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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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189

190

BÜCHERSCHAU.

Gabriel von Terey, AlbreeM Dürer s venezianischer Auf-
enthalt von 1494-1495. Straßburg, J. H. Ed. Heitz. 1892. 4.
Wenn wir in vergangenen Jahren von der Wert-
schätzung Dürers jenseits der Leitha hörten, bandelte es sieb
in den meisten Fällen um die Frage nach der Abstammung
des Meisters, nach der ursprünglichen Nationalität seiner
Familie. Es ist nun ein erfreuliches Zeichen, dass ein junger
Kunsthistoriker, der Ungarn seine Heimat nennt, aber seine
wissenschaftliche Ausbildung zumeist in Deutschland em-
pfangen hat, an die Lösung der Frage nach Dürers erster
Reise nach Venedig gegangen ist. Die unmittelbare Veran-
lassung zur Behandlung dieser Frage bot Daniel Burckhardts
ebenso anregendes als zum Widerspruch reizendes Buch:
„Albrecht Dürers Aufenthalt in Basel 1492—1494", in welchem
bekanntlich die erste italienische Reise in Abrede gestellt
und angenommen wurde, der Nürnberger Meister habe die
Zeit vom 25. April bis 28. August 150(3 fern von Venedig
und zwar in den Tiroler Bergen zugebracht. Diesen Behaup-
tungen tritt v. Terey unter Aufgebot aller irgendwie bedeut-
samen litterarischen und künstlerischen Zeugnisse entgegen:
er führt die Hauptstellen aus den Briefen Dürers an Pirk-
heimer an und giebt der Überzeugung Ausdruck, dass eine
Reise nach den Tiroler Bergen, zu welcher übrigens auch
keine Veranlassung vorlag, gewiss dem Busenfreunde ge-
meldet worden wäre; er weist auf die ungemein rege und
ergebnisreiche Thätigkeit des Meisters in Venedig hin, welche
eine Unterbrechung, eine längere Abwesenheit nicht gestattet
hätte; er gedenkt der misslichen materiellen Lage des Meisters,
welche solchen Reisen nicht gerade günstig war, und bezieht
das „rediisset" in der bekannten Stelle bei Scheurl: „Qui
cum nuper in ltaliam rediisset" auf einen früheren Aufent-
halt Dürers in Italien. Fast gleichzeitig mit Terey unter-
suchte übrigens auch Prof. Dehio in den „Göttingischen ge-
lehrten Anzeigen" (Nr. 23) dieselben Fragen: hat eine
Jugendreise nach Italien stattgefunden und in welchem Jahre?
Hat Burckhardt den Beweis erbracht, dass Dürer in seinen
Wanderjahren 1490—94 sich nicht in Venedig aufgehalten
hat, so kommen nun Dehio und Terey zu dem Schlüsse,
Dürer habe nach seiner Verehelichung im Jahre 1494 eine
Reise unternommen, die bis ins Jahr 1495 hinein dauerte.
Dehio sowohl als Terey legen ihren Ausführungen so ziem-
lich das gleiche Beweismaterial zu Grunde: die von Ephrussi
mit Unrecht in die Jahre 1505—1507 verwiesenen Zeich-
nungen in der Albertina und in den Uffizien, ferner die
Zeichnung nach Credi bei Baron Schickler (Paris), dann die
venezianischen Kostümstudien in der Albertina (vgl. Springer,
Dürer, S. 162) und die Zeichnung des Apollo und der Diana
im Britischen Museum. Um sich in die italienische Formen-
welt völlig hineinzuleben, um mit der Gedankenwelt Man-
tegna's so innig vertraut zu werden, dazu genügten nicht
einige nach Deutschland gebrachte italienische Kupferstiche:
v. Terey betont, dass sich einzelne Blätter aus der Apoka-
lypse, dann das dreiteilige Altarwerk der Dresdener Galerie
überhaupt nur im Zusammenhalte mit Werken Mantegna's
und Bellini's erklären lassen, und Dehio äußert sich eben
im Hinblick auf dieselben Schöpfungen des Nürnberger
Meisters in ähnlicher Weise, v. Terey schließt seine Beweis-
führung mit der treffenden Bemerkung, erst dann, wenn wir
eine erste italienische Reise von 1494—95 gelten ließen
würde sich der offenbar auf Jacopo de' Barbari bezügliche
Satz: „Das Ding, das mir vor eilf Jahren so wohl gefallen
hat, das gefällt mir jetzt nicht mehr; und wenn ich's nicht
selbst sähe, so hätte ich keinem andern geglaubt" u. s. w.

