Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

DOI Artikel:
Das neue Museum in Antwerpen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0096

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
181

Das neue Museum in Antwerpen.

182

Die Mitglieder der Hängekommission, welche
in vier Monaten die Gemälde in den verschiedenen
Sälen angebracht, bewährten bei dieser Arbeit den
feinsten Geschmack und ein gediegenes Urteil.

Das neue Museum ist durch mehrere Gemälde
von großem Werte bereichert worden, unter anderem
durch das letzte Gericht von Van Orley und das
Selbstporträt des Martin de Vos, von den Hospizen
Antwerpens in Depot gegeben, ein Porträt von
Wiertz, Gemälde von Van Beers, Piet. Verhaert,
Scobbaerts etc., ein Geschenk des Herrn Schöffen
Van den Nest. — Auch hat man auf Veranlassung
des Bürgermeisters de Wael ein historisches Mu-
seum organisirt, welches alle auf die Geschichte
der Stadt Antwerpen bezüglichen Gemälde verschie-
denen Wertes enthält. — In den Galerien des Erd-
geschosses befindet sich eine Sammlung von Stichen,
Photographien etc., welche das Gesamtwerk des Ru-r
bens darstellt. Endlich sind in den Sälen des linken
Flügels die Skulpturen untergebracht, die noch kürz-
lich durch mehrere Preisarbeiten, unter anderen die
Büste M. Cuylits von J. de Bracheker, vermehrt
wurden. So ist denn der Wunsch der Antwerpen er
und der des ganzen kunstliebenden Belgiens erfüllt.
Das neue Museum Antwerpens ist eine prächtige,
der Heimatstätte des Rubens und- Van Dyck wür-
dige Schöpfung.

* *

■■;■

Vergleicht man den Bau in seiner Gesanitwirkung
ttut den preisgekrönten Plänen, so kommt man sofort
zu- der Überzeugung, dass derjenige von Winders
nur mit ganz unwesentlichen Abänderungen in seiner
ganzen Ausdehnung zur Ausführung kam, was denn
auch den König, als ihm die beiden Architekten vor-
gestellt wurden, zu der sehr richtigen Bemerkung
veranlasste: »Wie ist es möglich, dass zwei Intel-
"genzen in einem Gedanken arbeiten können!"

Der Bürgermeister unterbrach den König, indem
er meinte: „Sire, wir haben die beiden Architekten
Erheiratet."

«Die Verbindung hat eine sehr glückliche sein
müssen," erwiderte der König lächelnd, „denn ich
sehe ein Kind vor mir, das mir sehr vollkommen
konstituirt zu sein scheint,"

Wir glauben nichts Besseres thun zu können, als an
*e8er Stelle das königliche Urteil zu reproduziren. das
le treffliche Schöpfung am schönsten rharakU-risirt.

Der König, von seinem Kundgang zurück, war-
J^e sichtlich, bis sein ganzes Gefolge und das
l,hlikuin im Qhrenvestibüle versammelt war und
ag^ dann, ZUin Bürgermeister gewendet, mit M

lauter Stimme, dass jedermann es verstehen konnte:
.Herr Bürgermeister, als ich in Ihren prächtigen
Palast eintrat, haben Sie mich gebeten, mich erst dann
äussern zu wollen, nachdem ich alles gesehen. Nun-
mehr habe ich alles gesehen und ich habe geurteilt."
Sich zu den Architekten wendend, sagte er diesen:
„Meine Herren Architekten! Sie haben sich sehr um
das Vaterland verdient gemacht, denn durch Ihr
Talent haben Sie ihm ein Monument gegeben, das
dem glorreichen künstlerischen Rufe der Stadt eines
Rubens und Van Dyck vollkommen würdig ist. So-
bald wir in Brüssel ein neues Museum erbauen
werden, womit ich stark umgehe, werden wir Sie,
meine Herren Architekten, kopiren. Ich glaube, dies
ist das schönste Lob, das ich Ihnen erteilen kann!"
— „Herr Minister der öffentlichen Arbeiten", sprach
er hierauf zu Herrn Lefebvre, „unterzeichnen Sie in
meinem Namen das, was ich soeben den Herren Ar-
chitekten gesagt habe."

Im Weggehen dem Bürgermeister herzlich die
Hand drückend, beglückwünschte er ihn zu dem

grossartigen Werke und sprach seinen Dank aus.

* *

*

J. J. Winders, Architekt in Antwerpen (geb. 1849)
ist Preisträger der Königlichen Akademie der bil-
denden Künste und mehrerer in Belgien eröffneten
öffentlichen Preisausschreiben. Er ist der Schöpfer
des zur Erinnerung der Befreiung der Scheide er-
richteten Denkmals, dessen Ausführung ihm infolge
eines nationalen Wettbewerbes übertragen und dessen
Entwurf von den zum dritten Rubensjubiläum
(1877) abgeordneten französischen Künstlern sehr
bewundert wurde. Heute erhebt es sich stolz
auf einem Platze Antwerpens, nicht weit von dem
Ufer des Flusses, den es symbolisirt. Man verdankt
Winders das im gotischen Stile des 13. Jahrhunderts
erbaute Kathaus zu Gilly (Hennegau), die Entrepots
zu Antwerpen, Gebäude, die sich durch ihren sehr
originellen Charakter bemerkbar machen und vom
Kriegsdepartement benutzt werden, ferner eine große
Anzahl Häuser in dem malerischen Stile vlamän-
discher Renaissance, unter denen sein eigenes in der
Rue de Peage zu Antwerpen ein wahres Schatzkäst-
chen ist, bewundert von allen fremden Künstlern und
Touristen, endlich das neue Museum, eines der wich-
tigsten Gebäude Belgiens.

Winders leitet ausserdem ein Atelier, das von

einer Anzahl junger Architekten besucht wird, unter

denen schon viele sind, deren Arbeiten mit Erfolg

gekrönt wurden und welche die hervorragendsten

llungen einnehmen.
 
Annotationen