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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Schölermann, Wilhelm: Die kunstgewerblichen Ausstellungen in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0143

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Die kunstgewerblichen Ausstellungen in Wien.

(78. Rähmchen von A. Förster (Wien); 1/s d. wirkt. Gr.

der Engländer kann, richtig verstanden, nur gut
wirken. Man kann daraus lernen, wie ein Stil
entsteht, wie er sich organisch von innen entwickeln
muß. Es wird jetzt nur darauf ankommen, daß
die Einheimischen genug Kraft und Selbständigkeit
besitzen, das Neue aus der Fremde zu assimiliren
und den lokalen Bedürfnissen natürlich anzupassen.
Bon heut auf übermorgen freilich kann
das nicht geschehen. Aufokuliren und
aufpfropfen kann man einen Stil nicht
ohne Weiteres, namentlich nicht einen
so entwickelten, wie den der englischen
Wohnungseinrichtungen. „Mischen" geht
auch nicht, sonst wird ein Gallimathias
daraus. Aber lernen und verstehen, das
ist es, was hier vor Allem Noth thut.

Bessere Borbilder gibt es kaum, als die
hier gebotenen. In England ist die Kunst
der Ausschmückung des Innenraums ein
Kultus geworden, den eme besondere
Klasse für sich ausgebildet hat. England
hat keine kontinentale Halbkultur, es hat
nur entweder Kultur oder Unkultur. Die
Kultur aber ist dort ein Extrakt alles
feinen und exklusiv Bornehinen, das die
Elite der Nation zum Ausdruck ihres
ästhetischen Glaubensbekenntnisses ge-
macht hat. Daher dieses Abgewogene,

Klare, hellenistische im Wesen der eng-

lischen Kunst und ihres Kunstgewerbes, welche ein-
ander die Hand reichen. Sie sind eben untrennbar
mit einander verwachsen und untrennbar müssen sie
auch bei uns wieder werden! Der Genesungsprozeß
geht durch das Kunstgewerbe hindurch, das durch
die Künstler geadelt werden muß. So allein können
beide gewinnen.

In's Einzelne zu gehen, verbietet mir der Raum;
ich will nur einige der hauptsächlich betheiligten
Aussteller namhaft machen. Die beigefügten Ab-
bildungen (s73—(80), welche wir dem Entgegen-
kommen der Museumsleitung verdanken, mögen
diese Morte ergänzen. Liegmund Iaray fällt durch
ein farbig außerordentlich reich und elegant aus-
gestattetes Wohnzimmer auf, in etwas — wie
die Leute sagen — „sezessionistischem Stil". (Als ob
es einen solchen gäbe!). Die holzarbeit ist sehr
schön, nur stören ein paar aufgesetzte, zu hell ge-
rathene Verzierungen (Masken, Thierköpfe u. dgl.).
Man sieht, es spukt noch der Grundirrthum in den
Köpfen, „sezessionistisch" sei gleichbedeutend mit auf-
fallend. Manchmal ist's ja auch leider so. Sehr-
vornehm präsentirt sich die Speisezimmereinrichtung
von der Firma Earl Bamberger, eine genaue
Nachahmung nach Sheraton in ganz dunklen: Braun,
für Baron Paul Gautsch von Frankenthurn an-
gefertigt. Wilhelm Niedermoser bringt eine ein-
fache Schlafzimmereinrichtung (nach einem Entwurf
des Architekten Hammel); aber das originellste in
dieser Art ist wohl das von der Firma Schönthaler,
Söhne in Hellem, gebeiztem Ahorn ausgeführte,

;?9. Kästchen aus Ljolz mit Kupferbeschlag, von Architekt R. Hammel
(Wien); */8 der wirkl. Größe.

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