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Anmerkungen zu den Rubensbildern der Alten Pinakothek in München
262
Einzelne Partien des Bildes stimmen jedoch mit diesem
Befunde nicht überein. Man wird sich diese Erscheinung
nicht anders erklären können, als dadurch, daß man an-
nimmt, eine kleinliche Hand habe versucht, das Bild später
auszumalen. Vor allem im Hintergrund ist die Übermalung
deutlich zu erkennen; solch fettgetupfter Baumschlag ist
Rubens fremd.
746. Christus und die Reuigen Sünder. ». . . Rooses
Nr. 381: um 1615.«
Die Datierung »um 1615« ist sicher zu früh! Offenbar
hat die Ähnlichkeit der Christush'gur mit der entsprechen-
den Gestalt auf dem »Ungläubigen Thomas« in Antwerpen,
der allerdings um die angegebene Zeit entstanden ist, zu
dieser Datierung verführt. Aber gerade der Vergleich
dieser beiden Figuren zeigt, daß die Münchener Kompo-
sition später, um 1620, entstanden sein muß.
748. Christus am Kreuz. «... Rooses Nr. 297: um 1612.
Rosenberg: 1612—15.«
W. Bode setzt die Entstehung dieses Bildes, und zwar
völlig überzeugend, später, gegen 1620, an (Zeitschr. f. b K.,
N. F. XVI, 1905).
750. Die Apostel Petrus und Paulus.
Rooses legt die Vermutung nahe, daß diese Leinwand
aus Rubens'Nachlaß stammen könne; er schreibt (vol. II,
pag. 341): »Sous le Nr. 158, le catalogue des tableaux
delaisses par Rubens, mentionne peint par lui un »St. Pierre
et St. Paul sur toile«.«
752. Meleager fibergibt der Atalanta den Kopf des
kalydonischen Ebers.
Von allen Repliken des Münchener Bildes scheint nur
die kleine Tafel bei Alphonse de Rothschild darauf An-
spruch erheben zu können, für ein Original des Rubens
angesehen zu werden. O. Glück vermutet in der Tafel
bei Rothschild eine Skizze zu der großen Leinwand in
München; er schreibt: »Das Rothschildsche Bild, das wir
leider aus eigener Anschauung nicht kennen, dürfte wegen
seiner beträchtlich kleineren Maße wahrscheinlich eine
Skizze zu diesem Originale sein und in diesem Falle sicher-
lich nicht, wie Rooses annimmt, um 1625, sondern wie
das Münchener Bild um 1635 gemalt sein.« (Zeitschr. f.
b. K- 1910, pag. 292.) Es wäre nicht unwichtig, das Pariser
Bild einmal genau mit dem Münchener zu vergleichen.
Mir will es nämlich scheinen, als sei das Münchener
Exemplar zwar zum großen Teil von Rubens fertiggestellt,
aber doch mit Beihilfe von Schülerhand angelegt. Ich sehe
natürlich von der umfangreichen Übermalung ab, die das
Bild hat erdulden müssen.
755. Krieg und Frieden.
F. M. Haberditzl hat in dem bereits erwähnten Aufsatz
der Graphischen Künste (1912, Heft 1) überzeugend fest-
gestellt, daß die Gruppe links auf dem Bilde die Kinder
des Balthasar Gerbier darstellt. In der Tat zeigt z. B. der
ziemlich von vorn gesehene Junge mit der gebogenen lang
überhängenden Nase die selben Porträtzüge, die auch der
fackeltragende Knabe auf dem Gemälde gleichen Themas
in London aufweist. Und daß auf letzterer Komposition
die Familie des B. Gerbier dargestellt sei, ist längst aus
dem Vergleich mit dem gesicherten Gruppenbildnisse dieser
Familie in Windsor erkannt worden (Rooses IV, pag. 46).
