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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Literatur

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gestiftet werden sollen, Photographien vorlegen läßt —
Schwarzweißabbildungen also,die doch immer nur einen annä-
hernden Begriff vom Aussehen der interessanten Bilder und
Skulpturen vermitteln können. Da wird es von Bedeutung
sein, daß zwischen der Leitung der Galerie und dem Mon-
archen eine Persönlichkeit steht, die eher als alle andern
in der Lage ist, ihm mündlich eine Erläuterung zu den ge-
sandten Photographien zu geben. Auch hier also ist ein
unmittelbarer Vorteil zu gewärtigen. Sodann aber erfordert
es einen Hinweis, daß die neue Kommission nur eine
Minorität von schaffenden Künstlern aufweist. Das hängt
mit der immer weiter um sich greifenden Erkenntnis zu-
sammen, daß Künstler selbst nur in den seltensten Fällen
geeignet sind, Angelegenheiten der Kunst wirksam zu
fördern, geschweige denn zu leiten. Der Irrtum, der früher
dazu führte, berühmte Maler zu Direktoren an Museen zu
machen, ist längst aufgeklärt. Man weiß, daß sie — und
das ist natürlich und involviert gar keinen Vorwurf gegen
sie — allzu sehr zu Einseitigkeiten im Urteil neigen, und
daß dem wissenschaftlich gebildeten und praktisch erzo-
genen Kunsthistoriker und Museums-Fachmann meist eine
größere Objektivität zur Verfügung steht. So hat man die
alte Künstlermajorität der Landeskunstkommission gleich-
falls nicht als förderlich erkannt und nun die Konsequenzen
gezogen. Man erhofft sich von dem Wirken der neuen
beratenden Körperschaft das Allerbeste, zumal da sämt-
liche Mitglieder in Berlin selbst seßhaft sind.

+ München. Die Thannhausersche Kunsthandlung
»Moderne Galerie« veranstaltet in diesem Winter einen
Vortragszyklus über moderne Kunst. Es werden sprechen:
1. Dr. Georg Biermann-Berlin über »Kulturgeschichte der
Kunst« (zum Werden der Moderne), 2. Dr. Martin Wacker-
nagel-Halle a. S. über »Ferdinand Hodler«, 3. Julius Meier-
Graefe über »Hans von Marees«, 4. Dr. Alfred Hagelstange-
Köln »Von Manet bis van Gogh«, 5. der bekannte Sammler
Karl Ernst Osthaus über »Kunstsammeln«, 6. Prof. Dr.
Karl Voll über »National und International in der Kunst«.

LITERATUR

Paul Klopfer, Von Palladio bis Schinkel. Eine Charak-
teristik der Baukunst des Klassizismus von Dr. Ing. Paul
Klopfer, Direktor der Großherzoglichen Baugewerken-
schule in Weimar. Mit 261 Abbildungen im Text. Eß-
lingen a. N. Paul Neff Verlag, 1911.

Als 9. Band der großen, von Franz Kugler und Jacob
Burckhardt begonnenen »Geschichte der Neueren Baukunst«
führt sich dieses Buch in die kunsthistorische Literatur ein.
Chronologisch bildet es den direkten Anschluß an Gurlilts
Geschichte des Barock-Stiles, des Rokoko und des Klassi-
zismus, in die es sich, wie schon der Titel der letzteren
besagt, eng verzahnt. Die allgemeine Anlage ist eine sehr
übersichtliche. In einem einleitenden Diskurs über Namen
und Begriff des Klassizismus, den der Verfasser »als ein
schulhaftes Vorkehren eines als klassisch anerkannten Dog-
mas« definiert, wird mit Recht Kritik geübt an dem Namen,
der sich für sich diese Stilrichtung eingebürgert hat. Die
Bezeichnung Klassizismus schließt den Begriff des Nach-
ahmens ein; da Klassizismus aber, wie wir allerdings erst seit
wenigen Jahrzehnten wissen, oft reiner klassischer Stil sein
kann, so steckt allerdings ein Widerspruch in diesem Sammel-
namen, an dessen Stelle aber auch der Verfasser keinen
^esseren zu setzen weiß. Es folgt ein erster Hauptteil,
er eine geschichtliche Darstellung der klassizistischen Bau-
ais H ^rin^' nacn Nationalitäten gesondert, wobei Italien
neimat Palladios, des »Vaters des Klassizismus«, mit
u6 an eister Stelle figuriert. Diese Teilbeobachtung der
nationalen und provinziellen Nuancierungen des Stiles hat

