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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 1817

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https://doi.org/10.11588/diglit.12992#0068
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Nro. 16,

Kunst-Blatt.

I8i7.

Ueber da5 Abendmahl von Matthai Professor der
königl. sächsische» Akademie der Künste zu Dres-
den.

(Hierzu eine Knpfertafel.)

Da in so vielen Zeitschriften Herrn Professor Matthais
Abenomahlgemählde beschrieben worden ist, so glauben wir,
daß den Kunstfreunden selbst ein verkleinerter Umriß nach die-
sem Bilde, welches lebensgroße Gestalten enthält, sehr will-
kommen sepn wird. Indem wir dieses Blatt den Kunstlich-
tern vorlegen, fügen wir die Erinnerung hinzu , daß wir in
die Absicht des Künstlers eingehen müssen, um ein gegebe-
nes Kunstwerk zu beurtyeilen. Es scheint uns, daß cs die
Absicht des Professor Matthäi war, durch eine beynahe
an das Portrait grenzende Wahrheit und Natürlichkeit der
Charaktere eine um so treffendere und ergreifendere Wir-
kung hervorzubringen. Da Leonardo da Vinci und
Raphael diesen Gegenstand schon fast erschöpften, war es
um so rühmlicher, daß ein Künstler in unsern^aE^sich
durch so große Vorbilder nicht zur Nachahmung huwechpn
ließ, aber auch desto schwieriger, die Eigenthümlichksit glück-
lich zu behaupten. So viel sich aus dem Schatten schließen
lässt, welcher uns von Leonard o's Abendmahl übrig ge-
blieben ist, waren die Jünger in dieser Darstellung zwar
aus der Wirklichkeit entlehnte Charaktere, allein durch den
lebhaften Ausdruck, den ihnen der Künstler gab, und durch
Leonardo's feurige Einbildungskraft, zu Phantasiegebilden
umgestalret worden; denn oft überschreitet der Ausdruck in
diesem Bilde die Grenze der Wahrheit. In Raphaels
Abendmahl waltet Ruhe, und ruhige Schönheit scheint auch
hier Raphaels Ziel gewesen zu sepn. Matthäi hat zu sei-
nen Personen die Vorbilder in der Natur ausgesucht, je-
doch ohne sie sklavisch uachzuahmcn, noch den Ausdruck zu
übertreiben. Um in der Sphäre dieser Darstellung zu blei-
ben, muffte der Künstler selbst dem Christuskopf so viel
Individuelles und Nationelleö bepmischen, wie den übrigen
Charakter«, wodurch uns zwar der Gottmensch weniger
göttlich, aber um so menschlicher erscheint, und so seine Lei-
den unserm Herzen umso fühlbarer werden, dasie dieeincs
uns verwandten Wesens sind. In einem Christuskopf, wel-
cher ohne historische Beziehung als Charakterbild aufgestellt
wird, kann sich das Göttliche reiner ausfprechen, als in ei-

nem Christus, welcher als handelnde Person in einem ge-
schichtlichen Momente dargestellt wird, und selbst der große
Leonardo zweifelte an der Erreichbarkeit der Aufgabe,
den Heiland in dem Abendmahl in seiner göttlichen Natur
darstellen zu können, und ließ daher den Christuskopf un-
ausgeführt, denn daß er sein ganzes Kunstvermvgen an ei-
nen Jüngerkopf verschwendet, und darum den Christus un-
vollendet gelassen haben sollte, wie Ritter v. B o ssi behaup-
tet, scheint doch unwahrscheinlich. Matthai wählte den-
selben Augenblick, den auch da Vinci auffaffte, Christus
spricht: Wahrlich ich sage Euch, einer unter Euch wird mich
verrathen. — Alle erschüttert diese Diebe, jeder äußert sich
seinem Charakter gemäß, und durch einen lebhaften, natür-
lichen Ausdruck brachte der Künstler sehr glücklich Bewe-
gung und Leben in diese Scene, welche wenig Handlung
zuläfft. Der Aufmerksame wird leicht einen jeden an der
Art, wie er sich äußert, erkennen, und ihm werden die
gehaltvollen Beziehungen im mimischen Ausdruck nicht ent-
gehen. Als eine Erläuterung empfehlen wir den Kunst-
freunden Matthais Programm, welches bev der
Ausstellung in Dresden 1816 erschien, und in mehrern Zeit-
schriften abgedruckt wurde. Christus befindet sich in der
Mitte der Seinen, und spricht mit sanftem Ernst die Wor-
te aus, durch welche alle wie durch einen elektrischen Schlag
erschüttert werden. Johannes ihm zur Rechten, äußert eine
milde Besorgnis;, er scheint sich in diesem Augenblicke mehr
der innigen Liebe zu seinem Herrn und Meister bewusst zu
werden, als den Gedanken fassen zu köinien, daß einer un-
ter diesen den Heiland verrathen könnte. Jacobus der Klei-
nere hat aufmerksam den Worten zugehört, und wendet
sich fragend zu Johannes. Jacobus der Größere, der erste
Märtyrer, ist tief erschüttert, er fühlt die Leiden seines
Herrn und ahnet sein eignes Schicksal. Matthäus fordert
Aufschluß von Thomas, welcher forschend nach Judas blickt,
und Simon Zelvles scheint mit Nachdruck die Worte des
Erlösers zu wiederholen. Dem Heiland zur Linken befindet
sich Thaddäus, dessen Züge die Reinheit des Gewissens
und die innigste Liebe zu Jesu uns versichern. Bartholo-
mäus ist aufgestanden, und scheint ganz das mitzufühlen und
durch die auf seine Brust gelegten Hände zu bekräftigen, was
jener in jugendlicher Lebhaftigkeit auszusprechen vermag.
Herr, bin ichs ? fragt mit Heftigkeit Petrus und legt in
Bestürzung die Hand auf sein Herz. Philippus drückt sei»
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