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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Springer, Anton: Neue Kupferstiche
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0030

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE.

Ankündigungsblatt des Verbandes der deutschen Kunstgewerbevereine,

HERAUSGEBER:

CARL von LÜTZOW und ARTHUR PABST

WIEN KÖLN

HeugasBe 58. Kaiser-Wilhelmsring 24.

Verlag von E. A. SEEMANN in LEIPZIG, Gartenstr. 15. Berlin: W. H. KÜHL, Jägerstr. 73.
Neue Folge. IL Jahrgang. 1890/91.

Nr. 4. 30. Oktober.

Die Kunstclironik erscheint als Beiblatt zur „Zeitschrift für bildende Kunst" und zum „Kunstgewerbeblatt" monatlich dreimal, in den
Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der „Zeit-
schrift für bildende Kunst" erhalten die Kunstchronik gratis. — Inserate, ä 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Ver-
lagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein& Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

NEUE KUPFERSTICHE.

Kohlscheins neueste Schöpfung, der Stich nach
Murillo's „Immaculata Conceptio" im Louvre wird
ohne Zweifel grossen Erfolg haben, in weiten Kreisen
Verbreitung finden und dem längst bewährten Meister
abermals zahlreiche Verehrer zuführen. Zur offenen
Aussprache dieser Überzeugung bewegt die glück-
liche Wahl des Gegenstandes und seine ganz vor-
treffliche Wiedergabe. Im Zeitalter der Romantik
liebte man oft die Streitfrage aufzuwerfen, ob Raffael
oder Murillo als Madonnenmaler die Palme verdiene ?
Man glaubte in Murillos Madonnen mehr Gedanken,
oft auch nur müssige Einfälle, hineinlegen, aus ihrem
Kopfe, dem Ausdrucke und der Bewegung mehr
von ihrer Lebensgeschichte herauslesen zu können.
Wir werden uns hüten, die Streitfrage zu erneuern,
welche überdies die historische Stellung der beiden
Künstler gänzlich übersieht und von willkürlichen
Voraussetzungen ausgeht.

Nur die Thatsache müssen wir zugestehen, dass
Murillos Madonnen der modernen Empfindung näher
stellen, als namentlich die älteren Raffaelischcn. Wir
dürfen den Satz auch allgemeiner fassen: die Kunst
des 17. Jahrhunderts steht uns innerlich näher als
jene des sechzehnten. So wenig wir uns verhehlen
können, dass die Antike in unsere Welt nur in stark
abgeblasster Gestalt hineinscheint, so wenig leugnen
w'r den verringerten Eindruck der reinen Renais-
sance auf unsere künstlerische Phantasie ab. Ihre
Kjassische Ruhe weht das gegenwärtige Geschlecht
ulll an, die in sich abgeschlossene Harmonie der
Anschauungen deucht uns nicht lebensvoll genug.
1 feine mittlere Mass ist nicht mehr bindendes

I)

Gesetz für die Künstler. Das 17. Jahrhundert ist
uns durch den mächtigen malerischen Zug, welchem
auch unsere Künstler so unbedingt nachstreben, sym-
pathisch, ausserdem auch noch in der Auffassung
der Dinge wahlverwandt. Unsere Phantasie bewegt
sich mit Vorliebe über oder unter der mittleren
Linie. Wir stellen die Wahrheit der Schilderung am
höchsten und wollen nichts von einer Verklärung
der Natur wissen. So wie sie ist, erscheint sie künst-
lerisch wirkungsvoll. Wir steigern auf der anderen
Seite das Ideale und Übersinnliche zum Mystischen.
Zwischen den Polen der Mystik und der unbedingten
Natürlichkeit bewegt sich unsere Phantasie. Das
eine und das andere klingt bereits in der Kunst des
17. Jahrhunderts an. Mystisch vor allem ist die
Darstellung der unbefleckten Empfängnis Marias,
welche in Murillo ihren grössten Meister fand.

Bis auf bessere Belehrung durch katholische
Theologen sind wir der Meinung, dass die Lehre von
der immaculata conceptio sich auf die heilige Anna
bezieht, welche, wie es z. B. in Schnauss' Heiligen-
lexikon heisst, „die Allerheiligste Jungfrau in ihrem
Leibe ohne Erbsünde empfing." Aber schon das
römische Brevier (zum 8. Dezember) und die alten
Sequenzen trennen nicht scharf die unbefleckte Em-
pfangene und die unbefleckt Empfangende, die Toch-
ter Annas und die Mutter Christi. Noch weniger
konnte die Volksseele und die Volksphantasie die
geheimnissvolle Lehre anschaulich fassen. Hier und
in der künstlerischen Verherrlichung der Vorgänge
haben wir es offenbar mit der unbefleckt empfangen-
den Jungfrau zu thun. Die „sponsa Dei" die Braut
Gottes tritt uns in Murillos zahlreichen Conceptioneu
entgegen. Die Szene ist jener der Himmelfahrt
 
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