Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0018

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
23

Kunstlitteratur. — Kunsthistorisches.

24

Verzeichnisses der Namen von etwa siebzig Künstlern, deren
Thätigkeit in Lübeck bis 1530 nachgewiesen werden kann.
Aber die Arbeit Goldschmidts legt nicht nur Zeugnis ab von
allseitiger Beherrschung des kunsthistorischen Rohmaterials,
von genauer Kenntnis der erhaltenen Denkmäler und der
nur litterarisch überlieferten, sie zeigt auch eine bei Kunst-
historikern nicht allzuhäufige kulturgeschichtliche Tendenz
in der Art, wie der Gegenstand behandelt ist. Der ein-
leitende Abschnitt, welcher die Bedeutung der Hansa und
der geistlichen Brüderschaften für die Entwicklung der Kunst
in Lübeck darlegt, wird dieser seiner Aufgabe in muster-
hafter Weise gerecht. So wird die vermittelnde Stellung
Lübecks einleuchtend präzisirt, nachgewiesen wie Lübeck
sich zu dem Westen und Süden empfangend, zum Osten und
Norden gebend, kunstverbreitend verhält, während darauf
aufmerksam gemacht wird, wie die Kunstthätigkeit, vornehm-
lich im Dienste jener Brüderschaften, Inhalt und Form der
Darstellungen beeinflusst hat. Die historische Schilderung
der Lübecker Malerei und Plastik, welcher die Beigabe guter
Lichtdruckaufnahmen in dankenswerter Weise zu Hilfe kommt,
ist durchaus sachgemäss, bündig und klar; sie hält sich an
das Wesentliche und hebt gut die parallele Entwicklung
der Lübecker Kunst mit der im stammverwandten Nordwssten
Deutschlands hervor. Eine Menge hervorragender Kunst-
werke des ausgehenden 15. Jahrhunderts und aus dem ersten
Drittel des 16. werden in der Goldschmidtschen Schrift zum
erstenmal nach ihrer wahren Bedeutung gewürdigt und
mannigfache Irrtümer, die sich bis in die neuesten Geschichten
deutscher Kunst verschleppt haben, aufgedeckt und berich-
tigt. Namentlich erscheint die Bedeutung des niederländi-
schen Einflusses auf den Stil der Lübecker Kunst im Beginne
der Renaissancebewegung des 16. Jahrhunderts mit gesunder
Würdigung einheimischer Eigentümlichkeit und oberdeutscher
Anklänge erwogen. Kurz Goldschmidts verdienstvolle Arbeit
bietet der Belehrung die Menge und gereicht dem Verfasser
nicht minder zur Ehre als dem Leipziger Meister kunst-
geschichtlicher Forschung, dem sie gewidmet ist.

Im Juni. RICHARD GRAUL.

Th. Fr. Über die Geschichte der Karolingischen Bauten
xic Ingelheim bringt in jüngster Zeit die „Westdeutsche
Zeitschrift für Geschichte und Kunst" sehr wertvolle Studien
und Mitteilungen. So behandelt Paul Clemen den Karo-
lingischen Kaiserpalast zu Ingelheim in einem gründlichen
Aufsatz (Jahrgang 1890, S. 54 ff. und 97 ff.). Die Geschichte
der Bauten, die erhaltenen Reste werden besprochen, eine
Rekonstruktion wird versucht. Vieles bleibt allerdings noch
aufzuklären. Clemens Artikel ist für jeden von Wichtigkeit,
der sich mit dem Studium der mittelalterlichen Kunst be-
schäftigt. — In derselben Zaitschrift veröffentlicht Jos. Neu-
wirth, der vor einigen Monaten auch ein Buch über die
Wochenrechnungen und den Betrieb des Prager Dombaues
in den Jahren 1372 bis 1378 herausgegeben hat, einen Ar-
tikel „Zur Geschichte der Bauten in Ingelheim, nach brief-
lichen Aufzeichnungen in einer Handschrift der Prager Uni-
versitätsbibliothek". Für den Zustand der erwähnten Bauten
im 17. Jahrhundert ist diese Arbeit von Bedeutung, welche
auf die Verwüstung Ingelheims durch die Schweden ein
neues Licht wirft.

KUNSTHISTORISCHES.