den Verfasser leider daran gehindert, sei es am Anfang,
sei es am Schlüsse dieses geschichtlichen Umrisses, ein
zusammenhängendes Bild der doch in sehr merkwürdigen
Linien verlaufenden Entwicklung der Baukunst des Klassi-
zismus zu geben. Wohl erhält man eine klare Einsicht in
das ganz einzigartige zeitliche Ineinandergreifen der drei
Stile des Barock, des Rokoko und des Klassizismus, ein Kampf-
bild, das die am meisten grotesken Formen in Frankreich
annimmt, aber nur mangelhafte Aufklärung erhält der Leser
über die wesentlichen Wandlungen, die der Klassizismus,
als kontinental-durchgehender Baustil betrachtet, von Pal-
ladios bis zu Schinkels Zeiten durchmacht. Nicht genügend
betont sind z. B. die scharfen Stilgegensätze zwischen dem
Zopf (Louis XVI.), diesem mit größter Souveränität die
antiken Formen benutzenden, elegant tändelnden Stil, und
dem frühen, strengen Empire (Neuklassizismus), der mit
wissenschaftlicher Pedanterie der Antike gegenübertritt und
allein in archäologischer Akribie seinen Ehrgeiz sucht. Wie
dann im Laufe der Entwicklung auch im Empire eine freiere
Richtung sich wieder geltend macht, wie dann dieser an-
tikisierende Stil schließlich in die naiven Formen des Bieder-
meier übergeht, das alles kann der Eingeweihte wohl
zwischen den Zeilen herauslesen, hätte aber in einer histo-
rischen Darstellung des Stiles, lieber zu ausführlich als zu
knapp, unbedingt auseinander gesetzt werden müssen.
Herrscht doch gerade über die Zeit des Klassizismus viel-
fach eine merkwürdige Verwirrung der Begriffe, die Klopfers
Buch doch eben nur teilweise zu klären imstande sein wird.

Der zweite Hauptteil — er nimmt vier Fünfteile der
gesamten Arbeit ein — führt den Titel: Der Klassizismus
in seinem Verhalten zu den Kulturabgaben. Er versucht
»die Schöpfungen der klassizistischen Baukunst als Funk-
tionen der zeitgenössischen Kultur aufzufassen und zu wer-
ten«. Unter diesem gewiß sehr gesunden und fruchtbaren,
aber doch wohl etwas einseitigen Gesichtspunkt, werden
die großen Bauaufgaben der Zeit: Kirchenbau, Theaterbau,
Justiz- und Verwaltungsbau bis hin zu den Stadttoren, Plätzen
und Anlagen der Reihe nach durchgesprochen, wobei kein
für die Entwicklung wichtiger Bau ausgelassen ist. Für
eine Zeit, wo der Nutzbau solche Bedeutung zu erhalten
beginnt wie während des Klassizismus, war diese Art der
Disponierung des Stoffes besonders gerechtfertigt. Wenn
der Verfasser freilich in der Aufgabe, die die Kultur an
den Stil stellt, die treibende Kraft erblickt, die aus einem
klassizistisch-nachahmenden einen klassisch-schöpferischen
Stil zu bilden imstande sei, so unterschätzt er da doch das
persönliche künstlerische Ingenium. Wohin kommt man
mit diesem Satz, wenn man ihn auf die Gebiete der Malerei
und Bildhauerei projiziert! In seinen Analysen verrät der
Verfasser ein feines künstlerisches Verständnis und sicheren
Qualitätssinn. Seine Denkmälerkenntnis läßt ihn, soweit
ich beurteilen kann, nur für Rußland im Stich, dessen
klassizistische Baukunst er geringschätzt und als unnational
erklärt. Nicht mit Unrecht aber hat man gesagt, daß der eigent-
liche russische Baustil der klassizistische Stil und das Em-
pire seien, denn gerade dieser Stil hat sich wunderbar den
nationalen und kulturellen Eigenheiten des Landes ange-
paßt. Auch ist der russische Klassizismus durchaus nicht
nur von ausländischen Architekten gemacht. Den Haupt-
namen unter den russischen Architekten dieser Epoche,
Wassilij Iwanowitsch Baschenow (1737 in Moskau geb.)
findet man freilich nicht einmal erwähnt. — Das zum Schluß
angehängte Künstlerregister ist leider recht unzureichend
ausgefallen; aus welchen »Quellen« der Verfasser hier ge-
schöpft hat, ist mir nicht klar geworden. Die biographischen
Angaben sind nicht nur lückenhaft, wohin man auch greift,
sondern auch z. T. direkt falsch. Ganz unzureichend sind
z. B. die Angaben über den sehr geschätzten Hamburger
 
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