758. Grablegung Christi. Skizze.
Nach einer Abbildung zu urteilen (In dem Werk der
Starye-Gody-Ausstellung Petersburg 1909. Verlag Van Oest,
Bruxelles. Nach pag. 90) hat die Skizze einer Grablegung,
die der Großfürst Konstantin von Rußland besitzt, außer-
ordentliche Ähnlichkeit mit der Münchener Skizze. Gemein-
sam sind die breit hingestrichenen und zeichnerisch unbe-
stimmten Formen; einzelne Motive, wie das Übergreifen
des einen Armes bei der Figur, die den Krug von der
Schulter nimmt, finden sich da wie dort. Vor allem ist
beiden Kompositionen eine sensible Pathetik eigen, die
an Van Dyck erinnert. Die russische Skizze stellt eine
Variante der berühmten Grablegung des Rubens dar (das
wichtigste Exemplar ist die 1614 datierte Tafel in Wien),
deren freie Kopie bei Liechtenstein jetzt allgemein für eine
Arbeit des Van Dyck gilt. Diese Spur könnte einen dazu
führen, die Münchener Skizze einmal mit Van Dyck in
Zusammenhang zu bringen. Denn dieses Werk hat sich
nie die Sympathien zu erwerben vermocht, die sonst eine
Skizze des Rubens genießt. Besonders befremdlich ist sie
durch ihr bleiernes, gar nicht durchsichtiges Kolorit.
759. Schäferszene.
Die Tafel stammt urkundlich aus Rubens' Nachlaß
und ist jedenfalls in den letzten Lebensjahren des Künst-
lers entstanden. Vielleicht läßt sich die ungleichartige
Ausführung, die mehrfach Bedenken erregt hat, durch die
Annahme erklären, daß hier ein unfertig hinterlassenes
Werk vorliegt, das eine andere Hand zu Ende geführt hat.
Manche Partien der Tafel zeigen nämlich durchaus die
flüssige und ganz lockere Malweise, die für späte Arbeiten
des Rubens bezeichnend ist, während andere Partien un-
gewöhnlich dick und zäh impastiert sind. Der Fall wäre
nicht so erstaunlich, da wir z B. dokumentarisch wissen,
daß Jordaens zwei von Rubens hinterlassene Werke aus-
gemalt hat (Eines davon, die Andromeda, ist uns noch er-
halten. Madrid, Prado). — Den Kopien wäre z. B. noch
das Gemälde in Sanssouci anzureihen, das die Gruppe (in
kleinem Maßstab) in einer Landschaft zeigt.
762. Der Heilige Christoph.
Auf einer Auktion Sedelmeyer (Paris 1907) befand
sich eine mäßige Kopie des Bildes (Holz 61,5:50 cm. —
Im Katalog der Versteigerung die Nr. 44. Abbildung da-
selbst), die aber unten und auch an der linken Seite viel
mehr gibt, als das Münchener Original. Danach zu schließen,
wäre das Münchener Bild beschnitten. Die Kopie zeigt
unten noch einen breiten Streifen bewegtes Wasser.
780. Die Leichenfeier des Dccius Mus. »Skizze zu
einem der sechs Gemälde des Decius-Zyklus . . .«
Ist anscheinend nicht von Rubens eigenhändig gemalt.
782. Bildnis des Künstlers und seiner ersten Gemah-
lin Isabella Brant.
Rooses nimmt offenbar mit Recht an, daß das Bild
heutzutage oben verkürzt ist. Vielleicht läßt sich noch
ein Stück des Gemäldes unterm Rahmen hervorziehen.
Die Wirkung des Bildes, so wie es sich jetzt zeigt, hat
sehr durch den Rahmen, der allzu nah auf die Köpfe
drückt, zu leiden.
788. Bildnis der Elisabeth von Bourbon. ». . . Teil-
kopie in Wien.«
Meines Erachtens tut der Katalog gut daran, die Mei-
nung von G. Glück (Kunsthistorische Anzeigen 1905) nicht
zu teilen, der den in Wien befindlichen Kopf der Königin
für eine Originalaufnahme hält, die Rubens von dem Kopfe
der Königin nach dem Leben genommen habe. Denn
dieser Annahme widerspricht der unglückselige Ausschnitt,
in dem das Wiener Bild den Kopf der Königin darbietet.
So geistlos hat Rubens nie die Schultern eines Menschen
in den Rahmen komponiert! Zum mindesten müßte das
Wiener Bild, so wie es sich heutzutage darbietet, ein aus-
geschnittenes Fragment sein.
