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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Gmelin, Leopold: Randbemerkungen zu neueren Arbeiten von Karl Groß
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0101

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Randbemerkungen zu neueren Arbeiten von Karl Groß.

zwar als werthvolle Hilfstruppen willkommen ge-
heißen wurden, aber nicht zur Rolle einer Prätorianer-
Garde gelangt sind und die Herrschaft an sich ge-
rissen haben.

Inwieweit es berechtigt ist, ein Naturgebilde
seiner körperhaften Erscheinung zu berauben und es
nur gewiffermaaßen als Umrißzeichnung, als Skelett
plastisch darzustellen, wie Groß dies bei dein Glühlicht-
Träger aus Schmiedeisen (Abb.s27) gethan, darüber
läßt sich streiten. Gewiß ist Haltung und Bewegung
des den Träger bildenden Vogels vortrefflich der
Natur abgelauschtH und wenn man sich die zurecht-
gebogenen Eisenstäbe als breite, schwarze pinsel-
striche auf Papier vorstellt, so muß man die Ein-
fachheit und Treue der Darstellung anerkennen; inan

\2^. Briefbeschwerer aus Zinn (mit Elfenbeinsockel) von Karl
Groß (München), Dresden. Ungefähr 1/s d. wirkl. Größe.

deiikt sich dabei eben unwillkürlich die zwischen den
Umrissen stehende Fläche ausgefüllt. — Solcher
Täuschung vermag das Auge sich aber nicht mehr
hinzugeben, wenn es zwischen den Umrissen des
Körpers hindurch die des jenseitigen Flügels oder
irgend welche andere Dinge wahrnimmt, wenn
diejenigen Theile der Naturform, welche die Haupt-
masse des Geschöpfes ausiiiachen, — Kopf und
Rumpf — trotz der körperhaften Darstellung des
Ganzen sich zur flächenhaften Schablone verflüchtigen.

Eine solche Auflösung vollrunder, körperhafter
Gebilde in ein System von Linien ist aber keines-
wegs eine moderne Erfindung. Die Schmiedegitter

i) Wie Groß uns mittheilt, hat er hierfür nur eine ganz
flüchtige Skizze gefertigt; das Verdienst der verständigen Detail-
ausführung gebührt ganz allein dem Kunstschlosser tvörz jun.,
München.

der Barockzeit weisen ja oft genug ganze Pilaster,
Basen und andere Bautheile auf, die in Gerippe
von Stäben aufgelöst sind; man wird in Erinnerung
daran auch über den Groß'schen Wandarm zu
milderem Urtheil gestimmt. Gewisse Gitterthore des
\7. Jahrhunderts, welche ganze Architektur-Per-
spektiven zeigen, kann man jedenfalls mit mehr Recht
als Ausschreitungen bezeichnen.

Andere Einwände kann man gegenüber dem bron-
zenen Thürklopfer erheben (Abb.sSS). Es ist ein paffen-
der Gedanke, einen Faun dabei zu verwenden, indem
dessen plumpes, harthufiges Fußwerk, den pochenden
Schlag gut verbildlicht; nur legt man sich unwill-
kürlich die Frage vor, warum dann der Faun nicht
als vollrunde Figur, sondern nur als — gewiß
trefflich gezeichnete — Silhouette aus einer finger-
dicken Bronzeplatte gefertigt wurde. War es mehr
die Erinnerung an schmiedeiserne Arbeiten dieser
Art mit ihren derb eingeschlagenen Linien, — oder
waren es Rücksichten auf preiswürdigere Herstellung,
welche den Ausschlag gaben? Gder erstrebte der
Künstler durch die Reduzirung des Körperhaften auf
das Flächenhafte eine Annäherung des von Haufe
aus vollrunden Gebildes an die mehr oder weniger
flach gehaltene Thüre, — ähnlich wie bei den pflanz-
lichen Grnamenten der oben abgebildeten Gewölbe-
stuckaturen ?

Wie dem auch sei; man mag in der Zeit der
elektrischen Klingeln über ein Lärminstrument, wie
es der Thürklopfer ist, die Achseln zucken, — man
mag aus Grundsatz gegen eine solche silhouetten-
hafte Darstellung eisern, namentlich wenn man in
der Regel die Silhouette nur in der Verkürzung zu
sehen bekommt. Aber man wird doch stets die ge-
schickte Darstellung der Silhouette mit den eingezeich-
neten Linien anerkennen müssen.

Sicherlich ist noch Manches an den Arbeiten
von Groß einer weiteren Vervollkommnung fähig,
und der Urheber ist selbst gewiß der letzte, der die-
selben als unübertrefflich hinstellen würde; aber es
läßt sich kaum ernsthaft bestreiten, daß der von ihm
eingeschlagene Weg, erst sich mit den materiellen
Vorbedingungen kunstgewerblichen Gestaltens völlig
vertraut zu machen und dann die Naturformen zur
Mitwirkung am Werke herbeizurufen, der richtige ist,
um dem Kunsthandwerk unserer Tage frische Quellen
zu erschließen. Was Groß bisher bei diese,n Vor-
gehen erreicht hat, erfüllt uns mit der frohen Hoff-
nung, daß wir von seiner immer mehr gesteigerten
Findigkeit noch inanches frischfrühliche Werk zu er-
warten haben werden. L. G.

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