Moderne Aunstbestrebungen in löten.
253. Elektrische Tischlampe aus Schmiedcisen von I. Zimmer-
mann 6c Lo., München. (Muster geschützt.) V« d. w. Gr.
Regen zu schützen (!), längst nicht mehr erfüllen könne.
Nun aber fommt die Ironie von der Sache: Die
Fassaden völlig kahl wie bei einem Fabrikgebäude
stehen zu lassen, so „konsequent modern" zu sein,
getraute sich ksoffmann doch nicht. Er laßt deshalb
durch den Stuckateur in Flachrelief stilisirte Lorbeer-
bäume auf die N)and aufmodelliren, deren dünne,
gerade Stämmchen zwischen den Fenstern des Erd-
geschostes emporwachsen und deren dichtes Laubwerk
die Flächen zwischen den Fenstern des ersten und
zweiten Stockwerkes völlig ausfüllt. So also wird
aus der Konstruktion die Kunftform entwickelt!
Iktinos, Erwin, jDalladio, fühlt ihr eure alten Throne
wanken? — Der von englischen und deutscheit Buch-
illustrationen entnommene stilisirte Lorbeerbaum ist
eilt Lieblingsmotiv der Wiener Modernen; er spielt
auch bei dein viel umstrittenen neuen Ausstellungs-
gebäude für die Rezession von Jos. 2Tt. Glbrich
eine große Rolle. Daß dieser Bau Gegenstand all-
gemeiner Aufmerksantkeit und eines heftigen Mein-
ungskampfes wurde, ist iticht so fast iit seinem künst-
lerischen Werth, als in seiner gesuchten Absonderlich-
keit begründet. Das Haus ist in verletzend-unhar
ntonischer Weise in seine Umgebung hineingesetzt;
es erscheint dort auf dent Getreideinarkt ganz als
„das Mädchen aus der Fremde". Aber das will
wohl die Wiener Moderne: nicht heimathlich will sie
anmuthen, sondern möglichst weit hergeholt. Aegyp-
tisch-assyrisch mit einigen modernen Zuthaten, — so
wurde der Etil der Hauptfassade des Baues in einem
weitverbreiteten deutschen Wochenblatte charakterisirt.
Die Bezeichnung ist nicht unrichtig. Und wir wun-
dern uns über dieses neueste Zurückgreifen auf die
Kunst des grauen Alterthums nicht so sehr. Auch
vor hundert Jahren, als der von der Wagner-Schule
bevorzugte Empire-Etil herrschte, war ja Aegyptisch
eine Zeit lang Mode. Gerühmt wird wiederum an
dem Bau die „von rein konstruktiven Gesichtspunkten
ausgehende, immer mit dem Blick auf die praktischen
Anforderungen des Innern" gerichtete Lösung der
Aufgabe. Das Lob inag für die Innen-Einrichtung
und für die bei Ausstellungsräumen so überaus
wichtige Art der Lichtzufuhr vollauf berechtigt sein.
Aber warum mußten in der Eeiten- und Rück-
ansicht des Gebäudes die roh und unvermittelt über
den Wänden erscheinenden Glasdächer unverhüllt ge-
zeigt werden in einer Häßlichkeit, die auch von den
Freunden des Architekten zugegeben wird, und die
den Bau eher an einen Fabrikschuppen als an
einen Kunsttempel erinnern läßt? Wozu hier diese
Koketterie nrit „rücksichtslos-ehrlicher Betonung des
Konstruktiven", wenn dicht daneben etwas so Un-
konstruktiv -phanta-
stisches gewagt wird
wie die zwischen vier
stumpfen Eckpfeilern
herauswachsende,
das Laubdach eines
rund geschnittenen
Lorbeerbaumes
naturalistisch nach-
ahmende, durch-
brochen gearbeitete
Kuppel?! Wer kann
angesichts solcher
Fälle den Wagner-
Schülern glauben,
daß sie es mit der Be-
folgung des Satzes:
„Der Architekt hat
immer aus der Kon-
struktion die Kunst-
form zu entwickeln"
wirklich auch ernst
meinen?
Die stilisirten
Bäume bilden fast 254. Lünfarmige elektrische Vestibül-
frdS CtU^tQC öefora^ lampe aus Schmiedeisen. Nach Entwurf von
live Motiv der 3.
mann & Eo., München. (Vs d. wrrkl. Gr.)
H^ClQttCr-Scfjulc, 5dS Muster geschützt.
Aunst und Handwerk. 49. Jcchrg. Heft 6.
