Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

DOI Artikel:
Kunst unserer Zeit in Kölner Privatbesitz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0028

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
AtfAO.USEH.

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XXIII. Jahrgang

1911/1912

Nr. 3. 27. Oktober 1911.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

KUNST UNSERER ZEIT IN KÖLNER
PRIVATBESITZ

Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum zu Köln

Das Wallraf-Ricliartz-Museum feiert in diesen Tagen
seinen fünfzigsten Geburtstag mit einer Ausstellung,
in der Direktor Dr. Hagelstange zusammengetragen
hat, was an neuzeitlicher lebender Kunst in Kölner
Privatbesitz befindlich ist.

Man durfte — man mußte gespannt darauf sein,
wie weitere und weiteste Kreise diese Gabe aufnehmen
würden, wie man beurteilen werde, was heimischer
Sammlerfleiß in Kölner Häusern zusammengetragen.

Und nun?

Kölnische Art und rheinische Kunst und deutsches
Wesen seien in Gefahr, so mußten wir's der Tage
— wieder einmal — lesen und wer die Zeitung nicht
lesen mochte oder konnte, dem raunt's geheimnis-
voll der Kundige zu!

Wie denn?

Wär's wirklich Sorge um die Kunst, die den
braven Bürger vom Biertisch aufpeitscht? Wäre der
nicht mehr Kunstfreund in Köln, dem ein Düsseldorfer
»Genre«bild über dem Sofa hängt und nicht der
mehr Mäzen, der im »Malkasten« sich einen Zipfel
Bowlenenthusiasmus holen durfte? Wär's wirklich
modische Französelei, die sich in den Sälen des
Kunstvereins breit macht und den ehrlichen Düssel-
dorfer Sammetflaus verjagen möchte?

Unruhig macht man sich auf den Weg, auf
Schlimmstes gefaßt! Und findet im ersten Saal Lei-
stikow und Stuck und Böcklin, noch eine Variante
der »Insel der Seligen«! Von Trübner ein glückliches
Werk: Schloß Hemsbach, mit feiner, delikater Behand-
lung der Töne, und ein feines nachdenkliches Bild
aus den Dünen von Israels, Bilder von Fritz von Uhde
und als reifstes die kleine Danaide von Rodin.

Im Nebensaal ein merkwürdig dunkler Zügel,
liebenswürdig melancholische Landschaften von Claren-
bach, aus seiner früheren Zeit, ein klares holländisches
B'ld von Paul Baum und ein Bildnis von Kalckreuth,
gewissenhaft bis zur Trockenheit, dann zwei Werke
e>nes »Jungen«, M. May, die viel versprechen.

. Im nächsten Saale, dem Eintretenden gegenüber,
^'n zierlicher Lebasque, ein Zorn daneben von puppen-

a ter Eleganz und der üblichen »Flottheit«, ein köst-
les ^al'erinenbild von Degas und ein großes Werk
nofer. Dann eine Reihe von Bildern Lieber-

manns, die eine der schönsten Überraschungen dieser
Ausstellung sind, allen voran die »Badenden Jungen«,
das zu den geistreichsten Bildern der neuen deutschen
Malerei gehört, Dünenbilder daneben, ein Bauern-
hof und eine kleine sprühende Studie aus Holland.
Ein wesensverwandtes Gartenbild von Slevogt. Ein
hübscher Akt von Guerin und ein interessanter Rolfs
bilden die Verbindung mit dem nächsten Saale.

Gauguin mit einem lustigen Strandbild und Vla-
minck mit einem temperamentvollen Blumenstück,
Hodler mit einem etwas pretiösen Akt beherrschen
die Menge; ein ernster, reifer Derain, ein sauberer
heller Buri und daneben junge deutsche Bilder: eine
Pferdeweide von Rösler und eine schöne Voralpen-
landschaft von Ebers, ein Bildnis von Brüne dann,
das alte und neue Malkunst zu versöhnen strebt, und
noch ein Slevogt!

Der letzte Saal: Amiet mit leuchtenden Stilleben
und einem Figurenbild »Mutter und Kind«, die zeigen,
wie er in seiner starken Schweizerart die neuen An-
regungen in der Kunst zu verarbeiten sucht; Serusier,
der die Romantik seines Freundes Gauguin in die
stille Beschaulichkeit der Bretagne überträgt; ein Still-
leben von Paula Modersohn, die die nordisch melan-
cholische Variante eines Cezanne gibt, und E. R. Weiß,
dessen Stilleben Cezannische Farbenfreude mit Bieder-
meiereleganz verknüpft. Die Perle des Saales wohl
ein Akt von Manguin, duftig und farbenfroh.

Bilder von Jouvenceau, Campendonck und Herbin
sind mehr oder weniger glückliche Typen neu-
französischer Kunst.

Ist's nun wirklich ein Folgen Schritt für Schritt
neben dem schaffenden Künstler, das uns die Aus-
stellung zeigt? Ist manches nur angekauft aus Lust
am Frondieren, der eigenen Geschmacksentwicklung
vorauseilend, nur um den Bruch mit einer alten
morschgewordenen Tradition kräftigerzu unterstreichen?

Düsseldorf, und nicht etwa das Gute, das dort
in den letzten Jahrzehnten meist von Außenseitern
geschaffen wurde, hat so lange Köln und die
Rheinlande mit seiner Kunststapelware überschwemmt,
daß ein solcher Rückschlag eintreten durfte, ja mußte!
Nie wieder wird man den Kunstfreund und den bilden-
den Künstler in jene längst ausgefahrenen Geleise zurück-
lenken können — wer die Schreier auch sein mögen!

Und das ist die Lehre dieser Ausstellung neuzeit-
licher Kunst aus Kölner Privatbesitz!
 
Annotationen