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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Morawe, Ferdinand: Petroleumlampen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0177

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Petroleumlampen.

schadet es nichts, eine Lampe, bei der aus gewissen
Gründen aus Preis gehalten werden muß, für ein
Publikum zu schaffen, welches bei Gelegenheit etwas
Theueres kauft; denn wenn man constant alle jene
ästhetischen Unmöglichkeiten zu pochzeits-, Meih-
nachts-, Geburtstagsgeschenken kauft, oder sich selbst
ins Zimmer stellt, so hat ein wirklich künstler-
isches Erzeugniß erst recht Berechtigung zur Beach-
tung, und es ist sehr nützlich, den Kaufenden zum
Bewußtsein zu bringen, was sie sich eigentlich so
unentwegt gefallen lassen. Die pebung künstlerischen
Geschmacks thut diesen Kreisen recht herzlich Noth.

Indeß ihnen nicht allein, sondern auch denen, die
billige Maare kaufen müssen; und deren Geschmacks-
Niveau muß sich heben lassen, läßt sich auch heben.
Ein so millionenweis gebrauchter Gegenstand, wie
die Petroleumlampe ist und trotz aller anderen Be-
leuchtungsarten stets bleiben wird, ist ein treffliches
Gbjekt zur Erreichung dieses Zieles. Eines unter
vielen anderen, und wie alle nur sehr allmählich
wirkend, darüber sind wir uns nicht im Unklaren.
Aber wie so manche Umwälzung sich auf vielen Ge-
bieten allinählich, ganz unbemerkt und dabei sicher
vollzogen hat, so ist auch hierin etwas zu erreichen.
Bedingung dafür ist, daß der Künstler, also das
Kunstgewerbe die Lache in die pand nimmt und
einen langwierigen Kamps wagt mit den Fabri-
kanten, die constant mit ihrem talentlosen Kram die
A)elt überschwemmen. So maaßlos schwer kann
das Unternehmen übrigens gar nicht einmal sein.
Denn, bleiben wir bei den billigen Lampen für die
kleinen und mittleren paushaltungen, so begegnen
wir eines Tages der Renaissance in jeder Form in
der Lampenindustrie. Ehe sie auftauchte, war etwas
anderes da, die Renaissanceornamente mußten also
beim Publikum eingeführt werden. Einer oder eine
Gruppe hat's gewagt, die Leute nahmen das Neue,
das man ihnen vorsetzte, ganz willig an. Sie sahen
nur den Schmuck, die Schnörkel und fragten nicht
viel nach Bequemlichkeit. Dann tauchten die furcht-
baren Majolikagebilde auf; wieder etwas neu Einzu-
führendes — man kaufte Majolika. Jetzt verschnörkelte
man, weil es auf anderen Gebieten Mode wurde,
dieselben unbequemen Lampenfüße mit Rokoko. Es
ging wieder, und geht noch, man kann es ja täglich
beobachten. Und dabei blieb von Mal zu Mal,
Jahr aus, Jahr ein dieselbe unhandliche Grundform.
Da muß nach diesen Erfahrungen zu erreichen sein,
daß das Publikum wieder neue Verzierungen —
und dazu bequeme Formen — annimmt. Excentrici-
täten in den Berzierungen, wenn es schon Verzie-
rungen sein müssen, kommen ganz von selbst ins
Hintertreffen wie auf allen Gebieten, trotz zeitweiliger

Herrschaft, das Gesündeste bleibt bestehen. Doch ein
paar zum Schema, zur allgemeinen Grundstimmung
sich auswachsende Schnörkel in natürlicher Blumen-
form, oder was jetzt gerade bevorzugt ist, wird das
Publikum ebenso gelten lassen, wie früher die Renais-
sance- und Rokokoornamente. Nur daß endlich nach
dieser Richtung etwas geschieht, dafür müssen die
Künstler sorgen, sie müssen den Fabrikanten hart aus
den Leib rücken, daß sie sich ihnen fügen. Natürlich
wird nicht ausbleiben, daß das am besten Ein-
schlagende dann vom Fabrikanten und seinem Muster-
zeichner verflacht und mißverständlich uingeinodelt
und fortgewurstelt wird, eben gerade wieder wie es
die beiden früheren Perioden so schön klar und
deutlich beobachte« lassen. Aber da muß wiederum
der Künstler auf den plan, um mit neuen künstleri-
schen Ideen einer Verflachung, einer neuen Geschmacks-
verderbniß vorzubeugen, um vielmehr neue Anregungen
zu geben. Die Fabrikanten werden sich schon daran
gewöhnen, verständnißvolle Männer in diesen Fragen

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