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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Hagen, L.: Geschmackvoll
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0075

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Geschmackvoll.

8^. Lenbach-Saal in der Kunstausstellung des Glaspalastes. Architekt Lmaii. 5 ei dl, INünchcn.

dem Gegenstände und seinem Schmuck bildet. Es
gehört aber schon weit mehr als ein im Durchschnitts-
sinne gebildeter Mensch dazu, um zu erfassen, warum
wir die blumensärmigen Gläser von Zitzmann oder
nach Professor Aöpping bewundern und gleich-
zeitig die Sonnenblume oder den Laubfrosch aus
Fayence verurteilen. Kunstkritiker, die ernstlich ge-
willt sind, das Kunstverständnis des deutschen Volkes
zu erweitern, werden sich in diesem und in hundert
verwandten Fällen die Mühe nehmen müssen, nicht
schlechthin von geschmackvoll und geschmacklos zu
sprechen, sondern darauf hinzuweisen, daß der for-
male Grundgedanke der Sonnenblume, ihr Habitus,
ihre „Seele" sich der Stilisirung zur Blumenvase
entzieht.

Am weitestei: konrmt man, wenn man verstanden
werden will, mit direkter Symbolik. So z. B. hatten
die Schwestern Macdonald einen Leuchterschild in
Rupfer getrieben, welcher einen streng stilisirten Pfau
darstellte. Die Argusaugen im Schwänze des Tieres
waren durch einen raffinierten technischen Aunstgriff

so eingerichtet, daß die Nägel, welche das Kupferstück
auf der Rückwand befestigten, durch sie hindurch gingen.
Gegen den harten, fast brutalen Zug in der stilistischen
Ausführung dieser Arbeiten läßt sich Vieles einwenden.
Es wird aber niemand leugnen können, daß der Ge-
danke, leuchtende Augen, das Sinnbild der Wachsamkeit,
zu verwenden, geschmackvoll ist an einem Gegenstände,
dessen praktischerZweck erhöhte Helligkeit als erstrebens-
werthes Ziel vorschreibt. Eine Pickelhaube aber steht
in keinerlei Gedankenverbindung mit der Tischglocke,
und das Bild einer jungen Mutter mit ihrem Erst-
geborenen auf einem Ständer in Fahrradform hat
weder der humoristischen Phantasie noch dem Ge-
müts etwas zu sagen. Wenn die eben genannten
Künstlerinnen dagegen das Zifferblatt einer Uhr mit
zwei „Horen" verzieren, die den flüchtigen Samen
des Löwenzahns von seinem kugelförmigen „Licht"
abblasen, so treffen sie damit auf ein verständliches
Sinnbild der enteilenden Zeit, das sich durch Opti-
mismus auszeichnet, weil hier die vergänglichen
Stunden als Samenkörner gelten.

so
 
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