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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Zimmermann, Ernst: Das Kunstgewerbe auf der "deutschen Kunstausstellung" zu Dresden , [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0318

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Das Kunsigewerbe auf der Deutschen Kuustausstellung zu Dresden.

stuben Vorkommen — und Hinterbeine und Lehnen
dürften zugleich ab sein, Sie sind die Umkehrung der
Riemerschmidt'schen Erfindungen.

Das einwandfreieste Zimmer der Ausstellung ist
unzweifelhaft das Iagdzimmer von H. v. Berlepsch,
München (Abb.qZO). Es ist kein Wunder, daß der theo-
retische und praktische Führer dieser ganzen Bewegung
in München, der an Alter und Erfahrung gereifteste, auch
der künstlerisch am weitesten Vorgeschrittene ist. Der
Eindruck seines leider viel zu kleinen Raumes mit
dem geradezu für feine Möbel besonders ungünstigen
Gberlicht, eigentlich nur eine Aaminecke, ist ruhig,
ernst, gediegen. Die Ecke des Raumes füllt der große
Aamin mit seinem dachartig aufsteigenden Mantel, dem
energisch getriebenen kupfernen Vorsatzblech und den:
gleichfalls getriebenen Thierfries,für dessen naturalistische
Darstellung indessen mehr der Jagd- als der Aunst-
freund dem Urheber Dank wissen dürfte, dies alles in
der breiten Umrahmung grünbraun gemusterter Fließen.
Zu beiden Leiten schließen sich die fest an der gold-
gemusterten wand stehenden zweisitzigen Bänke an, aus
schwerem Eichenholz geschnitzt mit hohen, einen Bort
tragenden Rücklehnen und Schubladen unter den Sitz-
bänken. Rothbraune Lederkissen für Sitz und Rücken,
der Anzahl der Plätze nach getrennt, bilden die Pol-
sterung. Durch ihre charakteristische obere, nach der
Mitte zu sich senkende Abgrenzungslinie sprechen sie
lebhaft mit bei der formalen, wie durch ihre Tönung
bei der farbigen Erscheinung der Möbel. Darüber
befinden sich Füllungen mit leichtem Mrnament, an-
scheinend Bälle an Schnüren in der neuen Technik,
Tylektypom. Ein schubladenreicher Gewehrschrank
und Lehnstühle vervollständigen dies Bruchstück einer
Zimmerausstattung. Berlepsch hat es auch hier
wieder verstanden, den Möbeln so viel Funktionen
wie irgend möglich aufzuerlegen.

Die Ruhe und Vornehmheit dieser Möbel wird
nur an dem Schranke durch das Uebermaaß und
die Willkür der Beschläge beeinträchtigt. Bei ihrer
Aufdringlichkeit ist ihre Systemlosigkeit doppelt un-
angenehm. Die Fortführung ihrer Linien durch die
der Füllungen wirkt mehr auf dem Reißbrett, als bei
der Verschiedenheit der Farben in der Wirklichkeit.
Sie erscheinen hier wie unorganische Gebilde, die nicht
klar, wie gute Beschläge es sollen und namentlich
die gothischen auch immer thaten, die Richtung aus-
drücken, in der ihre Araft wirkt. Hier hat auch
Berlepsch dem Verstandmäßigen der modernen deko-
rativen Aunst seinen Tribut dargebracht, nicht minder
wie an den nackten Ziegelsteinen vor und an der
Aaminöffnung. Bleiben sie im Gebrauch des Lebens
immer so sauber, so roth und so ganz? wozu hat
denn die Aeramik eigentlich ihre Glasur erfunden?

Man vergißt nur zu leicht, daß manche Aunst ur-
sprünglich und namentlich in der Aeramik nur Schutz-
mittel war.

In diesen: Zimmer, wenn auch nicht dazu ge-
hörig, hat Berlepsch noch ein Büffet mit Holzeinlagen
ausgestellt, das weniger sympathisch wirkt. Berlepsch's
unleugbare Vorliebe für Beschläge, sowie sein sicht-
bares Streben nach den: mannigfaltig Zweckmäßigen

433. Waschtisch aus dem Schlafzimmer von B.Pankok (Abb.^O«
Vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk, München.

hat hier einen Reichthum zu Stande kornmen lassen,
der wegen des Zuviel auf beschränkten: Raume zu
kleinlicher Wirkung führen :nuß.

Es bleibt von Münchener Arbeiten noch des
Malers pankok Schlafzimmer übrig (Abb. H3s
bis ^35), eine Garnitur von Bett, Nachttisch,
Aleiderschrank, Waschtisch, Wäscheschrank, Ecksofa
und Stühlen in schwarz polirtem Birnholz mit
Mahagoni- und ungarischer Eiche-Einlage, vor
grün gemusterten Tapeten, unzweifelhaft das auf-
fallendste, um nicht zu sagen das aufregendste
Zimmer der ganzen kunstgewerblichen Abteilung,
wenn irgendwo, herrscht hier freies, traditionsloses

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