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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 77.1927

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Aus dem Leben des Vereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.7094#0087

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rischen Kunstgewerbevereins, die Gelegenheit der Er-
bauung des neuen Gras.i-Museums benützt und durch
rechtzeitige und wirksame Vertretung der bayerischen
Interessen dort für unser Kunstgewerbe den großen
Mittelsaal gesichert zu haben. Der Verein hat dann in
einjähriger Arbeit das geschaffen, was der Bayernsaal
heute ist. Verständnisvolle Unterstützung seitens des
Handels- und Kultusministeriums, der Regierung von
Oberbayern, der Städte München und Nürnberg, für die
auch an dieser Stelle wärmstens gedankt sein soll, förder-
ten das Unternehmen.

Im Bayernsaal stellten 34 bayerische Werkstätten aus.
Als zentral gelegener Hauptsaal des Grassi-Museums er-
freute er sich außerordentlich lebhaften Besuches. Ge-
räumig, ausgezeichnet belichtet und trefflich gegliedert
bietet dieser Saal, der die einzige geschlossene größere
Ausstellung im Kunstgewerbe innerhalb der Messe ist,
dem Besucher eine wohltuende Unterbrechung des bunten
Allerleis, wie es von der Messe einmal nicht trennbar ist.
Aber nicht nur allseitige Anerkennung, sondern auch ein
recht befriedigendes Verkaufsergebnis kann als Erfolg
gebucht werden. Indessen soll nicht auf dem Erreichten
ausgeruht werden. Der Bayernsaal soll Spitzenleistungen
des bayerischen Kunstgewerbes zeigen, soweit sich solche
irgend zur Darbietung auf Messen eignen; neben vielem
Vorzüglichen, das dort geboten wurde, fehlten leider noch
manche unserer führenden Namen und es ist bekannt,
daß oft gerade solche Kunstgewerbler, die künstlerisch
Hochstehendes leisten, sich schwer dazu entschließen,
mit ihren Arbeiten auf die Messe zu gehen. Dies wäre
aber auch in ihrem eigenen Interesse erwünscht, auf-
klärende und werbende Arbeit muß deshalb noch ge-
leistet werden und wird weiterhin unentbehrlich blei-
ben, um das Beste im Bayernsaal zu vereinigen und immer
wieder neue gute Werkstätten dort zu zeigen. Je mehr
dies gelingt — und wir rechnen dabei auf die Mitarbeit
weitester Kreise — und je höher damit das Niveau des
Bayernsaales gehoben werden kann, desto größer wird
der ideelle Erfolg für Bayerns Kunstgeltung sein, der
dort erzielt wird und um so mehr wird der Bayernsaal
seiner Bestimmung, den Besten vorwärtszuhelfen, gerecht
werden.

Nachdem jedoch die Messe ein kaufmännisches Unter-
nehmen und auf den Besuch von Wiederverkäufern zu-
geschnitten ist, wäre es verfehlt, hier schematisch die
Mittel anwenden zu wollen, wie sie für Kunstausstellungen
üblich sind. Die Plätze werden mietweise abgegeben und
der Aussteller muß die Möglichkeit behalten, Geschäfte
abzuschließen und dadurch seine Kosten zu decken. Wie
durchweg im Grassi-Museum, so kann deshalb auch für
den Bayernsaal nur eine Siebung durch Auswahl der
W erkstätten,nicht eine solche durchstückweisejurie-
rung von Gegenständen in Frage kommen. Es ist
lediglich Vorbehalten, einzelne das Gesamtbild störende
Gegenstände auszuscheiden. Im übrigen muß die Quali-
tät der Firma die nötige Gewähr bieten. Prof. Graul, der
verdienstvolle Schöpfer der Grassi-Messe, ist aus reicher

Erfahrung zu diesem System gekommen, dessen Richtig-
keit schlagend durch die großen Schwierigkeiten belegt
wurde, die ständig im Werkbund-Haus Frankfurt herrsch-
ten und die dessen Zusammenbruch herbeigeführt haben.
Gerade die besten Aussteller werden vertrieben oder von
der Beschickung von vorneherein abgehalten, wenn sie
einer Beengung unterworfen werden, die äußerstenfalls
bei einer Ausstellung verantwortet werden kann und
die meist nur bei unentgeltlicher Platzabgabe durchführ-
bar ist. Versuche, den Bayernsaal einem baldigen siche-
ren Verfall durch den Jurierungszwang auszuliefern, er-
fordern deshalb bestimmte Abwehr durch alle Einsich-
tigen und es steht zu hoffen, daß diese neuerliche Ge-
fährdung des unter sehr großen Schwierigkeiten geschaf-
fenen Unternehmens glücklich abgewendet wird.
Fräulein Clara Oberprieler, die seit 43 Jahren
als Verkaufsdame in unserer Halle tätig ist, hat am I. April
ihre Tätigkeit im Bayerischen Kunstgewerbeverein be-
endet und sich 70 jährig in den wohlverdienten Ruhestand
begeben. Der aufrichtige Dank des Bayerischen Kunst-
gewerbevereins und ein ehrendes Andenken für ihr
pflichttreues Wirken seien ihr auch an dieser Stelle zu-
gesichert.

Am 25. Januar fand ein Wirtschaftsabend statt,
auf dem Landesgewerberat Leipfinger über die allgemeine
Wirtschaftslage, Dr. Danzer über die besondere Geschäfts-
lage im Verein sprach. Es ist ein leider verbreiteter Irr-
tum, daß der Verein durch Senkung des künstlerischen
Niveaus die Interessen seiner Mitglieder fördern könnte,
im Gegenteil würde er damit auf Kosten der Tüch-
tigen für die Mittelmäßigkeit handeln. Es geht um das
Dasein und Gedeihen des gesamten bayerischen Kunst-
gewerbes, die Umsatzziffer der Verkaufshalle und die
Abrechnungsziffern der einzelnen Aussteller treten dem-
gegenüber an Wichtigkeit zurück. Dagegen wäre es von
großem Vorteil, wenn in der kunstgewerblichen Pro-
duktion praktisch eine wirtschaftlichere Einstellung Platz
greifen würde. Die meisten Werkstätten, die sich über
Absatzschwierigkeiten beklagen, liegen in ihren Preisen
zu hoch und in der Mehrzahl der Fälle lassen sich Pro-
duktionseinsparungen ersinnen. Die Frage, was gemacht
werden soll, die praktische Verwendbarkeit, das richtige
Verhältnis zu den Preisen der Massenproduktion, die
Information über die Nachfrage, das alles sind Dinge,
deren Beachtung unerläßlich ist, wenn man verdienen
will. Für das, was gemacht wird, muß verständigerweise
die Nachfrage maßgebend sein, das Wie ist eine künstle-
rische Angelegenheit. Die sehr angeregte Diskussion, an
der sich außer Mitgliedern der Jury auch viele Aussteller
beteiligten, zeigt, wie nahe eine Verständigung liegt und
wie sehr eine gegenseitige klärende Erörterung schwe-
bender Fragen geeignet ist, die gemeinsame Arbeit zu
beleben und Verstimmungen zu beseitigen. Nach einer
Pause gab Oberstudiendirektor Wiederanders einen
interessanten Überblick über die künstlerische Gestaltung
und die Gesamtanlage der Ausstellung „Bayerisches
Handwerk“.

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