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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0274

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Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.

Achtzehnte Wochenversammlung — den u- April. —
Die Versammlung wurde seitens des (. Vorsitzenden, Prof,
v. Thiersch, eröffnet durch einen warmen Nachruf aus den
am lTtäi'3 verstorbenen Dr. F. p. Krell, Professor an der
kgl. Kunstgewerbeschnle, der so manches Mal die wochen-
versammlungen durch seine gediegenen Vorträge besonders an-
regend zu machen gewußt und allezeit freudigen perzens
seine fleißige Feder dem Kunstgewerbe zur Verfügung gestellt
hat. Die Versammlung ehrte das Andenken des verstorbenen
durch Erheben von den Sitzen. Es folgte hierauf der Vortrag
von vr. Rich. Streiter über „Die verschiedenen Auf-
fassungen des Modernen." Der Vortrag behandelte in
kritischer Gegenüberstellung die sehr verschiedenen, im Innersten
manchmal sich direkt widersprechenden neueren Kunstrichtungen,
die alle unter dein an sich wenig sagende», deßhalb oft mit
recht unklaren Begriffen verbundenen Schlagwort „Modern" mehr
oder minder anspruchsvoll aufgetreten sind. Speziell in Archi-
tektur und Kunstgewerbe wies der Redner nach, daß trotz .allen
modernen Errungenschaften in Bezug auf die „Stilfrage" im
Ganzen jetzt noch dieselbe Lage vorzufinden ist, wie im Anfang

des Jahrhunderts, da die große Scheidung der Künstlerschaft
in die beiden pauptparteien der „Klassizisten" und der „Roman-
tiker" sich vollzog. Die „romantische" (nordisch-germa-
nische) Kuustauffassung kommt fast ausschließlich in den als
besonders „modern" angesehenen Werken der Engländer und
Amerikaner, dann auch der polländer, Skandinavier und der
Mehrzahl der Deutschen zum Ausdruck, die „klassizistische"
Auffassung vornehmlich bei den Völkern romanischer Rasse;
den Franzosen und Italienern, neuerdings auch bei der von
Professor Gtto Wagner in Wien geführten Architektengruppe,
die sich rühmt, den einzig wahren weg nach dem Ziele einer
selbständig - modernen Baukunst eingeschlagen zu haben.
Neben diesen beiden großen Gruppen, die im wesentlichen der
Formensprache früherer Kunstperioden — hier der Antike, dort
des Mittelalters, der nordischen Retiaissance und des heimischen
Barockstils — sich bedienen, bemüht sich eine dritte, kleinere
Schaar, die man als die der „Realisten" bezeichnen kann, die
Verwendung ererbter Formen in mehr oder weniger radikalem
Vorgehen abzustreisen und durch möglichst weitgehende Berück-
sichtigung der neuzeitlichen Kulturbedingungen, durch die in
praktischer und konstruktiver pinsicht möglichst vollkommene
Lösung der Aufgabe, also durch die energisch betonte tektonische

Sachlichkeit zur pcrausbildung eines spezifisch modernen Stil-
gefühls zu gelangen. Diese Gruppe — die der „Modernen im
engsten Sinn" — hat der jüngsten fortschrittlichen Bewegung
in Kunstgewerbe und Dekoration die stärkste» Impulse gegeben
und in verhältnißmäßig kurzer Zeit sehr erfreuliche Erfolge
erzielt; das schließt nicht aus, daß einzelne Leistungen dieser
Richtung, die durch einseitige perauskehrung der tektonischen
Sachlichkeit, des konstruktiven prinzixs, zu einem bedenklichen
Extrem, zu einem engherzigen, die künstlerische Phantasie allzu
streng zügelnden System hinführen, voysey, van de Velde, sind
im Ausland die hervorragendsten Führer dieser Gruppe, gegen
deren übergroße realistische „Vernünftigkeit" übrigens im Lager
der Modernen selbst die Reaktion bereits erfolgt ist in dem jetzt
als „Aller-Modernstes" gepriesenen „Symbolismus" oder
„Neu-Idealismus". Im schärfsten Gegensatz zu den Rea-
listen, die „der neuen Zeit eine neue Kunst" nicht ohne Gewalt-
samkeit zu erringen streben, flüchten die Symbolisten, wie die
ärgsten Romantiker, vom Anfang des Jahrhunderts, aus der
„nüchternen Gegenwart" in das stille Wunderland der Träume.
Ihre Darstellungsmittel sind eine eigenthümliche Stilistik, eine
primitive, weit zurückliegenden (romantischen) Kunstperioden

36g—37(. Geschmiedete Geländertheile von der neuen Bonner
Rheinbrücke. Entworfen von Bruno M ö h r i n g, Berlin, aus-
geführt von pillerscheidt und Kasbauin, Berlin.

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