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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Vom Christmarkt
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149

Vom Christmarkt.

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paarweise, unter ärztlicher Hilfeleistung des Herrn
Julius Lohmeyer schenkt, ist heuer um zwei kräftige
Sprösslinge vermehrt worden. Die respektiven Väter
sind diesmal Anton von Werner und P. Meyerheim,
zwei Künstler, von denen wir unseren Lesern hier
kaum etwas Neues erzählen können. Von Werner
finden sich drei Porträtskizzen vor, von denen be-
sonders die Zeichnung des Generals von Türup-
ling hervorragt, drei Kriegsbilder, eine historische
Komposition (Mönche auf dem Hohentwiel), eine
dekorative Wandmalerei antiken Inhalts aus dem
Cafe Bauer in Berlin, endlich das allegorische Bild
Kampf und Sieg, das als Velarium beim Krieger-
einzug 1871 lebhaften Beifall weckte; alle diese Blätter
sprechen für die Bega-
bung des Meisters, sich
auf allenFeldern zurecht-
zufinden. Mehr Affek-
tions- als Kunstwert hat
die Zeichnung der Auf-
bahrung Kaiser Wil-
helms L, eine Aufgabe,
an die schon mehrere
Künstler sich ohne son-
derlichen Erfolg wagten.
Wer P. Meyerheim
bisher nur als Tiermaler
hat schätzen lernen, wird
aus der vorliegenden
Mappe darüber Beleh-
rung erhalten, dass dies
nur ein Stück seines We-
sens ist. Einige Land-

Aus Bings Japanischum Kormensekatze. tLeipzig, Seemann.)

Übung zu drohen scheint, zu verscheuchen; er hofft
durch subkutane japanische Injektionen den abend-
ländischen Kunstkörper von der vermuteten Tuber-
kulose zu befreien. Das grosse Publikum freilich,
nachdem es die erste leichte Neugier befriedigt hat,
steht der ihm wunderlich erscheinenden Art und
Weise, trotz der eifrigen Lobpreisungen der japani-
schen Impfärzte, kühl gegenüber und findet sie un-
schmackhaft trotz der vielen Natur, die augen-
fällig in jenen Erzeugnissen steckt.

Natur und Kunst, ßie scheinen sich zu fliehen,
Und haben sich, eh man es denkt, gefunden;
Der Widerwille ist auch mir verschwunden
Und beide scheinen gleich mich anzuziehen

Einen gewissen Wi-
derwillen wird jeder Eu-
ropäer erst zu überwin-
den haben, wenn er be-
ginnt, sich mit der japa-
nischen Kunst zu be-
schäftigen. An die über
triebene Beweglichkeit
der japanischen Figuren,
an die meist recht stu-
piden Frauengesichter
mit den ganz kleinen
Schlitzäugelchen und
kaum sichtbaren Münd-
chen muss man sich erst
gewöhnen. Wenn Kuni-
yossi oder ein anderer
japanischer Künstler
einen der 47 Ronins dar-

schaften und Figurenstudien, drei Nachbildungen aus stellt, so malt er Figuren, die von einer ungeheueren,
der Loggia des Herrn Borsig in Berlin, wo .die Ge- j kaum fassbaren Erregung befallen zu sein scheinen; eine

Schichte des Eisens in sieben Kapiteln" dargestellt Gesellschaft von Tollen dünkt uns entfesselt. Solch

ist, erweisen, dass Meyerheini nicht nur ein gewandter grässliche Wut findet man kaum bei Rubens oder

künstlerischer Tierbändiger ist, sondern sich auch in Leonardo dargestellt. In der That sind die japani-

anderen Sätteln zu bewegen weiss. sehen Figuren, wenn sie aus ihrer feierlichen Würde

Der Tierdarsteller des Abendlandes führt uns getrieben werden, von einer elementaren Lebendigkeit,

auf die künstlerischen Naturforscher des Morgen-
landes, deren Leistungen in einer Reihe von Bänden
«nter dem Titel Japoniachar Formmaekahf ') uns vor-
igen. Herr S. Bing in Paris, der die schönen.
ül'staunlieh billigen Binde berauagiebt, bei sich von
(1(''' Einführung dieser exotischen Kunst im Abend-
»aiidc viel versprochen. Er sah in der >aft reichen
«ömdea Pflanze schon eine Art Eucalyptus, die ge-
eignet wäre, die Malaria, die der berauschen Kunst-

]) taipiig, E. A. Bawnann

die uns übertrieben vorkommt und daher zunächst ab-
stösst. Aber dieses Kriterium der japanischen Kunst,
die grosse Beweglichkeit und Lebhaftigkeit, kommt
den Darstellungen der sonstigen organischen Natur
ausserordentlich zu gute. Schön beseelte Ruhe, stille
Grosse darzustellen, ist des Japaners Liebhaberei
nicht. Halb entseelt, fast idiotisch scheinen seine Fi-
guren zu sein, wenn sie im Ruhestand verharren.

an überhaupt ein Fehler, wenn man die
japanische Kunst zunächst nach den Darstellungen
der menschlichen Gestalt beurteilt. Den Griechen
 
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