Anmerkungen zu den Rubensbildern der Alten Pinakothek in München
262
Einzelne Partien des Bildes stimmen jedoch mit diesem
Befunde nicht überein. Man wird sich diese Erscheinung
nicht anders erklären können, als dadurch, daß man an-
nimmt, eine kleinliche Hand habe versucht, das Bild später
auszumalen. Vor allem im Hintergrund ist die Übermalung
deutlich zu erkennen; solch fettgetupfter Baumschlag ist
Rubens fremd.
746. Christus und die Reuigen Sünder. ». . . Rooses
Nr. 381: um 1615.«
Die Datierung »um 1615« ist sicher zu früh! Offenbar
hat die Ähnlichkeit der Christush'gur mit der entsprechen-
den Gestalt auf dem »Ungläubigen Thomas« in Antwerpen,
der allerdings um die angegebene Zeit entstanden ist, zu
dieser Datierung verführt. Aber gerade der Vergleich
dieser beiden Figuren zeigt, daß die Münchener Kompo-
sition später, um 1620, entstanden sein muß.
748. Christus am Kreuz. «... Rooses Nr. 297: um 1612.
Rosenberg: 1612—15.«
W. Bode setzt die Entstehung dieses Bildes, und zwar
völlig überzeugend, später, gegen 1620, an (Zeitschr. f. b K.,
N. F. XVI, 1905).
750. Die Apostel Petrus und Paulus.
Rooses legt die Vermutung nahe, daß diese Leinwand
aus Rubens'Nachlaß stammen könne; er schreibt (vol. II,
pag. 341): »Sous le Nr. 158, le catalogue des tableaux
delaisses par Rubens, mentionne peint par lui un »St. Pierre
et St. Paul sur toile«.«
752. Meleager fibergibt der Atalanta den Kopf des
kalydonischen Ebers.
Von allen Repliken des Münchener Bildes scheint nur
die kleine Tafel bei Alphonse de Rothschild darauf An-
spruch erheben zu können, für ein Original des Rubens
angesehen zu werden. O. Glück vermutet in der Tafel
bei Rothschild eine Skizze zu der großen Leinwand in
München; er schreibt: »Das Rothschildsche Bild, das wir
leider aus eigener Anschauung nicht kennen, dürfte wegen
seiner beträchtlich kleineren Maße wahrscheinlich eine
Skizze zu diesem Originale sein und in diesem Falle sicher-
lich nicht, wie Rooses annimmt, um 1625, sondern wie
das Münchener Bild um 1635 gemalt sein.« (Zeitschr. f.
b. K- 1910, pag. 292.) Es wäre nicht unwichtig, das Pariser
Bild einmal genau mit dem Münchener zu vergleichen.
Mir will es nämlich scheinen, als sei das Münchener
Exemplar zwar zum großen Teil von Rubens fertiggestellt,
aber doch mit Beihilfe von Schülerhand angelegt. Ich sehe
natürlich von der umfangreichen Übermalung ab, die das
Bild hat erdulden müssen.
755. Krieg und Frieden.
F. M. Haberditzl hat in dem bereits erwähnten Aufsatz
der Graphischen Künste (1912, Heft 1) überzeugend fest-
gestellt, daß die Gruppe links auf dem Bilde die Kinder
des Balthasar Gerbier darstellt. In der Tat zeigt z. B. der
ziemlich von vorn gesehene Junge mit der gebogenen lang
überhängenden Nase die selben Porträtzüge, die auch der
fackeltragende Knabe auf dem Gemälde gleichen Themas
in London aufweist. Und daß auf letzterer Komposition
die Familie des B. Gerbier dargestellt sei, ist längst aus
dem Vergleich mit dem gesicherten Gruppenbildnisse dieser
Familie in Windsor erkannt worden (Rooses IV, pag. 46).