ohne Zwang deuten lassen. Das gesamte Beweismaterial für
die erste italienische Reise, an der übrigens nur wenige
zweifelten — Thausing, Wickhoff, W. v. Seydlitz, W. Schmidt
und andere haben schon früher wichtige Argumente dafür
beigebracht — wird von Herrn v. Tdrey geschickt zusammen-
gestellt und überzeugend ins Treffen geführt. Es lässt sich
auch gegen die Festsetzung der Zeit der ersten italienischen
Reise schwerlich ein Einwand erheben; das psychologische
Bedenken, welches sich etwa im Hinblick auf die Trennung
der erst kurze Zeit Vermählten geltend machen ließe, scheint
mir doch nicht stichhaltig genug, um ernstlich in Betracht
kommen zu können. Terey's eingehende und treffende Kritik
des Burckhardt'sehen Werkes, die hier die Gestaltung einer
ungemein luxuriös ausgestatteten Schrift (30 Seiten)1) ange-
nommen hat — als „Fortsetzung" zu dem Buche Burckhardts
bezeichnet sie etwas ängstlich der Verfasser — bedeutet also
einen Fortschritt unserer historischen Erkenntnis des großen
Meisters selbst in kleinen Einzelheiten. Die sieben Licht-
drucke, welche der Studie beigegeben sind, beweisen, wie
ernst und gewissenhaft der Verfasser seine Beweisführung
nahm. Die kleine Schrift ist demselben, gegen dessen Aus-
führungen sie gerichtet ist, nämlich Daniel Burckhardt, „in
Freundschaft zugeeignet" — auch in dieser Widmung liegt
ein lobenswerter Fortschritt: die frische Polemik auf wissen-
schaftlichem Boden braucht niemals in gehässiges Gezänke
auszuarten. FR. LT1I.

Bibliographie der Schweizerischen Landeskunde:

Architektur, Plastik und Malerei. Zusammengestellt von
Dr. Berthold Haendcke, Privatdozent der Kunstgeschichte
an der Universität Bern. Bern, K. J. Wyss. 1892. 8U.
100 S.

Eine sehr verdienstvolle, fleißige und durch übersichtliche
Anordnung ausgezeichnete Arbeit, deren Wert noch durch
ein sorgfältiges Namen- und Sachregister erhöht wird. Im
ersten Abschnitt citirt der Herausgeber die allgemeinen, die
Schweiz betreffenden Werke für alle drei Künste, und in
den drei folgenden Abschnitten behandelt er jede der drei
Künste einzeln, indem er zunächst wieder die zusammen-
fassenden Schriften anführt und dann die Monographien,
Abhandlungen, Aufsätze in Zeitschriften u. s. w., die sich
auf einzelne Denkmäler und auf einzelne Künstler beziehen,
nach topographischen Gesichtspunkten oder in alphabetischer
Folge anordnet. Es ist erstaunlich, wie reichhaltig die ein-
schlägige Litteratur im Verhältnis zur Kunstproduktion des
kleinen Landes ist, dessen künstlerische Interessen übrigens
im Spiegel dieser Bibliographie in einem weit günstigeren
Lichte erscheinen, als es die häufig erhobenen Klagen über
den Mangel an Kunstliebe in der Schweiz erwarten ließen.
Dabei erhebt der Verfasser nicht einmal Anspruch auf Voll-
ständigkeit seiner Literaturnachweise. Da er in der Vorrede
um Ergänzung bittet, wollen wir ihm wenigstens einen
Beitrag liefern, indem wir ihn auf die kleine, aber inlialt-
reiche Schrift „Die Brunnen in der Schweiz, Denkmäler
der Kunst- und Kulturgeschichte" von Dr. phil. Glaere
Schubert (Frauenfeld 1885, J. Huber's Verlag) aufmerksam
machen, die noch deshalb besonderes Interesse beansprucht,
weil sie die Promotionsarbeit einer jetzt in Berlin lebenden
Dame ist, die in Zürich Kunstgeschichte studirt hat. A. Ii.

—n. Jacob Burckhardt's Cicerone ist soeben in sechster Auf-
lage erschienen. Sie erweist Bich als eine wesentlich ver-
besserte, wenn es auch auf dem Titel nicht gesagt wird.

1) Ich muss indes bemerken, dass der Text auf S. 9 beginnt und
S. 24 endet; dann folgen wertvolle Anmerkungen.
 
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