Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

DOI Artikel:
Lipps, Thorsten: "Kunst" und "Kunstgewerbe"
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0104

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kunst und Kunstgewerbe.

Schüsseln sonst haben, dächten,
wenn die Teller und Schüsseln
auch unter diesen Umständen
zur Verwirklichung dieses
Zweckes unmittelbar einzu-
laden und zugleich doch die-
selbe zu vereiteln schienen.

Aber dies ist ja nicht der

Fall. Der Gedanke an die

sonst mögliche praktische Verwendung fällt hier ein-
fach weg. Gr scheidet als Bestandtheil des Sinnes
des technischen Aunstwerkes aus. Damit ist das
technische Aunstwerk ärmer geworden, aber doch
nicht seines Sinnes beraubt. Der Gindruck, den wir
von ihm gewinnen, entbehrt eines Momentes, das
bei anderen technischen Kunstwerken, und unter
anderen Voraussetzungen auch bei den Tellern und
Schüsseln, sich findet. Aber daruin hört das tech-
nische Aunstwerk doch nicht auf, als solches zu be-
stehen und uns zu erfreuen.

Wir sehen also: Das technische Aunstwerk kann
einen: praktischen Zweck zu dienen scheinen. Und
es bedeutet einen Wertzuwachs, wenn es einem sinn-
vollen praktischen Zweck in sinnvoller Weise zu dienen
scheint. Gs kann aber auch technische Aunstwerke geben,
die gar keinen Gedanken an einen solchen praktischen
Zweck in sich schließen und darum doch technische
Aunstwerke sind.

Was müssen wir nun unter solchen Umständen
als das Gemeinsame des technischen Aunstwerkes
bezeichnen? Darauf gewinnen wir die Antwort,

wenn wir die „Brauchbarkeit
zu einem praktischen Zweck"
allgemeiner fassen. Das Gr-
zeugniß der technischen Aunst,
das einem praktischen Zwecke
dient, vollbringt damit eine
materielle Leistung, und es
vollbringt sie als dies ma-
terielle, d. h. aus diesem sinn-
lichen Stoff oder dieser greifbaren Masse bestehende
Ding. Solche materielle Leistungen nun vollbringt
auch das technische Aunstwerk, dem der praktische
Zweck fehlt. Nicht als Ganzes vollbringt es eine
materielle Leistung, aber jeder Theil vollbringt eine
solche. Der Glasfuß des venetianischen Glases trägt
als dieser Glasfuß oder als diese geformte materielle
Masse den oberen Teil des Glases. So vollbringt
überhaupt jeder Theil der geformten materiellen Masse,
als die das gläserne Aunstwerk sich uns darstellt, eine
materielle Leistung. Die materielle Leistung besteht
in dem Beitrag, den es zum materiellen Bestände
des ganzen Aunstwerkes leistet.

Nun trägt freilich auch bei der Bronzestatue
der untere Theil der Bronzemasse den oberen. Auch
hier liefert jeder Teil der materiellen Masse seinen
Beitrag zum materiellen Bestände des Ganzen. In-
dessen auch hier lautet die Frage nicht: Was liegt
thatfächlich vor? sondern: Was bedeutet dies that-
fächlich Vorliegende für den Sinn und Znhalt des
Aunstwerkes? Gehört es mit zu diesem Sinn und
Znhalt des Aunstwerkes, oder gehört es nicht dazu?

;28— (3^. Brachen, entworfen und für die
„verein. Werkstätten" ausgeführt von Karl
Groß (München), Dresden.

Aunst und Handwerk. 49. I-chrg. Heft 3.

89

t3
 
Annotationen