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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 1817

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https://doi.org/10.11588/diglit.12992#0009
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Nro, s»

Kunst-Blatt.

i 8 i 7»

Nachricht von einem Christus * Kopf.

Nach Ra phael.

Wenn sich jetzt noch nach einigen Jahrhunderten das Ur-
theil der altern Kunstrichter über das Genie Raphaels
von Urbino bewährt, und dessen Werke jetzt noch andern
bildlichen Vorstellungen seiner Zeitgenossen und der vor und
nach ihm lebenden Künstler vvrgezogen werden, so geschieht
dieses nicht aus Vorurtheil für die frühere Anerkennung sei-
nes Talentes, oder aus Neigung zu einer auf uns fcrtge-
erbten Mode. Raphaels Werke behaupten einen von
Zeitverhältnissen unabhängigen Werth durch ihre Vollkom-
menheit in geistiger Erfindung und wissenschaftlicher Anord-
nung, verbunden mit seltener Kunst und talentvoller Aus-
führung. Unter den Werken der bildenden Kunst gebührt
ihnen allerseits unstreitig eine Stelle in der ersten Klasse,
und dem größten Theil derselben in solcher sogar die erste
Stelle.

Man suche unter den Mahlerepen des Mittelalters, von
der wiederauflebenden Kunst bis auf unsere Zeit, nach gleich
geistreichen und vollendeten Werken, und man wird zwar
unter denselben vortreffliche Arbeiten italienischer, deutscher,
englischer, französischer und niederländischer Meister bemer-
ken, nie aber den genialischen Charakter vereint mit jener
Vollkommenheit in Erfindung, Anordnung und Ausführung,
in dem hohen Grade wieder finden, der in den mannigfal-
tigen und verschiedenartigen Gemählden Raphaels ausge-
drückt ist.

Michael Angela, Julius Romanus, Nico-
laus Poussin, Alb recht Dürer und andere berühm-
te Künstler, komponirtcn zwar verschiedene Gegenstände
vortrefflich, und Correggio, Titian, Rubens rc.
waren im Koloriren ihrer Arbeiten, so wie der größte
Theil der niederländischen Mahler, in Scencn aus der all-
täglichen und selbst der gemeinen Natur, oft bis zur Täu-
schung geschickt: ihre Darstellungen beschränkten sich aber größ-
tentheils auf einzelne Gegenstände, und in den idealischen
bildlichenDarsiellnngcn mussten sie im Ganze» den R a p h a el'-
schen Werken weit nachstehen, weil sie ihren Arbeiten
nicht immer eine eben so belebte und rein gefühlte Darstel-
lung , mit gleicher Geschicklichkeit eines praktischen Mahlers
zu geben vermochten.

Raphaels Werke kan» man, nach seinem schöpferi-
schen Talent und Genie, in drep Klassen lheilcn: i) für

H *

vorzüglich große historische Gegenstände, seine Logen und
Stanzen in Rom, die Transfiguration, die Grablegung
Christi rc.; 2) in Absicht auf Phantasie und ingeniöse Ar-
beiten , die Entwürfe für die nach ihm genannten Tapeten,
die Gemahlde in seiner Villa bep Rom, und verschiedene
andere Bilder, bep welchen er sehr oft das menschliche Le-
ben und selbst den zartesten Leidenszustand des Menschen,
wie z. B. Liebe und Stolz, oder erhabene Eigenschaften,
wie Weisheit und Stärke, durch Episoden, oder sonst durch
allegorische oder analogische Bezeichnung so treffend zu schil-
dern verstand, daß selbst die Sprache cs kaum so auszudrü-
cken vermag ; endlich 3) für das Gemüthliche und den reli-
giösen Sinn, seine Portraits, die verschiedenen Madonnen-
Bilder, die heilige Familie, die Carit«, die vier Evange-
listen , die Apostel rc.

Hier, wo nur eine einzelne Arbeit dieses großen Mei-
sters bekannt gemacht und an dessen übrige Gemählde ange-,
reiht werden soll, bedarf cs keiner weitern Erwähnung seiner
Werke, um die Aufmerksamkeit des Kunstfreundes auf un-
fern Gegenstand rege zu machen.

Der C h r i st u s - K 0 p f, von welchem hier die Rede seyn
soll, befindet sich in dem Besitz des Oberbau-Direktors
Weinbrenner in Karlsruhe. Er ist etwas kleiner als
natürliche Größe, auf Holz und hellgraulichem mir Gold
unterlegtem Grund gemahlt, und gehört seinem Gehalt
nach wohl in die dritte Klasse, in diejenige der gemüthlichen
und religiösen Bilder Raphaels, indem er die Haupt-
Charakterzüge Christi, das Ideal menschlicher Liebe, Sanft-
muth, Güte und Weisheit, auf die edelste Art darstellt.

Nach dem Urtheil verschiedener Kenner ist dieses Bild
aus dem besten Zeitraum Raphaels; vielleicht gerade
aus der Zeit, wo er die Transfiguration in Rom mahlte.
Der Ausspruch, daß dieses überaus schöne Bild von seiner
Hand gefertigt sep, bewährt sich um so viel mehr, da es
nicht nur einem gleich geschickten und geübten Pinsel sein
Dasepu verdankt, sondern auch auf eben solchem Holz, wie
jenes berühmte Bild, gewählt zu feyn scheint.

Betrachtet man diesen Christus-Kopf nur mit einiger
Aufmerksamkeit, so bemerkt man darin im höchsten Grad
jene Charakterzüge ausgedrückt, welche die heilige Schrift
dem Urbilde bcylegt: Güte, Liebe, Sauftmuth, Weisheit,
in einem jungen Mannskopf vereinigt, der sich in diesen Tu-
genden von seinen Kinder- und Jüug'kmgs-Jahren, bis zu
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