758. Grablegung Christi. Skizze.
Nach einer Abbildung zu urteilen (In dem Werk der
Starye-Gody-Ausstellung Petersburg 1909. Verlag Van Oest,
Bruxelles. Nach pag. 90) hat die Skizze einer Grablegung,
die der Großfürst Konstantin von Rußland besitzt, außer-
ordentliche Ähnlichkeit mit der Münchener Skizze. Gemein-
sam sind die breit hingestrichenen und zeichnerisch unbe-
stimmten Formen; einzelne Motive, wie das Übergreifen
des einen Armes bei der Figur, die den Krug von der
Schulter nimmt, finden sich da wie dort. Vor allem ist
beiden Kompositionen eine sensible Pathetik eigen, die
an Van Dyck erinnert. Die russische Skizze stellt eine
Variante der berühmten Grablegung des Rubens dar (das
wichtigste Exemplar ist die 1614 datierte Tafel in Wien),
deren freie Kopie bei Liechtenstein jetzt allgemein für eine
Arbeit des Van Dyck gilt. Diese Spur könnte einen dazu
führen, die Münchener Skizze einmal mit Van Dyck in
Zusammenhang zu bringen. Denn dieses Werk hat sich
nie die Sympathien zu erwerben vermocht, die sonst eine
Skizze des Rubens genießt. Besonders befremdlich ist sie
durch ihr bleiernes, gar nicht durchsichtiges Kolorit.
759. Schäferszene.
Die Tafel stammt urkundlich aus Rubens' Nachlaß
und ist jedenfalls in den letzten Lebensjahren des Künst-
lers entstanden. Vielleicht läßt sich die ungleichartige
Ausführung, die mehrfach Bedenken erregt hat, durch die
Annahme erklären, daß hier ein unfertig hinterlassenes
Werk vorliegt, das eine andere Hand zu Ende geführt hat.
Manche Partien der Tafel zeigen nämlich durchaus die
flüssige und ganz lockere Malweise, die für späte Arbeiten
des Rubens bezeichnend ist, während andere Partien un-
gewöhnlich dick und zäh impastiert sind. Der Fall wäre
nicht so erstaunlich, da wir z B. dokumentarisch wissen,
daß Jordaens zwei von Rubens hinterlassene Werke aus-
gemalt hat (Eines davon, die Andromeda, ist uns noch er-
halten. Madrid, Prado). — Den Kopien wäre z. B. noch
das Gemälde in Sanssouci anzureihen, das die Gruppe (in
kleinem Maßstab) in einer Landschaft zeigt.
762. Der Heilige Christoph.
Auf einer Auktion Sedelmeyer (Paris 1907) befand
sich eine mäßige Kopie des Bildes (Holz 61,5:50 cm. —
Im Katalog der Versteigerung die Nr. 44. Abbildung da-
selbst), die aber unten und auch an der linken Seite viel
mehr gibt, als das Münchener Original. Danach zu schließen,
wäre das Münchener Bild beschnitten. Die Kopie zeigt
unten noch einen breiten Streifen bewegtes Wasser.
780. Die Leichenfeier des Dccius Mus. »Skizze zu
einem der sechs Gemälde des Decius-Zyklus . . .«
Ist anscheinend nicht von Rubens eigenhändig gemalt.
782. Bildnis des Künstlers und seiner ersten Gemah-
lin Isabella Brant.
Rooses nimmt offenbar mit Recht an, daß das Bild
heutzutage oben verkürzt ist. Vielleicht läßt sich noch
ein Stück des Gemäldes unterm Rahmen hervorziehen.
Die Wirkung des Bildes, so wie es sich jetzt zeigt, hat
sehr durch den Rahmen, der allzu nah auf die Köpfe
drückt, zu leiden.
788. Bildnis der Elisabeth von Bourbon. ». . . Teil-
kopie in Wien.«
Meines Erachtens tut der Katalog gut daran, die Mei-
nung von G. Glück (Kunsthistorische Anzeigen 1905) nicht
zu teilen, der den in Wien befindlichen Kopf der Königin
für eine Originalaufnahme hält, die Rubens von dem Kopfe
der Königin nach dem Leben genommen habe. Denn
dieser Annahme widerspricht der unglückselige Ausschnitt,
in dem das Wiener Bild den Kopf der Königin darbietet.
So geistlos hat Rubens nie die Schultern eines Menschen
in den Rahmen komponiert! Zum mindesten müßte das
Wiener Bild, so wie es sich heutzutage darbietet, ein aus-
geschnittenes Fragment sein.