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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 1817

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https://doi.org/10.11588/diglit.12992#0060
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Nro. 14»

K u n st - B l a t t.

1317.

Die Heilung des Blinden und die sieben Worte der
Barmherzigkeit.

(Von Robert Langer.)

Wenn auch nicht gelängnet werden kann, daß die histori-
fthe Mahlerey unserer Zeit durch ernsteres Streben, tiefern
Sinn und gründlichere Behandlung, verglichen mit den
Hervorbringnngen des vorigen Jahrhunderts, dessen geprie-
senste Künstler, mit wenigen Ausnahmen,, in der Anregung
gemeiner Sinnlichkeit oder gemüthloser Sentimentalität das
höchste Ziel ihres Strebens fanden, den erfreulichsten Ge-
gensatz bildet, so dürfen wir uns doch nicht verhehlen, daß diesel-
be noch lange nicht aufjener Stufe von Vollkommenheit und zu-
gleich von Popularität steht, welche die Kunst in Italien,
Deutschland, Frankreich und Spanien bis gegen die Mitte
des siebzehnten Jahrhunderts behauptete. Zwar fehlt es unse-
rer Zeit nicht an ausgezeichneten Kunsttalenten und eben so we-
nig an Regierungen, die ihnen Mittel geben, sich auszubilden
und in großem Werken zu verkündigen; allein unfern Künst-
lern fehlt es noch im Ganzen an jener christlichen Begeiste-
rung, welche den Werken der großen, alten Meister einen
so tiefen und doch zugleich so durchaus populären Charakter
aufdrückt oder an jenem unmittelbaren, fortdauernden Stu-
dium der Natur, welches ihnen einen so ergreifenden Reiz
der Individualität und Lebendigkeit verlieh und auf dem
Umwege der Antike oder des Kopierens nimmermehr er-
langt werden kann. Was unsere Zeit hervorbringt, besteht
entweder in Behandlungen von Gegenständen aus der alten
Mythologie und Geschichte, welche nur den Kenner derselben
erfreuen, nie aberden Sinn des Volkes anregen und feft-
halten können, oder, wenn auch die Behandlungen von Stof-
fen aus der Geschichte unserer Religion, diese doch theils in
einem durchaus antiken und gelehrten Style, theils in ängst-
licher Nachahmung altdeutscher und altitalienischer Darstel-
lungsweise befangen.

Diesen Verirrungen, wenigstens in ihrer Umgebung,
vorzubeugen, war seit ihrer Erneuerung ein Hauptbestreben
der königlichen Akademie der bildenden Künste zu Mün-
chen. Denn obwol diese Anstalt, durch Vorsorge einer
kunstliebenden Regierung, sich im Besitze der wohl erhaltcn-
stcn, zum Theil einzigen Abgüsse von klassischen Bildwer-
ken alter und neuer Zeit befindet, und eine der reichsten Ge-
mähldefammlungen Europens in ihrer Nahe zur Anschau-

ung und Nachahmung offen steht, so haben sich doch ihre
Vorsteher und Lehrer, in Mitte dieser großen Muster, un-
befangen und rein von Manieren erhalten; sie haben die-
selben dadurch am höchsten geehrt, daß sie mit belehrendem
Wort und eigenem Beyspiel ihren Schülern den Weg zeig-
ten, auf welchem jene zu ewigen Mustern geworden sind,
nämlich den Weg der Natur und der Religion, Vereinigung
von Tiefe und Popularität.

Diesen Geist der genannten Lehr - Anstalt beurkundete
vorzüglich die Kunstausstellung des Jahres 1814. Am ent-
schiedensten aber sprach er sich damals in einem Cyklus von
Bildern aus, welchen Robert Langer, Professor der
königlichen Akademie und Sohn des verehrten Direktors
derselben, für die Kirche des allgemeinen Krankenhauses in
München verfertigte und dessen ausführliche Veschreibung
den Lesern des Morgenblattes um so willkommner seyn
dürste, da die auswärtigen Kunstfreunde blos durch Aufsätze,
welche einen flüchtigen Ueberblick aller im Jahr 1814 aus-
gestellten Arbeiten gewährten, also nur sehr oberflächlich mit
diesem bedeutende» Werke bekannt werden könnten.

Das größte dieser Gemählde hat eine Höhe von 11 über
einer Breite von 10; Schuhen und bildet daher ein bey-
uahe regelmäßiges Viereck. Es ist bestimmt, den Altar
der Kirche zu zieren; die Figuren haben Lebensgröße und
die dargestellte Handlung ist auf den erstell Blick bekannt
und verständlich.

Ein armer Blinder, mit einem gelblichen Unterkleide
nur zum Theil bedeckt, ist vor den Erlöser gebracht worden.
Ganz im Profil sichtbar, kniet er vor ihmz seine ausgestreck-
ten Arme suchen ihn noch und wollen die Kniee des Hei-
landes, hülfeflehcnd, umfangen, während sich dieier scbon,
hülfegewährend, herabneigt und ans dem weissen, über ein
hellrothes Unterkleid geworfenen Mantel die Hände seg-
nend und heilend gegen das Haupt des Blinden hervorbebt.
Auf diese beydeu, in der Mitte des Bildes sich befindenden
Gestalten fällt das Hauptlicht. Der Kopf des Blinden ist
von ergreifender Wahrheit, die Zeichnung und Färbung des
nakten Körpers musterhaft, in dem Haupte des Erlösers
aber, obgleich dasselbe geneigt, und daher in Verkürzung er-
scheint, liegt eine Milde, Ruhe und Klarheit, die jeden
Nimbus, um die ihm beywvhnenbe Gottheit zu bezeichnen,
überflüssig macht.
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