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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 77.1927

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Esswein, Hermann: Münchens kulturelle Zukunft, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7094#0079

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Sonderinteressen wieder hinter das allgemeine kulturelle
Interesse zurückstellen, daß sie, in Sachtragen und ganz
besonders auch in Personenfragen, wieder zum fachlichen
statt zum gesinnungsmäßigen Maßstab greifen lernen und
der nun einmal rassemäßig wie konfessionell, politisch
wie weltanschaulich reich differenzierten Entwicklung
wieder wie ehedem freien Spielraum verstatten.

Ein Volk, das kulturelle Leistungen an gesinnungs-
mäßigen Widerständen scheitern läßt, verdient schließ-
lich den bejammernswerten Zustand, daß es seine Ehren-
kränze statt an Geistesheroen an spatzenhirnige Rekord-
helden verschwendet, daß seine Künstler, seine Dichter
hungern, während jeder armselige Gesinnungshandlanger
prächtig gedeiht.

Kommt unser Volk, kommen seine Führer nicht von
der Überschätzung des Dynamisch-Materiellen zurück zu
einer nicht nur duldsamen, sondern aufmunternden und
fördernden Haltung gegenüber dem kulturellen Schaffen,
prägt die Freude am Geistigen um des Geistes, an der
Kunst um der Kunst willen nicht wieder wie in früheren
Zeiten unsere gesamte Öffentlichkeit, so werden wir trotz
aller Einzelbemühungen nie zu schaffen und ungestört

vorzuzeigen vermögen, was uns außerhalb der Stadt-
mauern und jenseits der Landesgrenzen wieder Sympathie
und Zuspruch gewinnen kann.

Ich hoffe, daß ich Sie nicht über Gebühr bei diesen
unerläßlichen allgemeinen Gesichtspunkten aufgehalten
habe. Ich dränge mit Ihnen selbst zum Einzelnen, zu po-
sitiven Vorschlägen des Handelns und Unterlassens, von
denen wir uns gewiß keine durchgreifenden Wandlungen
von heute auf morgen — etwa die prompte Wiederge-
burt Münchens bis zum Beginn der nächsten Fremden-
saison — versprechen dürfen. Vor einer neuen Aussaat
ist nun einmal keine neue Ernte zu erwarten.

Daß wir diese Aussaat in Angriff nehmen müssen, daß
das vor Jahrzehnten einst unberechtigt, aus sehr durch-
sichtigen Konkurrenzgründen, in Umlauf gesetzte Wort
vom Niedergang Münchens heute leider kein leeres Schlag-
wort mehr ist, daß wir vielmehr ernstlich eine ernstliche
Gefahr abzuwenden haben, darüber dürften heute wohl
kaum mehr Meinungsverschiedenheiten bestehen. Fragt
sich nur, und bei dieser Frage sei noch ein kurzes Ver-
weilen gestattet, wie wir uns zu diesen so stark in Fluß

II. I3ROXNER . LIEBESPAAR • KERAMIK

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