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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 77.1927

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Aus dem Leben des Vereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.7094#0088

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Am8.Februarfand einVortrag des Prof. Dr. E.W.
Bredt über „Förderung der Künstler einst und jetzt“ statt.
Das sehr aktuelle Thema, das der Vortragende in dan-
kenswerter Weise auch mehrfach in der Tagespresse be-
handelte, wurde in einer außerordentlich eingehenden
Weise entwickelt. Es kam denn auch eine ungemein
mannigfaltige Auswahl an Möglichkeiten zutage, die
heutige bedauerliche Lage der Künstler zu bessern. Ein-
zelne und Verbände, Vereine, Parteien, Behörden, Mu-
seen, Städte, Kirche und Staat, alle kommen als erwünschte
Auftraggeber in Betracht. Der Gelegenheiten gäbe es
mehr als genug, Feste, Jubiläen, Werbung, Ausstellungen
u. a. Trotz der Geldknappheit ließen sich auch Maß-
nahmen ersinnen, die einen dauernden Anreiz zur Be-
schäftigung der Künstler ausübten. Bekannt ist der Vor-
schlag Bredts, die Benennungen der Münchner Straßen
durch Anbringung von Wahrzeichen, Bildwerken ver-
schiedenster Art der anschaulichen Vorstellung näherzu-
bringen. Herr Oberbürgermeister Scharnagl ist bereits
mit der Stiftung eines solchen Wahrzeichens vorange-
gangen. Mit rühmenden Worten gedachte der Vor-
tragende der Kunstförderung durch unser kunstsinniges
Königshaus und gab im zweiten Teil einen Rückblick
auf die Kunstförderung früherer Zeiten, die reich an
nachahmenswerten Vorbildern waren.

Am 22. März sprach Dr. H. Kiener an der Hand
zahlreicher Lichtbilder über „Moderne Formprobleme
in der Architektur“. Die gesunde Reaktion gegen den
Historismus Ende der 90er Jahre und gegen den aller
künstlerischen Grundlagen baren Jugendstil zugleich
war jene Bewegung, die fußend auf den wertvollen
Vorarbeiten G. u. E. v. Seidls, der Villa Stuck und dem
„Problem der Form“ von A. v. Hildebrand die elemen-
taren Wirkungsmittel der Baukunst, die Verhältnisse und
ihre seelischen Ausdrucksmöglichkeiten zum Ausgangs-
punkt der Weiterentwicklung nahm. Schon auf der Wiener
Ausstellung 1908 konnte man wertvolle Ergebnisse (Hoff-
mann) dieser Sachlichkeit und Geschmack verbindenden
Bauweise sehen. Schultze-Naumburg gebührt das große
Verdienst, in seinen ausgezeichneten architekturpädago-
gischen Büchern die Erziehung und Läuterung des Ge-
schmackes entscheidend gefördert zu haben. Eine Reihe
von Wohn- und Zweckbauten, darunter der Stuttgarter
Bahnhof von Bonatz, veranschaulichten diese Phase der
Entwicklung. Nach dem Kriege trat nun eine Überschät-
zung und damit überwiegender Einfluß amerikanischer,
rein ingenieurmäßiger Formgebung ein; die Gesamtent-
wicklung erhielt einen Knick, sie wandte sich dem rein Ver-
standesmäßigen zu und verließ damit die Ebene der Intui-
tion, der inneren Anschauung, der Kunst allein entwachsen
kann. Das Unbefriedigende, das in der rein maschinen-
mäßigen Gestaltung von Bauwerken liegt, ließ beim Tür-
men gigantischer Wolkenkratzer mittelalterliches Bau-
empfinden anklingen. Der wuchtige Ausdruck gut geglie-
derten Mauerwerkes vereint mit der Zweckmäßigkeit
moderner Nutzbauten gab der europäischen Baukunst der
Nachkriegszeit neue verheißungsvolle Grundlagen und

es wurden eindrucksvolle Industrie- und andere Bauten
solchen Charakters gezeigt. Diese Vereinigung von klassi-
zistischer Nüchternheit mit dem Proportionsgefühl mittel-
alterlicher Bauten stellten den Anschluß an die Arbeit
der Vorkriegszeit in fortschreitendem Sinne wieder her.
Es muß aber betont werden, daß das Wertvolle dieser
Bauten in ihrer Beachtung der Elementargesetze aller
Baukunst besteht, in ihren Arbeiten mit Proportionen
als Mittel seelischen Ausdrucks. Daneben ging aber von
Holland eine neue Welle aus, die Originalität über
tatsächlichen Wert stellt und in der Bauhausbewegung
auch bei uns aufgenommen wurde. Diese rein intellektual
entstandene Bauweise, die das Bauwerk als seelischen
Ausdruck verneint, steht in Widerspruch mit der Tat-
sache, daß die bleibend zu wertende Formentwicklung
noch nie sprungweise vor sich gegangen ist. Der Vor-
tragende konnte an Bildern von Kaiman und anderen
algerischen Städten auch die Zweifel begründen, die gegen
die schöpferische Originalität der Bauhausarchitektur mit
Recht erhoben werden. Die ganze Lage sieht sich heute
so an, daß eine Verwertung der neuesten technischen Bau-
mittel auf dem von der künstlerisch eingestellten Bau-
weise beschrittenen Wege durchaus möglich ist, daß die
durch die Nachkriegszeit von ernst zu nehmenden Archi-
tekten beschrittenen Wege demnach eine Vereinigung
modernster Technik mit einer unser Formempfinden be-
friedigenden Gestaltung und damit eine im besten Sinne
neuzeitliche Architektur bringen. Es ist deshalb durchaus
nicht nötig, sich in verzweifelter Problematik zu verlieren,
um die Zeitaufgabe zu lösen. Um so unverständlicher ist
die Nachricht, daß die Reichsregierung das Bauhaus mit
10 — 20 Millionen unterstützen will. Ein besonderer Ab-
schnitt des Vortrags war dem Kirchenbau gewidmet, der
besondere Aufgaben stellt und mit einer bewußten Ent-
fernung vom weltanschaulich Beruhigenden, innerlich
Beglückenden nicht zu leisten ist. Beispiele und Gegen-
beispiele taten auch hier das Ihre, um zu zeigen, wie ein
durchaus neuzeitlicher Kirchenbau (S. Gabriel in München,
Menzing, Wiessee) der Forderung des religiösen Emp-
findens unbedingt gerecht werden kann, wogegen mo-
dische, bewußtproblematische Versuche versagen müssen.
München und Süddeutschland besitzen noch die künstle-
rischen Kräfte für ein ernstes Schaffen von bleibendem
Wert, auch im Norden sind bedeutende Persönlichkeiten
dieser Einstellung, aber sie sind vereinzelt. Unsere Auf-
gabe ist es, über flüchtige Zeitströmungen hinweg das
Echte in der Kunst und ihr eigenstes Wesen zu schützen
und an spätere Generationen weiterzugeben.
AusstellungMüncheni927Das Bayerische Hand-
werk. Die Ausstellung gibt im Vorverkauf Dauerkarten
zu ermäßigtem Preise (Erwachsene 7.—, Kinder 3.5:0) aus,
wenn die Bestellung gesammelt durch Verbände erfolgt.
Unsere Mitglieder wollen dem Sekretariat (Pfandhausstr. 7)
mitteilen, wie viele Karten gewünscht werden. Für jede
einzelne Karte ist Name und Anschrift des Inhabers anzu-
geben. Eine Ermäßigung an einzelne Mitglieder, auch bei
Vorzeigung der Mitgliedkarte, kann nicht stattfinden.

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