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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Schuette, Marie: Vier lithographische Einzelblätter von Goya
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0448

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Drucke an dieser Stelle manchem willkommen sein
dürfte.

In hohem Alter wandte sich Goya noch dem
Steindruck zu, möglich dass das Zeichnen auf den
Stein, mit Kreide oder Pinsel, seine schwachen
Augen weniger anstrengte als die Arbeit mit der
feinen Radiernadel. Denn der Steindruck löst in
seinem Lebenswerk die Radierung ab. Nur zwei
Blätter, die spinnende Frau und das zweifigurige
Duell, tragen eine Jahreszahl, sie sind 1819 datiert.
Man darf annehmen, dass auch die anderen um
diese Zeit entstanden sind.

Der Grund für ihre grosse Seltenheit — mehr
als fünf Abzüge sind von keiner Platte bekannt —
liegt in dem, man möchte sagen, rein persönlichen
Charakter, den sie tragen. Sie waren Versuche des
Meisters in der neuen Technik und als solche noch
mangelhaft, so dass sich das häufige Drucken von
selbst verbot.

Goyas erster Steindruck dürfte der
Mönch sein. — Es ist Nacht. Grell be-
leuchtet steht ein alter Mann in einer
hellen Kutte da, als hielte er lauschend im
Schreiten inne. Die Rechte umklammert
das Kruzifix, der schwarze Schatten der
Kapuze verbirgt das leicht gesenkte Ge-
sicht. Die Schwärze hat am Stein nicht
haften wollen, an den Rändern sind weisse
Streifen stehen geblieben. Schatten und
Licht, Schwarz und Weiss steht ohne Ueber-
gang neben einander, das Blatt wirkt un-
ruhig und fleckig. Die Phantasie vermag
die unklaren Formen im Hintergrunde nicht
zu beleben, nur erraten können wir, dass
nicht ein Mönch, sondern der alte Hierony-
mus gemeint ist, wie ihn seine bösen
Hirngespinste quälen und versuchen.

Einen entschiedenen Fortschritt nach
der technischen Seite bedeutet unser zweites
Blatt — die Vorlesende (Berlin, Kupfer-
stichkabinett; Madrid, Bibl. nac; Paris,
M. Burty, Lefort, Bibl. nat.). Vor dunk-
lem Hintergrund sitzt eine junge Frau nach
links gewandt und liest zwei herandrängen-
den Knaben aus einem grossen Buche vor.
Auch hier stört am unteren Rande das
schlechte Haften der Druckerschwärze, es
hat der Frau die Füsse gekostet. Deutlicher
als beim Mönch lässt sich hier die Mache
erkennen. Goya hat vorwiegend mit der
Kreide gezeichnet und nur wenig Hellig-

keiten mit dem Schaber herausgeholt. Die grössere
Klarheit bedeutet zugleich die grössere Sicherheit
und Beherrschung der Technik. Man vergleiche
die linke Hälfte dieses Blattes, die trefflich ge-
zeichneten Knaben, mit dem formlosen Mönch. —
Neben der Technik hat Goya in den eben be-
trachteten Blättern vor allem das Lichtproblem
interessiert: die Darstellung des hellbeleuchteten
Körpers im dunkeln Raum; in den folgenden da-
gegen werden wir sehen, wie er diesen malerischen
Gedanken fallen lässt, wie er den gleichmässig
hellen Papierton als Hintergrund benutzt. Das
technische Problem ist jetzt gelöst, der Druck tadel-
los, ohne störende, unvorhergesehene Zufällig-
keiten.

Der Traum. Dargestellt ist eine Gruppe von
sechs Frauen. Zu äusserst links sitzt auf einem
niedrigen Schemel ein altes Weib. Kraftlos liegt
ihr zur Seite am Boden ein festlich gekleidetes

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