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253. Elektrische Tischlampe aus Schmiedcisen von I. Zimmer-
mann 6c Lo., München. (Muster geschützt.) V« d. w. Gr.
Regen zu schützen (!), längst nicht mehr erfüllen könne.
Nun aber fommt die Ironie von der Sache: Die
Fassaden völlig kahl wie bei einem Fabrikgebäude
stehen zu lassen, so „konsequent modern" zu sein,
getraute sich ksoffmann doch nicht. Er laßt deshalb
durch den Stuckateur in Flachrelief stilisirte Lorbeer-
bäume auf die N)and aufmodelliren, deren dünne,
gerade Stämmchen zwischen den Fenstern des Erd-
geschostes emporwachsen und deren dichtes Laubwerk
die Flächen zwischen den Fenstern des ersten und
zweiten Stockwerkes völlig ausfüllt. So also wird
aus der Konstruktion die Kunftform entwickelt!
Iktinos, Erwin, jDalladio, fühlt ihr eure alten Throne
wanken? — Der von englischen und deutscheit Buch-
illustrationen entnommene stilisirte Lorbeerbaum ist
eilt Lieblingsmotiv der Wiener Modernen; er spielt
auch bei dein viel umstrittenen neuen Ausstellungs-
gebäude für die Rezession von Jos. 2Tt. Glbrich
eine große Rolle. Daß dieser Bau Gegenstand all-
gemeiner Aufmerksantkeit und eines heftigen Mein-
ungskampfes wurde, ist iticht so fast iit seinem künst-
lerischen Werth, als in seiner gesuchten Absonderlich-
keit begründet. Das Haus ist in verletzend-unhar
ntonischer Weise in seine Umgebung hineingesetzt;
es erscheint dort auf dent Getreideinarkt ganz als
„das Mädchen aus der Fremde". Aber das will
wohl die Wiener Moderne: nicht heimathlich will sie
anmuthen, sondern möglichst weit hergeholt. Aegyp-
tisch-assyrisch mit einigen modernen Zuthaten, — so
wurde der Etil der Hauptfassade des Baues in einem
weitverbreiteten deutschen Wochenblatte charakterisirt.
Die Bezeichnung ist nicht unrichtig. Und wir wun-
dern uns über dieses neueste Zurückgreifen auf die
Kunst des grauen Alterthums nicht so sehr. Auch
vor hundert Jahren, als der von der Wagner-Schule
bevorzugte Empire-Etil herrschte, war ja Aegyptisch
eine Zeit lang Mode. Gerühmt wird wiederum an
dem Bau die „von rein konstruktiven Gesichtspunkten
ausgehende, immer mit dem Blick auf die praktischen
Anforderungen des Innern" gerichtete Lösung der
Aufgabe. Das Lob inag für die Innen-Einrichtung
und für die bei Ausstellungsräumen so überaus
wichtige Art der Lichtzufuhr vollauf berechtigt sein.
Aber warum mußten in der Eeiten- und Rück-
ansicht des Gebäudes die roh und unvermittelt über
den Wänden erscheinenden Glasdächer unverhüllt ge-
zeigt werden in einer Häßlichkeit, die auch von den
Freunden des Architekten zugegeben wird, und die
den Bau eher an einen Fabrikschuppen als an
einen Kunsttempel erinnern läßt? Wozu hier diese
Koketterie nrit „rücksichtslos-ehrlicher Betonung des
Konstruktiven", wenn dicht daneben etwas so Un-
konstruktiv -phanta-
stisches gewagt wird
wie die zwischen vier
stumpfen Eckpfeilern
herauswachsende,
das Laubdach eines
rund geschnittenen
Lorbeerbaumes
naturalistisch nach-
ahmende, durch-
brochen gearbeitete
Kuppel?! Wer kann
angesichts solcher
Fälle den Wagner-
Schülern glauben,
daß sie es mit der Be-
folgung des Satzes:
„Der Architekt hat
immer aus der Kon-
struktion die Kunst-
form zu entwickeln"
wirklich auch ernst
meinen?
Die stilisirten
Bäume bilden fast 254. Lünfarmige elektrische Vestibül-
frdS CtU^tQC öefora^ lampe aus Schmiedeisen. Nach Entwurf von
live Motiv der 3.
mann & Eo., München. (Vs d. wrrkl. Gr.)
H^ClQttCr-Scfjulc, 5dS Muster geschützt.
Aunst und Handwerk. 49. Jcchrg. Heft 6.
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