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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Lux, Joseph August: Der Geist des Gartens
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0435

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den. Nicht die organische Einheit des Gartens mit
dem Hausbau allein macht es aus; was entscheidet,
ist vielmehr das autokratische Walten des künstle-
rischen Geistes mit den Naturelementen, denen er
die Form geben will. Der Gedanke ist, dass in
keinem Teile des Gartens das Gefühl der architek-
tonischen Einheit schwinden soll. Treppen, Fon-
tänen, plastische Gruppen geben eine immer-
währende Orientierung. Nicht nur, dass Hecken
und Bäume geschnitten als Wände und Architektur-
formen erscheinen, sie eröffnen stets die Perspektive
auf einen spezifischen Architekturteil, der nicht ver-
gessen lässt, dass der Garten ein Kunstgebilde ist.
Die Barockzeit that sich darauf Unendliches zugute.
Sie stellte Plastiken in langen Reihen auf, aber die
Plastiken hatten, abgesehen von ihrer allegorischen
Bedeutung, die dem Zeitgeist entsprach, eine archi-
tektonische Funktion. Sie waren skulptierte Archi-
tektur. Sie thaten als weisse Stützpunkte für das
Auge ihre Schuldigkeit, indem sie die raumkünst-
lerische Zusammenfassung herstellten. Es hätte
eine kaum geringere Gesamtwirkung ergeben,
wenn die Plastiken durch andere tektonische Ele-
mente vertreten wären, durch weisse Pfeiler, weisse
Bänke, neben den regelmässig gezogenen, weiss-
bekiesten Wegen, die auch eine künstlerische Auf-
gabe nebst ihrer praktischen Bestimmung zu er-
füllen haben. Konstantin Somoff, der feine Nach-
empfinder des hochkultivierten 18. Jahrhunderts,
hat dieses Gefühl gehabt. Die weissen Bänke in
seinen Gartenbildern wirken als Träger des Archi-
tekturgedankens. Unsere Zeit hat keinen solchen
Reichtum an plastischen Allegorien und Orna-
menten aufzuweisen, wie die Barocke, sie empfindet
anders, und ist nicht in der Lage, mit solchen Requi-
siten, die einst aus leichtem künstlerischen Schaffen
hervorgingen, Gartenarchitekturen zu bilden. Das
Sachlichkeitsmoment steht im Vordergrund, und die
Entwicklung der Gartenkunst wird das tektonische
Prinzip klarer betonen. Aber die Verpflichtung
wird für den Gartenkünstler niemals aufhören,
auch mit den sachlichen Mitteln dichterisch zu ver-
fahren.

Die plastischen und malerischen Elemente des
Gartens. — Aber die Architektur ist auch im Garten
eine bloss räumliche Abstraktion, die auf die Mit-
wirkung der anderen Künste angewiesen ist.
Pflanzenwuchs, die Blumen mit ihren Farben,
Wasser, Stein, Erde sind Material, die ihr künstle-
risches Leben durch die formalen Ideen empfangen,
deren Verkörperung sie dienen. Die Architektur

hat die Aufgabe, auch im Garten alle künstlerischen
Elemente auf das beste und wirkungsvollste anzu-
wenden. Sie stellt die räumliche Beziehung
zwischen den körperlichen Grössen, als Plastiken,
Ruhebänken, Wasserspielen, geschnittenen Vege-
tationsformen einerseits und den Flächengrössen
als Rasen, Blumenbeete, "Wasserspiegeln anderer-
seits her. Die Gartenkunst wird ihren Triumph
darin suchen, auf sachliche Weise und mit den ein-
fachsten Mitteln eine künstlerische Auffassung
machtvoll zu gestalten; aber sie bringt die Forde-
rung mit, dass die plastischen Werke, mit denen
sie einen gartenarchitektonischen Zusammenhang
schafft, einwandfreie Kunstwerke sind. Ein Brunnen,
von der mystischen Weihe, wie etwa jener von
Georg Minne, wird in einem solchen Umkreis zu
den höchsten Wirkungen berechtigen. Was der
Impressionismus für die Förderung der Gartenkunst
geleistet hat, ist angedeutet worden. Die Wasser-
spiegel der Fontänen sind als Fläche zwar bestimmt,
das wechselnde Antlitz des Himmels zu spiegeln
und den farbigen Abglanz des Firmaments in den
Gartengrund zu legen. Aber es sind für das male-
rische Empfinden stärkere Ausdrucksmittel mög-
lich, die der Künstler in seiner Gewalt hat, näm-
lich die Blumen mit ihren Farben. An Stelle des
Teppichbeetes aus dem 18. Jahrhundert wird das
Zeitalter des Impressionismus die Farbe der Blumen
in breiten Flächen auf die Beete setzen und mit
steinerner Umfassung umgeben. Die heimatlichen
Blumen, die Bauernblumen mit ihren kräftigen
Farben, die jede Abwägung der Farbenfelder, jede
Kontrastwirkung zulassen, werden in der Hand des
neuen Gartenkünstlers wieder zu ungeahnten Ehren
kommen. Dieser wird mit ihrer Hülfe breite bunte
Ströme durch den Garten legen, er wird dichterisch
verfahren können und Farbenpoesien hervorbringen
können, wie der Bildhauer plastische Ideen ver-
dichtet. .

Beide Elemente, die malerischen und die plas-
tischen, sind bestimmt, in den öffentlichen Gärten
und städtischen Garten anlagen eine künstlerische
Reform hervorzurufen. Die Blumen, mit ihrer leb-
haften Farbigkeit in weiten Flächen angelegt, bilden
eine notwendige Erquickung in der grauen Stadt;
der Denkmalkult verlangt eine gartenarchitekto-
nische Grundlage in dem Sinne, wie die alten
Gartenkünstler ihre Plastiken aufstellten, um be-
deutende Wirkungen zu erzielen. Das Denkmal
kann dem Geiste des Gartens eine neue Bedeutsam-
keit geben, das Wesen eines Dichterhaines.

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