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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 77.1927

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Schinnerer, Adolf: Hans Thoma: Rede einer Gedächnisfeier der Akademie der Bildenden Künste in München am 18. Januar 1925
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https://doi.org/10.11588/diglit.7094#0028

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J O 8 E I' II WACKERLE - P ROMETHEUS

nehmen. Jene ganze falsche Einstellung vom Wort
zum Bild, von der ich zu Anfang sprach, hat den Sinn
der Kritik verschoben. Sie hat nicht die Aufgabe zu
prophezeien. Sie verhält sich in Wirklichkeit zur Kunst
wie die Uhr zur Zeit. Je genauer diese Uhr geht, um
so besser wird die Zeit abzulesen sein. Wenn ein Kri-
tiker, rückschauend auf einen größeren Abschnitt, auf
eine umfängliche Produktion, einen Künstler erkennt
und nun sein Verkündiger wird, so ist er im strengen
Sinne nicht mehr Kritiker, weil seine Erkenntnisse von
diesem Künstler umgestaltet wurden.

Aber auf einige Anwürfe möchte ich doch antwor-
ten. Uroma hat bei jedem Bild genau so viel gekonnt,
wie er zu seiner Herstellung brauchte, freilich nicht
mehr. Das Machen ohne Zweck, das savoir faire, von
dem der Großteil der Maler lebt, kennt er gar nicht.

Als eine Art Kriterium für das Können galt immer
die Fähigkeit eine Form für sich, losgelöst vom Ganzen
sehen und darstellen zu können. Thoma ist für mein
Gefühl, nach Marees, der einzige der Generation, der
das deutlich zeigt. Die Akte Marees sind viel reicher,
sie müssen es sein, weil sie in seinem Bild die Stimme
f uhren, während die Umwelt diese Stimme begleitet.
Bei Thoma müssen sie schon deshalb sich bescheide-
ner geben, weil sie, wenige Fälle ausgenommen, nur
Stimmen im Orchester sind.

Die Darstellung des Raumes, die Umgestaltung der
Bildfläche in Raumtiefe, ist ein weiteres Kriterium. Nun
hier brauche ich doch wohl nicht erst beweisen, daß
kaum einer der Maler seiner Zeit Thoma hierin über-
trifft. Man sehe die Mainlandschaft in der Staatsgalerie,
wo mit einem Nichts an Mitteln eine unendliche Tiefe

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