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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [1]
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Die Stuttgarter internationale Kunstausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0207

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403

Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause. — Die Stuttgarter internationale Kunstausstellung.

404

dem Arbeiterstande angehörige Gestalten, vielleicht
Vater und Tochter, wanken auf schmutziger, ein-
töniger Strasse am späten Abend der Herberge zu.
Von ferne blinkt ein Lichtlein aus einer armseligen
Hütte. „Dort ist die Herberge", spricht der müde
Mann zu dem Mädchen, das er halb schleppend am
Arme führt. Diese Worte, sie sind der versöhnende
Lichtstrahl in der düsteren Stimmung, die über
das ganze Bild ausgegossen ist. Uhde's Gemälde
ist aber eine künstlerische That vornehmster Art,
eine Dichtung, welche auf den Beschauer weit har-
monischer und tiefer wirkt, als so manches kolo-
ristische Kunststück in spiegelglatter Ausführung,
aber ohne Inhalt.

Wir wollen durchaus nicht wünschen, dass mit
Uhde's Richtung die Farbenfreudigkeit in der Malerei
zu Grabe getragen werde; lehrreich ist es aber
immerhin für die Koloristen, wie mit Straßenstaub
in grauem Nebel gedankentiefe Bilder gemalt wer-
den können. Wenn auch die Kunst nach Brot
gehen muss, so braucht sie denn doch nicht in die
geistlose Schablone zu verfallen. Wie selbst tüch-
tige Künstler allmählich im Selbstkopiren verflachen,
das zeigt leider manches Bild auf der Ausstellung.
Die verschiedenen Ninettas, Invaliden und feisten
Klosterbrüder, sie mögen freilich noch ihre Käufer
finden, aber das Gros des Publikums geht heute
bereits kühl an diesen Wiederholungen vorüber; mit
der glanzvollen Technik allein reicht man im An-
gesichte des geistigen Umschwunges in der Malerei
heute eben nicht mehr aus. So wie sich die Ope-
rette ausgelebt hat und heute das realistische Volks-
drama die Menge zum Beifall hinreißt, so vollzieht
sich auch eine ähnliche Wandlung in der Kunst,
und speziell in der Malerei; man sehnt sich wieder
nach Inhalt und verzichtet auf die prunkvolle Aus-
stattung. So hat Bene Beinicke die Ausstellung
wieder. mit einer Anzahl grau in grau gemalter
Bilder beschickt, welche die Meisterschaft des junT
gen Künstlers im Erfassen moderner Gesellschafts-
szenen aufs neue dokumentiren. Sein „Aschermitt-
woch", wie die alte Lumpensammlerin nach rück-
wärts schaut, wo im Morgengrauen ein nobles Pärchen
vom Balle heimkehrt, ist ein schneidiges Sittenbild,
wie in solcher Sprache wenige auf der Ausstellung
zu finden sind. — Nicht ferne davon hängt eine
Reihe ebenfalls grau in grau gemalter, für die Repro-
duktion bestimmter Bilder von Zygmund Ajdukiewicz
„zur Geschichte Kosciuszkos", die in der feinen
Durchgeistigung der Gestalten und der eigentüm-
lichen Romantik der Szenen an Grottgers Polen-

bilder erinnern. Grottger, Matejko, Siemiradski, Brandt
etc. alle aufragenden Künstlertalente Polens sind
energische Naturen, die das Reale künstlerisch zu
verwerten verstehen; es mag das natürliche Tem-
perament mit Ursache sein, dass sie der Wirklich-
keit ungebundener zu Leibe gehen, als die Deutschen
es vermögen.

Die Ausstellung führt diesmal einen neuen
Namen aus Krakau, Casimir Bochwalski, als Bildnis-
maler par excellence ein. Seine vier Männerbild-
nisse zeigen eine solche Prägnanz der Auffassung
und eine so vollendete Technik, namentlich in der
Behandlung des modernen Kostüms, dass so ziem-
lich alles andere dagegen abfällt, mit Ausnahme der
beiden Porträts von Angeli, von denen das eine das
seelenvolle Bildnis des Fräulein Irene Dumba ist.

Halten wir Umschau unter den Genrebildern,
die von der breiten Fahrstrasse des Gewöhnlichen
abweichen und durch künstlerische Eigenart den
Beschauer fesseln, so müssen wir zunächst bei
J. Israels aus dem Haag einkehren, von welchem eine
ganze Serie von Ol- und Aquarellbildern und Radi-
rungen in einer kleinen Separatausstellung vorgeführt
sind. Israels ist wohl in den deutschen Ausstel-
lungen mehrfach bekannt geworden, in Wien ist
sein Name neu und seine Arbeiten nehmen unsere
Aufmerksamkeit um so lebhafter in Anspruch, als
sie eine gewisse Verwandtschaft mit der Richtung
Uhde's zeigen, wenngleich bei seiner Kunst auch
„Rembrandt als Erzieher" nahe gestanden hat. Seine
Bilder sind durchweg Stimmung in der ganzen Be-
deutung des Wortes: friedlich, beschaulich, aber
etwas düster und schweigsam. Strenge Form und
feineren Seelenausdruck vermissen wir; bei ihm
spricht nur das Ganze, nicht das Detail. Die „Fischer-
frauen aus Scheveningen, Netze flickend" sind in Öl
und Aquarell vorhanden, und namentlich diese bei-
den Bilder geben einen interessanten Einblick in die
dem Künstler eigenartige Darstellungsweise. Vollste
Beachtung verdienen auch Wilm Steelinks Radi-
rungen nach Gemälden des Künstlers.
(Fortsetzung folgt.)

DIE STUTTGARTER INTERNATIONALE
KUNSTAUSSTELLUNG.

(Fortsetzung.)

Gabi-iel Max hat hier viele überrascht. Denn
| außer den „Visionen" und der „Ägyptischen Königs-
' tochter" sehen wir von ihm im Renaissancestil ohne
| Sentimentalität die „Seifenblasen", eine Allegorie für
 
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