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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Denis, Maurice: Aristide Maillol, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0530

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Fülle der Oberflächen und die Eleganz der Run-
dungen angenommen hat. Wenn er die Geduld
der Primitiven hat, so treibt er auch wie sie sein
Handwerk einfach, indem jede Handhabung aus
der Erfahrung seiner Hände resultiert. Die mo-
derne Industrie mit ihren flinken Hülfsmitteln
schädigt nicht seine eifrigen Versuche: ja, ich
wage zu sagen, er verachtet sie; ebenso hat er
kein grosses Zutrauen zu den Neuerungen auf
wissenschaftlichem Gebiete: er verlangt von
der Natur direkt alle Hülfsmittel, die sie ihm
bieten kann, und für das übrige nimmt er zu
den Traditionen des Handwerks Zuflucht.

Auf seinen zufälligen Spaziergängen in Banguls
entdeckte er die seltensten und dauerhaftesten
Tinkturen, ein alter Apotheker leitete seine bota-
nischen Sammlungen und um seine Färbmittel
herzustellen, bediente er sich der Rezepte von
Empirikern. Und so gelang es ihm, Wolle von
absolut echten Farben herzustellen, die, wie
Herr Meier-Graefe versichert, denen aus der
Manifaktur der Gobelins vorzuziehen sind. Ich
muss noch hinzufügen, dass er dieselbe Methode
in der Zusammensetzung der Thonerde und der
Emaille anwendet, ebenso in der Wahl und
der Verfertigung seines Handwerkzeugs.

Voller Verehrung für die Vergangenheit,
gehorsam den Lehren der Museen, ahmt er
keine Epoche sklavisch nach und liebt sie alle.
Daher archaisiert er auch nie mit Absicht, er
erschafft jede seiner Formeln neu. Wenn er
manchmal den Griechen aus der Zeit des Phidias sich
nähert — und das springt bei einer lebensgrossen
Figur, an der er jetzt arbeitet, in die Augen, kommt
das nicht etwa durch eine mühsame gnostische Nutz-
anwendung, durch die Vermittlung einer kühlen
Ueberlegung, oder durch Nachahmung — nein, er
fühlt eben einfach ganz wie sie, und ihre Vollendung
ist die seine, die ganz mit seinem Instinkt überein-
stimmt. Er ist ein primitiver Klassiker.

IX. Inwiefern ist er Meister seines Geschicks?
Ich habe gezeigt, welchen selbst erwählten Platz
Aristide Maillol unter den Neuerern in der Kunst
unser Epoche einnimmt. Keine Versuchung, kein
Einfluss (wenn es nicht etwa der Rausch des Erfolges
wäre) könnte ihn von einem so scharf gezeichneten
Wege ableiten, auf dem er schon Werke von einer
seltenen Vollendung geschaffen hat. Und doch ent-
wickelt er sich noch. Es sei erlaubt, dem nachzu-
denken, nach welchen Zielen seine letzten Arbeiten
streben. Seine ersten Terrakotta-Plaketten, in denen

MAILLOL, STUDIE

er bei seinem Auftreten so geglückte Silhouetten
prägte, seine Bronze-Figurinen, hauptsächlich seine
letzten Statuetten, waren schon trotz ihrer kleinen
Proportionen monumentale Werke. Es wäre von
nun an richtig, dass die Architekten ihn teilnehmen
Hessen an der Ausschmückung künftiger Paläste.
Niemand verstünde besser als er, seinen Statuen die
gebührende Rolle zu geben, die der Skulptur in
der Oekonomie eines Gebäudes zukommt. Sie wür-
den den strengen Linien der Steine ein heiteres Leben
einhauchen, ohne die Grösse der Gesamtheit zu zer-
stören, ohne die Uebertreibung einer Bewegung oder
die Aufdringlichkeit eines Ausdrucks. — Wieselten
sind aber moderne Architekten, die soviel Stil und
soviel Mässigung verdienen! Ich denke mir ihn lieber,
wie er die Alleen eines Parks verschönt und wie er
unter dem dichten Grün eines neuen Versailles, in
der klassischen Umgebung eines französischen Parks,
edle und verführerische Bildwerke errichtet, eine
Freude für die Augen und ein Ausruhen für den Geist.

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