- und Gartenkunst enthalten, die sicherlich
einmal in körperlicher Sichtbarkeit erstehen wer-
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