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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Rosenberg, Adolf: Ein neuer Ruisdael im Berliner Museum
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0199

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Korrespondenz.

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auf der Welt schönere Ruisdaels gäbe als sie und
drei oder vier andere von den zwanzig Landschaften
des Meisters, die damals in Manchester vereinigt
waren. Ihr völlig ebenbürtig war nur eine ähnlich
komponierte, 4' hohe und 6' breite Sumpflandschaft,
die sich im Besitze des Worcester College in Oxford
befindet.

Die Lage des europäischen Kunstmarktes ist
gegenwärtig eine derartige, dass selbst Meisterwerke
ersten Ranges wie dieses für einen verhältnismässig
niedrigen Preis zu haben sind, zumal wenn noch,
wie hier, der Umstand hinzutritt, dass das Angebot
von Ruisdaels größer ist als die Nachfrage. Wie
verlautet, ist die Landschaft für 2000 Pfd. angekauft
worden. ADOLF ROSENBERG.

KORRESPONDENZ.

Dresden, Ende März 1891.

Am 12. März dieses Jahres fand in Dresden
eine Sitzung der Stadtverordneten statt, die sowohl
wegen ihrer Bedeutung für die Baugeschichte der säch-
sischen Residenz, als namentlich auch wegen der
in ihr berührten Prinzipienfrage wichtig genug
erscheint, um das Interesse weiterer Kreise außer-
halb Dresdens in Anspruch zu nehmen. Für Dres-
den handelte es sich in dieser Sitzung darum, ob der
von den einheimischen Architekten in jüngster Zeit
mit Vorliebe angewendete sogenannte Renaissance-
stil als der für öffentliche Bauten in Dresden allein
zulässige gewissermaßen offiziell anerkannt werden
sollte oder nicht; das allgemeine Interesse aber
kommt ins Spiel, wenn man sich nach den Vor-
gängen im Dresdener Stadtverordnetensaal die Frage
vorlegt, ob es geraten ist, künstlerische Fragen,
bei denen es sich um Angelegenheiten des Ge-
schmackes handelt, einem vielköpfigen Kollegium,
das zumeist aus Laien besteht, zur Prüfung vorzu-
legen und durch Majoritätsbeschlüsse entscheiden zu
lassen. In beiden Fällen kann dem Kunstfreunde
die Antwort nicht schwer fallen: er wird beide
Fragen durchaus verneinen müssen, obwohl in dem
ersteren Falle die Majorität der Dresdener Stadtver-
ordneten sich für die Bejahung entschied, und bei
dem zweiten kein Zweifel aufkommen kann, dass
von beteiligter Seite nicht nur in Dresden, sondern
überall der Anspruch sobald nicht aufgegeben werden
wird, auch in Dingen des Geschmackes ein ent-
scheidendes Wort mitzusprechen.

Gegenstand der sehr erregten Debatte bildete
der im Auftrage des Rates von dem erst vor kurzem
von Berlin nach Dresden berufenen Stadtbaumeister

Rettig entworfene Plan für den Neubau des Neu-
städter Realgymnasiums. Dieser Plan wurde hin-
sichtlich des Grundrisses im wesentlichen von den
Stadtverordneten angenommen, dagegen die im Ba-
rockstile des 18. Jahrhunderts gehaltene Fassade des-
selben aus Liebe zur schönen Heimat verworfen.
Zur Begründung dieses Beschlusses, der von vorn-
herein bedenklich erscheinen muss, da bekanntlich
Grundriss und Fassade bei einem guten Bauplan
aufs engste zusammengehören und nicht getrennt
werden können, wie man etwa einen Rock ablegt,
um einen anderen anzuziehen, führte der Bericht-
erstatter, Stadtverordneter Zimmermeister Kammsetzer
aus, dass der Rettigsche Plan im „Hungerstil" des
ausgehenden 18. Jahrhunderts gehalten sei, und dass
man unmöglich dulden könne, dass in der Stadt, wo
Meister wie Semper und Nicolai gelebt und gewirkt
hätten, ein von Berlin herbeigezogener Architekt
einen so langweiligen Stil wieder einführe, der den
Stempel der Notbauten trage. Herr Kammsetzer be-
rief sich bei seinen Ausführungen auf Urteile von
Cornelius Gurlitt und Paul Schumann, die in ihren
Schriften die Dresdener Bauten vom Ende des 18. Jahr-
hunderts der Nüchternheit geziehen hätten, hat
aber offenbar die Meinung dieser beiden Herren
nicht verstanden, wie diese in einer im Dresdener
Anzeiger vom 25. März abgedruckten Erklärung be-
stätigen. Im übrigen bemerkte Herr Kammsetzer
weiter, sei er in der Verwerfung des Rettigschen
Projektes mit der ganzen Dresdener Architektenschaft
einig, von denen sich namentlich die Herren Bau-
rat Lipsius, Baurat Giese, Baumeister Eberhard,
Architekt Schreiber, Geheimer Oberbaurat Canzler,
Oberbaurat Wankel und Professor Weißbach teils
gegen die Fassade Rettigs, teils gegen die Wieder-
einführung des Barockstils in Dresden ausgesprochen
hätten. Herr Kammsetzer schloss mit einen Hin-
weis auf die ausschließlich von Dresdener Architekten
entworfene und von Dresdener Baumeistern aufge-
führte König-Johannstraße, auf die nach seiner
Meinung jeder Dresdener stolz sei. „Nun denke man
sich die König-Johannstraße in diesem (dem Rettig-
schen) Stile erbaut, er glaube, kein Mensch würde
durch diese Straße gehen, aus Furcht, ob der Lang-
weiligkeit der Fassaden einzuschlafen." Die Fassa-
denplanung Rettigs sei also abzulehnen.

Diesen lokalpatriotischen Auseinandersetzungen
des Herrn Kammsetzer, die sich in dem Munde des
Redners allerdings etwas seltsam ausnahmen, da er
und seine Freunde selbst mehr oder weniger an dem
Bau der König-Johannstraße beteiligt waren, und
 
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