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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Das neue Museum in Antwerpen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0095

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Das neue Museum in Antwerpen.

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Zeit von 7 '/2 Meter hohen Quadrigen mit Figuren ge-
krönt sein werden. Die sich unter der Kolonnade hin
erstreckende Loggia und der Plafond des Peristyliums
sind polychromirt im antiken Stil und mit Vergoldung
versehen. Das pompejanische Rot, welches den
herrschenden Ton dieses Schmucks bildet, lässt die
architektonischen und bildnerischen Motive der Fassade
kräftig hervortreten. Von den zahlreichen, schon
ausgeführten Bildhauerarbeiten erwähnen wir die
Architektur von Dupuis, die Malerei von De Pleyn,
die Bildhauerei von Ducaju und die Kupferstecher-
kunst von Fabri, alles vier Meter hohe, die Attika
krönende Statuen. Dort sieht man gleichfalls die
Medaillonporträts von Rubens, Quentin Matsys,
Quellin, Floris de Vriendt, Van Dyck, Appelmans
und Bolswert, Arbeiten verschiedener Bildhauer.
Große, den Ruhm darstellende Reitergruppen wer-
den in Bälde auf den Piedestalen zu beiden Seiten
der Eingangstreppen stehen. Die seitlichen, noch
sehr kahlen Fassaden werden mit großen gemeisselten
Friesen und Statuen, welche die verschiedenen
Kunstepochen darstellen, geschmückt werden.

Begeben wir uns in das Innere des Gebäudes,
so führt uns ein geräumiges gewölbtes Vestibül in
den sogenannten De Keyzer-Saal. Die von De Keyzer
im Vestibüle des alten Museums ausgeführten Male-
reien sind hierher übertragen und in eine prächtige
Einfassung gerahmt worden, der man nur den Vor-
wurf zu reichlicher Vergoldung machen könnte.

Eine monumentale Doppeltreppe, deren mittlerer
Absatz von zwei schönen Karyatiden Van Bourdens
getragen wird, führt uns zu den Gemäldegalerien,
welche in drei Gruppen geteilt sind: das Museum
der Akademiker, das moderne Museum, das Museum
der alten Meister.

Es ist uns nicht möglich, selbst in aller Kürze,
die verschiedenen Säle zu beschreiben. Beschränken
wir uns auf einige allgemeine Bemerkungen! Vor
allem ist die prächtige Beleuchtung zu erwähnen:
das sanfte und gleichmäßige Oberlicht lässt auf
dem mattroten Grund der Mauern, auf dem sie in
gleichmäßigen Abständen angebracht sind, die un-
sterblichen Werke der Meister bewundernswert
hervortreten.

So bietet die große Mittelgalerie, in der sich
Christus zwischen den beiden Schachern, die An-
betung der Weisen, die Kommunion des heil. Fran-
ziskus von Rubens, das Abendmahl von Jordaens,
und mehrere große Werke von Van Dyck und
anderen befinden, einen prächtigen Anblick. Diese
Beleuchtung basirt auf einem neuen System, das

die Herren Winders und Van Dyck in Wien stu-
dirten. Es besteht in der Hauptsache aus zu 45 Grad
geneigten Metallreflektoren, die im Dach des Ober-
lichts angebracht sind. Eine andere ingeniöse Er-
findung gestattet im Falle einer Feuersbrunst, eines
Bombardements etc., die riesigen, in den mittleren
Galerien ausgestellten Gemälde äusserst schnell zu
retten. Längs den Wänden, an denen diese Bilder auf-
gehängt sind, befinden sich Fallthüren im Fussboden,
die nach einem ungeheuren unterirdischen Lokale
führen, das durch eiserne Thüren geschlossen und durch
beinahe drei Meter dicke Wölbungen geschützt wird.
Alle Gemälde sind an beweglichen Eisenstangen der-
gestalt aufgehängt, dass in ganz kurzer Zeit die in
den Galerien angehäuften Schätze durch die Fall-
thüren hinabgelassen und in Sicherheit gebracht
werden können. Schmale Rettungsgänge führen im
Falle eines Feuerausbruches nach diesem unterirdi-
schen Saale, der dem Besucher den Eindruck einer
kolossalen Kathedralkrypta macht.

Mit Ausnahme der beiden großen Galerien, von
denen wir soeben gesprochen und deren Dimensio-
nen durch die Größe der sie füllenden Bilder be-
dingt wurde, haben die Herren Winders und van
Dyck, in gleicher Weise, wie es in den neuen Mu-
seen Deutschlands geschehen, die Galerien in ver-
schiedene kleine Säle eingeteilt. Die Kunstwerke
gewinnen viel, wenn sie isolirt betrachtet werden
können. Das Auge des Beschauers wird durch eine
zu große Masse in einer endlosen Galerie angehäufter
Gemälde abgelenkt, und die Anstrengung, sich da-
bei ganz in die Bewunderung eines Werkes zu ver-
tiefen, verursacht bald eine erklärliche Ermüdung. —
Den Erbauern des Museums ist es überdies gelungen,
einige besondere architektonische Effekte zu erzielen.
So ist die Perle des Museums von Antwerpen, das
berühmte Triptychon von Quentin Matsys vollstän-
dig isolirt zwischen zwei Säulenreihen und auf einem
gotischen Altar desselben Stiles, wie das Gemälde,
angebracht. Es ist dies ein förmlicher, einem Wunder-
werk errichteter Thron!

Die Teilung der Galerien in kleinere Kompar-
timente bietet noch den wichtigen Vorteil, die ver-
schiedenen Schulen trennen, die Richtungen grup-
piren, die Werke bequem klassifiziren zu können.
Man begegnet nicht mehr, wie im alten Museum,
einem großen Gemälde von Rubens zwischen einem
van Bree und einem Brackeleer, gotischen Werken,
unter solche der Renaissance gemischt. So ergiebt
sich für den Laien eine Art instruktiver Kunst-
geschichte.
 
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