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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 49.1898-1899

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Hagen, L.: Von der Berliner Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7000#0321

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Von der Berliner Aunstausstellung.

Echt ledermäßig sind die Arbeiten an den Rän-
dern und Nähten oft durch Flechtwerk aus Leder-
riemchen, durch kleine Schleifen und Quasten verziert.
Die metallenen Schließen der Albums und Schlösser
der Kästchen sind nach dein Elkan'schen Metallfär-
bungsversahren übereinstimmend mit der Tönung
des Leders gefärbt.

Daß die Arbeiten technisch vortrefflich ausgeführt
sind, dafür bürgt der Name N). Tollin, der besonders
durch kunstvolle Adressen und durch Ledermosaik-
Arbeit rühmlichst bekannt ist.

Der Erfinder der Entwürfe, Ludwig Sütterlin,
wurde im Jahre f865 in Lahr in Baden geboren,
und erhielt feine künstlerische Ausbildung als Schüler
von Emil Doepler und Max Roch auf der Unter-
richtsanstalt des Berliner Kunstgewerbe-Museums.
Bekannt wurde er zuerst durch sein Plakat für die
Berliner Gewerbeausstellung von s896. Er ist bis-
her vorwiegend als Zeichner graphischer Blätter und
Buchdekorationen thätig gewesen und leitet die Fach-
klasse für Buchdrucker an der ersten pandwerker-
schule in Berlin.

Auch andere Künstler hat Tollin für Arbeiten
nach seinem neuen Verfahren, das er sich als „Tollin-
Leder" gesetzlich hat schützen lassen, herangezogen;
ich sah in seiner Werkstatt Entwürfe von Permann
pirzel, pans Thristiansen und Vtto Eckmann, die
demnächst ausgeführt werden sollen.

Vr. Jean Koubier.

^38. Von p. Bürck, München.

II. Stickereien.

o erfreulich auch die Thatsache ist, daß
die Stickerei endlich in den Augen der
Freunde von Kunst und Kunstgewerbe
zu gebührender Dichtung und Anerkennung
gelangt, so muß man doch gegenüber
den Leistungen, welche die Berliner Ausstellung auf
diesem Gebiete enthält, von der Zukunft eine strengere
Kritik verlangen. Es ist leider gar vieles vorhanden,
was für ein Kunstwerk gelten inöchte, lediglich weil
es gestickt ist. Wir haben es hier im Grunde noch
mit dem alten Prinzip zu thun, das den Niedergang
der Stickerei verursacht hat: mit dem Begriff, daß
es schon eine künstlerische Leistung ist, sich bei einer
Stickerei recht gründlich abzuquälen. Klarer als je
zuvor ersieht matt aus einem großen Theil dieser
Arbeiten, daß bloße zeichnerische Anlehnungen an
das, was man für modernen Stil hält, noch lange
nicht ausreichen, um dem künstlerischen Erzeugniß
„Stil" zu verleihen. Der weitaus größte Theil dieser
Arbeiten bleibt in einein beklagenswerthen Dilettantis-
mus stecken. Alan glaubt genial zu sein, indem man
nachlässig auftritt. Nur der Umstand, daß Männer
fast gar nicht und Frauen nur sehr wenig den tech-
nischen und stilistischen Werth einer Stickerei zu be-
urtheilen vermögen, kann als Entschuldigung dafür
dienen, daß wir hier Sachen finden, die in technischer
pinsicht hinter dem Durchschnittsmaaß von Kinder-
gärtnerinnen undpandarbeitslehrerinnen Zurückbleiben.

Stilistisch kommen diese Arbeiten über kränkliche
und mißverstandene Anlehnungen an Gbrist'sche
Vorbilder nicht hinaus, und diejenigen, die einst von
jenen geistreichen Anregungen eine Neubelebung der
Stickkunst, besonders in den pänden der Dilettantinnen
erwarteten, müssen sich augenblicklich bitter enttäuscht
sehen. Während an den Gbrist'schen Sachen die
ungemein geistreiche Zeichnung die technischen Mängel
der Stickerei verdeckte, fallen sie hier, bei minder-
werthiger Zeichnung um so unangenehmer auf. Das
ist sogar bei jener Stickerei der Fall, die beim Publikum
an: meisten Beachtung findet — einer gestickten Wieder-
gabe der Frühlingsgöttin des Botticelli. <Vhne Zweifel
bietet das blumengeschmückte Gewand der blumen-
streuenden Gestalt eine Fülle von besonderen Reizen,
die den Nachahmungstrieb jeder Stickerin wecken.
Allein — um von allen übrigen Einwendungen zu
schweigen — die Verwendung der japanischen Stick-
weise für die zeichnerische Eigenart dieses unvergleich-
lichen Meisters der Frührenaissance wirkt auf den
Liebhaber beider Kunstforinen durchaus nicht günstig.
Vor Allem ist ein viel zu derber Grundstoff ver-
wendet, auf dem die künstlerischen Vorzüge der Seiden-

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