%* Über den berühmten „Angelus" ton J. F. Milkt sind
in Paris merkwürdige Enthüllungen gemacht worden, über
die ein Korrespondent der ..Vossischen Zeitung-' folgendes
berichtet: „Bald nachdem der „Angelus", den Millet bei Leb-

zeiten sogar für einige Tausend Francs nicht verkaufen
konnte, durch einige Pariser Händler dem verrufenen Gross-
spekulanten Secretan für 200000 Frcs. aufgeschwindelt wor-
den war, verbreitete sich plötzlich zum Erstaunen des
Pariser Kunstpublikums, vor allem Secretans selbst, das Ge-
rücht, der Angelus sei gar nicht von Millet. Dieses Gerücht
ist auch bedingungsweise wahr und richtig. Die Sache ver-
hält sich genau folgendermassen: Das Bild war etwas dünn
mit nicht sehr gediegenen und soliden Farben von Millet
gemalt worden und hatte durch das Herumschicken und das
lange Stehen in der staubigen Werkstatt des Malers in
seinem Bauernhause gelitten, so dass an einen Verkauf
dieses Bildes an reiche Private, schon des Gegenstandes
wegen, nicht zu denken war. Nach dem Tode des Künstlers
verkaufte ein Pariser Händler dieses verstaubte, unscheinbar
gewordene, nichts weniger als wohlgefällige Bild für einen
äusserst geringen Preis und übergab es einem Pariser „Re-
toucheur" oder „Rebouteur", welcher als Nachahmer des Th.
Rousseau und des Diaz bekannt und mit vielen Pariser
Bilderspekulanten geschäftlich verbunden und vertraut war,
um es reinigen und „retouchiren" zu lassen. Dieser „Re-
bouteur" hatte in Nachahmungen moderner französischer
Bilder eine solche Routine erlangt, dass, besonders infolge
des betrügerischen Geschwätze dieser Spekulanten und der
von ihnen eingeführten „Marke" — oder „Handelspreise",
der „Angelus" nach der Retouche, d. h. nach vollstän-
diger Übertupfung und Übermalung, ganz frisch und neu
erschien und auf 300000 Frcs. taxirt wurde. Dieser selbst
dem Herrn Secretan auffallende Glanz der Neuheit wurde
einzig und allein der Reinigung zugeschrieben. „Von Re-
touche und Übermalung auch nicht eine Spur", so hiess es.
Die Wahrheit ist also ganz einfach die: die Komposition,
d. h. die blosse geistlose Naturabschrift, die Silhouetten
zweier auf dem Felde stehender Landleute, Mann und Weib,
welche als dunkle Massen von dem duftigen Abendhimmel
sich abheben, ist von Millet, die Malerei aber mit ihren
koloristischen Feinheiten ist das Werk des „Rebouteurs".
Beide sind gestorben, der erstere vor Jahren, der andere vor
einigen Wochen. Darum ist erst jetzt die Sache so recht
ans Tageslicht gekommen." — Zu gleicher Zeit wird aus
Paris gemeldet, dass Fräulein Courbct, die Schwester des
berühmten Malers, in Brüssel eine ganze Fabrik entdeckt
hat, die angeblich Bilder ihres verstorbenen Bruders an-
fertige und verkaufe. Ein Kunsthändler in Brüssel ver-
kaufte falsche Courbets und Corots, die er von einem Maler
in Paris geliefert erhielt. Dieser hat ein grosses Atelier
in Paris, in dem die Fälschungen fabrikmässig hergestellt
werden. Ein Schüler dieses Malers macht auf den Bildern
die Wiese, ein anderer den Baumschlag, ein dritter die
Tiere u. s. w. Ein anderer Künstler, ein langjähriger Schüler
Courbets. kann die Manier des Meisters so täuschend nach-
machen, dass er sogar Kenner irregeführt hat. So befand
sich letztes Jahr auf der Weltausstellung ein Gemälde,
„Klippen", das nur eine, von jenem Maler ausgeführte Nach-
ahmung Courbets war. Die gefälschten Gemälde wurden
erst in Brüssel mit der Unterschrift des Meisters versehen.
Damit sie auch die echte „Patina" erhielten, setzte sie der
dortige Kunsthändler längere Zeit der Ofenwärme auB, was
er die „Courbets kochen" nannte. Die „Chronique des arts"
macht darauf aufmerksam, dass Courbet selbst einen so
schmählichen Handel begünstigt hat, indem er wahrend
seines Aufenthaltes in der Schweiz von seinen Schülern
Bilder anfertigen Hess, die er mit seinem Namen versah.
Deshalb suchen die Kenner nur nach solchen Gemälden
Courbets, die vor 1870 entstanden sind.
 
Annotationen