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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 2.1890/​91

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Lützow, Carl von: Noch einmal der Frankfurter "Correggio"
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Zimmermann, Max Georg: Karl Eduard von Liphart
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https://doi.org/10.11588/diglit.3773#0257

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501

Karl Eduard von Liphart.

502

unsern Artikel über das Thodesche Bild den Aus-
spruch des Polomus citiren hören: „Ist es gleich
Tollheit, hat es doch Methode". Wir könnten ihm,
wenn wir eine hoshafte Anspielung machen wollten,
mit Bezug auf die Thodesche Acquisition für das
Städelsche Institut vielleicht einen anderen, passen-
deren „Büchmann" citiren, nämlich: „Die schönen
Tage in Aranjuez sind nun zu Ende!" Aber Herrn
Bode gegenüber muss man viel deutlicher sein. Wir
machen ihm also folgenden Vorschlag:

Es sei ein Schiedsgericht zu ernennen, welchem
die nachbenannten Gegenstände vorzuführen wären:
1) Der von Herrn Bode aus dem Berliner Depot
hervorgeholte „Lionardo" und 2) der von Herrn
Thode für die Frankfurter Galerie erworbene „Cor-
reggio", und welches Schiedsgericht dann einfach
nach dem Worte des Polonius über den Wert der
von Herrn Bode über seinen „Lionardo" und von
uns über den Thodeschen „Correggio" geschriebenen
Abhandlungen zu entscheiden hätte. Wir zweifeln
— ohne unbescheiden zu sein — keinen Augenblick
daran, wo das Gericht die „Tollheit" finden würde
und wo die „Methode".

C. v. L.

KARL EDUARD VON LIPHART.

Wenige giebt es, welche das Studium der Wissen-
schaften nur des Genusses halber betreiben, schon
weil dazu eine von den Nöten und Pflichten des
Lebens völlig unabhängige Stellung gehört; zudem
reißt die moderne Zeit viel zu mächtig in ihren
Wirbel, es reizt viel zu sehr, mitgestaltend in die
reiche, kräftige, thatenerfüllte Gegenwart einzugreifen.
Aber einen mächtigen Zauber üben gerade auf die
Jüngeren diejenigen Männer aus, welche einsam und
selten aus vergangener Zeit herüberragen, und deren
Wissen auf ganz anderen Grundbedingungen aufge-
baut ist. Es sind Männer, welche keinen anderen
Anreiz zum Studium hatten, als den tief innerlichen
Trieb zu lernen, ihre Bildung nach allen Richtungen
gleichmäßig auszugestalten, in allen ihren Kennt-
nissen auf der Höhe des jeweiligen Standes der sie
beschäftigenden Wissenschaften zu stehen. Immer
geringer ist die Zahl dieser Männer geworden, und
wer von ihnen jetzt erst stirbt, muss schon ein
hohes Greisenalter erreicht haben. So war Karl
Eduard von Liphart, dessen Verlust uns kürzlich
mit tiefer Trauer erfüllt hat, ein Greis von 82 Jahren,
einer der edelsten Vertreter dieses aussterbenden
Typus.

Dass dem Dahingeschiedenen vor allem in den
Spalten einer kunstwissenschaftlichen Zeitschrift ein
Denkmal gebührt, erscheint diesem umfassenden Geist
gegenüber fast wie ein Zufall, herbeigeführt durch
seine zufällige Vorliebe für kunstgeschiGhtliche Stu-
dien bei allseitiger Begabung. In den Tagen der
heranreifenden Jugend den mathematischen Studien
besonders zugeneigt, versprach Liphart in den zwan-
ziger Jahren seines Lebens in den Natur- und me-
dizinischen Wissenschaften Vorzügliches zu leisten,
darauf wandte sein forschender Geist sich sprachlichen
und litterarischen Studien zu, Geschichte und Politik
beschäftigten ihn, dann erst erkannte er das Haupt-
studienfeld seines Lebens die Geschichte der bilden-
den Künste, ohne dabei das Interesse für die andern
Wissenschaften zu verlieren, in späteren Jahren trat
ein umfangreiches theologisches Wissen dazu, er
beherrschte die antiken und die Sprachen der mo-
dernen Kulturvölker.

Karl Eduard von Liphart wurde auf dem Stamm-
gute seiner Familie Rathshof nahe bei Dorpat im
August 1808 geboren und daselbst bei seinem Groß-
vater erzogen. Derselbe besaß eine große Bibliothek
von Werken der französischen Encyklopädisten und
war selbst, als er in Kolmar studirte, zu Voltaire
nach Ferney gewallfahrtet. Der erste Lehrer des
jungen Liphart war ein Genfer und die erste Wissen-
schaft, die ihn besonders anzog, die Mathematik.
In derselben hatte er es im vierzehnten Jahre so
weit gebracht, dass sein Lehrer dem Großvater er-
klärte, nun müsse man sich nach jemand anderem
umsehen, denn der Schüler sei so weit wie der Lehrer.
Der Mathematiker der Dorpater Universität, Pr°'
fessor Bartels, wollte ihn als zu jung nicht zu seinen
Vorlesungen zulassen, und gab ihm, um ihn au
absurdum zu führen, eine raffinirt schwierige Auf-
gabe zur Lösung. Still und bescheiden machte
Liphart sich an dieselbe. Der Professor erstaunte:
so eigenartig, wie Liphart es that, hatten die Studen-
ten auch nach Absolvirung ihrer Studien ihre Aufgab
nicht gelöst. Mit gleichem Eifer und gleichem Erfolge
betrieb Liphart anatomische Studien. Durch Bein6
Freundschaft mit dem später weltberühmten Chi-
rurgen Pirogoff, der ihm in seinen „Erinnerungen
an Dorpat" (Neue Folge II) ein schönes Denl<»i:l
gesetzt hat, wurde er darin noch mehr bestärkt un
unterstützt. Er zeigte auch besonderes Talent
Physiologie und Chirurgie und schloss sich aui l1''"
Universitäten Dorpat, Königsberg und Berlin, welche
er nach einander bezog, besonders an Protess
Rathke, den vielseitigen Karl Ernjt von Biier, welche»
 
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