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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 1817

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https://doi.org/10.11588/diglit.12992#0049
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K u n st

l a t t.

Nro. 12.

-- B

i 8 i 7.

Muthmaßung über die Gruppirung der Colossen
auf Monte Cavallo. An einen einsichtsvollen
und gelehrten Liebhaber der schönen Künste
(vom Ritter Canova). Rom 1822, bey Pag-
liavini. »)

(Nebst zwep Darstellungen in Steinbruck.)

Ich übersende Ihnen hier endlich den Kupferstich, wel-
cher die Weise angibr, auf die ich glaube, daß die beyde»
Colossen auf Monte Cavallo mit ihren Pferden zusammen
gruppirt sepn sollten. Hatte der verdiente Kupferstecher
(Pir oli) mir nicht zwep Entwürfe dieser meiner Idee
gleichsam aus den Händen gerissen, und sie zum Theile nvch
ergänzt, ich wäre vielleicht nie dahin gebracht worden, mich
zu überwinden, sie zu publizircn. Jetzt da der Kupferstich
fertig, darf ich nicht mehr anstehen, Ihren freundschaftlichen
Wunsch zu befriedigen. Ihnen meine Gründe anzngeben,
weßhalb ich die Gruppirung der Pferde, wie ich sie darge-
stellt (A) schicklicher und natürlicher Halle, als die, in welcher
sie sich gegenwärtig befinden. (B) Ehe ich nach Rom kam,
hatte ich, die Wahrheit zu sagen, keinen richtigen Begriff
von diesen bepden Colossen gefasst, und als ich einst ohne
eigentlichen Zweck in der Stadt umher spazierte, befand ich
mich erstaunt vor denselben. Ein Erstaunen, das statt sich
zu vermindern, dergestalt bep mir wuchs, daß es mirschien,
diese Statuen könnten besser, als jede andre, die wahren Mu-
ster geben, die Formen der Menschen geometrisch einzusehen.
Ich beschloß daher, eine geraume Zeit hindurch mich jeden
Morgen hinzubegeben, um aus allen Standpunkten Umrisse
davon zu zeichnen. Schon damals war mir leicht bemerklich,
daß von einem der Hanptstandpunkte, vor diesen bepden
Gruppen, die Pferde derselben sichln einer so unglücklichen
Verkürzung zeigten, daß auch der in der Kunst Unerfahren-
ste die Colossen loben und die Pferde tadeln muffte. Als
ich die Pferde hierauf von der Seite untersuchte, erschienen
sie mir im Ganzen wie in den einzelnen Theilen sehr schön,
woraus ich Grund zu glauben zog, daß sie sich zu Aleran-
drien, woher das Gerücht sagt, daß man sie gebracht, ganz
anders gruppirt befunden haben müssten. Ueberdieß sähe ich,
daß die Seite des Pferdes, gegen den Heroen zu, mangel-
haft und unbeendct >var, daß die Platte,anf weicheres steht,

*) Ans dem Italienischen übersetzt.

dieselbe Breite hat, mit der, auf welcher die Figur ruht, —,
ein Zeichen, daß sie aneinander gehörten, daß das Pfeiler-
chen, das ihren Körper stützt, in einer geraden Linie mit der
innern unvollendeten Seite und der untern Platte fortläuft,
— daß die Corniche dieses kleinen Pfeilers, so wie die Base
noch immer, neu hinzugefügt scheinen; (Q daß endlich der
Pfeiler, von vorne betrachtet, nicht senkrecht, sondern aus-
ser dem Senkblep erscheint, (v) so wie auch offenbar die
äußere Seite des Pferdes außer dem Senkblep neigt: lau-
ter Gründe die Zusammentreffen, um die Wermuthung zu
begünstigen, daß die Pferde von der Seite und nicht von
vorne gesehen sepn wollen. — Alle dergleichen Bemerkungen
wären jedoch nicht von hinlänglichem Gewichte, wenn die
Gruppe sich gegenwärtig besser darstellte, als auf die vorge-
schlagene Weise.

Aber wenn man erwägt, daß der Grund, (Plan,pl°m-)
der Gruppe, indem er jetzt zwep Seiten eines Vierecks ein-
nimmt, die bepden andern leer lässt; baß das Pferd, in-
dem es sich erhebt, eine divergirende Curve (ausbiegend
krumme Linie) mit dem Kopfe und den Vorderfüßen macht,
nnd der innere Vvrderfuß sich höher,' als der äußere dar-
stellt, und dadurch eine unangenehme Verkürzung, der
Handlung unangemessen, verursacht, und außer der Gesichts-
Linie des Helden tritt, der es am Zügel hält, — so kann
jeder leicht schließen, daß sie in der Attitüde ausgestellt
werden sollten, die ich angegeben habe. Auf diese Weise ge-
winnt man, daß der Heros den Kopf des Pferdes ansieht,
welches er bändigen will, und indem er ihn hoch hält, sich
seinem Körper (des Pferdes) zugleich zu entziehen sucht, —
wo denn bep den nach außen dirigirenden (bepden) Beine»
das innere Bein seinen wahren Gesichtspunkt erhält. Auf
diese Art auch würden die bepden Plinten, auf welchen sie
stehen, (Roß und Heros) eine gerade harmonirende Linie
bilden, und das Ganze der Gruppe eine edlere und größe-
re Wirkung thun; — und bepde (Heroen und Pferde) sich ver-
einigen , eine ppramidale Linie zu machen, welche zum Ein-
gänge eines prächtigen Thores einzuladcn dienen könnte, an
dessen Seiten sie, wie Einige glauben, ihren Platz hatten.—
Noch mehr — eine solche Zustttnmenftellung würde an den Hel-
den, der ein Pferd bändigt, auf dem Bassorilievo des Phidias,
am Friese des innern Porticus, des Parthenons zu Athen *)

') Stuart Antiquit. of Athens Yol. II. Ch. I. PI. IV,
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