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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Zu dem Kopf eines Jünglings von Emil Janssen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0534

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einem der hamburger Kunsthalle gehörenden Rund-
bilde Janssens, das ebenfalls auf der Jahrhunderts-
Ausstellung war. Dieses Bild ist ohne Persönlich-
keit und Eigenart. Es mag ursprünglich malerisch
gewesen sein — das entzieht sich der Beurteilung;
wie es Janssen beendigt hat, ist es jedenfalls ein
unmalerisches Werk geworden, und die Ansätze zu
persönlicher Malerei — wenn sie vorhanden waren
— sind „ausgeglichen" und unterdrückt. Die
beiden durch Bernt Grönvold der Kunstgeschichte
eroberten Arbeiten aber: der männliche Akt und
dieser männliche Studienkopf, zählen zu den
stolzesten Hervorbringungen der Zeit vom Anfang
des neunzehnten Jahrhunderts. Sie wurden von
ihren Zeitgenossen noch nicht in ihrer malerischen
Reife gewürdigt. Sie waren in ihrer Epoche jedoch
beinahe unerhört durch ihren Stil-Inhalt und die
dabei hervortretende Originalität, Freiheit und
Zartheit der Palette.

In der von Grönvold herausgegebenen Selbst-
biographie des teuren Wasmann thut dieser des
Freundes an folgenden Stellen Erwähnung: Seite 41 :
„Emil Janssen aus Hamburg, den ich vor allen
andern lieb gewann, weil sein gemessenes, würde-
volles Benehmen einen beruhigenden Einfluss auf
mich übte. Seine ersten künstlerischen Versuche,
in denen sich die Tiefe eines frommen Gemütes
und ein scharfes Auge für Naturwahrheit zeigte,
waren so entzückend schön, dass seine Freunde die
grössten Erwartungen von ihm hegten. Sein erstes
Bild in München „Tobias' Abschied von den
Eltern", wie er, von dem Engel und dem Hündchen
begleitet, fortgeht, gab die Empfindungen einer
Seele wieder, die sich von der Heimat getrennt
fühlt. Dabei war Farbe, Stil, Haltung der Gewän-
der und der Landschaft so vollendet, als hätte er
schon nach den besten Meistern studiert. Sonder-
bar! so sehr er sich später abhärmte, nach den
edelsten Mustern der alten Zeit sich bildete, nie
entstand wieder von seiner Hand ein so natur-
wüchsiges und zugleich künstlerisch schönes Bild
wie dieses erste. Sein Leben war fortan ein be-
ständiger Zweifel an sich selber, so dass er, un-
geachtet der liebevollen Bemühungen seiner Freunde,
mit seinen Arbeiten nie mehr ins Klare kam." Fer-
ner S. 101 : „In diesem Jahre (1833) hatte ich die
Freude, meinen lieben Freund Janssen, der ebenfalls
Stipendien nach Italien erhalten, in Rom zu sehen.
Wir bezogen zusammen ein etwas grösseres Quar-
tier in der Via Nomentana . . . Wir vertrugen uns
gut miteinander, zeichneten und studierten zusam-

men und waren unzertrennliche Gefährten. Da
Janssen etwas menschenscheuer Art war und grosse
Gesellschaften nicht liebte, so besuchten wir selten
die Scorzzese . . . Als es heisser wurde, gingen
wir beide ins Gebirg und kamen nach Cervara.
Die starre äussere Ruhe meines Freundes bildete zu
meiner beweglichen Natur einen so auffallenden
Gegensatz, dass die Bauern in ihrer drolligen Weise
ihn einen prete, mich einen frate nannten. . ." Im
Spätherbst 1834 machte Wasmann mit Janssen
eine grössere Fussreise bis Frosinone, die letzten
Tage des Herbstes brachten sie in Olevano zu:
„lieber die in Farbenschmuck prangende Natur
war eine feierliche Ruhe gegossen wie über das
Ende eines guten Menschen, der in wehmütiger
Andacht sehnsüchtig nach einem höhern Licht
hinaufschaut." Er erwähnt dann bei der Rückkehr
wieder des Freundes: „Es war der 10. Juli (1835)
früh morgens an einem Freitag, als ich nach dem
Abschied von meinem lieben Janssen, der mich
über Ponte Molle hinausbegleitet hatte, während
die Sonne durch den starken Nebeldunst brach,
wehmütig die letzten Scheideblicke auf die ewige
Stadt warf und noch oft den Kopf umwandte, als
ich längs des Tiber hinschritt."

Endlich heisst es auf S. 16 5 in Wasmanns Selbst-
biographie: „Auch meinen armen Janssen geleitete
ich im Herbst des folgenden Jahres zu Grabe. Er
hatte .. . unter Professor Hess, der sich seiner an-
nahm, mit endloser Anstrengung gearbeitet." Was-
mann schildert dann das Leiden, an dem er starb,
Knochenerweichung: „Seine Krankheit machte
reissende Fortschritte, und bald konnte er nur noch
auf Krücken nach der Viehweide vor dem Thore
sich hinschleppen, um warme Kuhmilch zu trinken,
wo jeder der andern Patienten sich beeilte, dem
armen schönen Dulder Platz zu machen und das
Glas hinzureichen. Dabei hatte er noch den tiefen
Seelenschmerz, dass, als die Kiste mit seinen Sachen
von München kam, eine grosse herrliche Kohlen-
zeichnung, ,die Ruhe der h. Familie auf der Flucht
nach Aegypten', sein Stolz und seine letzte Kunst-
freude, an welcher er wohl ein halbes Jahr in guten
Zeiten studiert und gearbeitet, so unkenntlich und
verwischt anlangte, dass sie nur ein grauer schmut-
ziger Fleck geworden war. Was blieb dem Armen
noch übrig als sich hinlegen und sterben?"

Er erblickte das Licht der Welt in Hamburg
1807 und endete sein junges Dasein in Ham-
burg 1 843.

H.

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