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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Schumann, Paul: Dresdner Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0190

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Dresdner Brief

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alsbald verkauft worden. Seiner ferneren Entwicke-
lung dürfen wir mit Spannung entgegensehen.

Der Dresdner Museumsverein, den Dresdens Ober-
bürgermeister Dr. Beutler vor wenigen Monaten ge-
gründet hat, ist mit seinem ersten Ankauf an die
Öffentlichkeit getreten: er hat für die Kgl. Gemälde-
galerie das Selbstbildnis gekauft, das Hans von Marees
zu Weihnachten 1882 in Dresden selbst malte, als
er bei Dr. Franz Koppel-Ellfeld wohnte. Dieser ver-
kaufte das Bild vor fünf Jahren an einen bekannten
Kunstfreund in München, aus dessen Besitz es nun-
mehr, allerdings zu einem weit höheren Preise, in die
Dresdener Galerie übergegangen ist. Es ist ein be-
merkenswertes Werk und schon als Selbstbildnis des
so einflußreichen Künstlers von Bedeutung, zumal da
es auch in Dresden entstanden ist. Immerhin wäre
es wünschenswert, daß die Galerie auch eines von
Marees' monumental - dekorativen Werken erwürbe.
Einige wenige sind doch noch in Privatbesitz vor-
handen.

Gleichzeitig mit dieser Erwerbung wurde für die
Galerie in der Versteigerung der Galerie Weber ein
Gemälde des holländischen Malers Gerrit Adriansz
Berckheyde (1638—1698) erworben. Der Preis war
nicht gerade niedrig, denn bei dieser Versteigerung
wurden alle wirklich guten Gemälde hart umstritten,
aber man hat es in der Tat mit einem hervorragend
guten Werke des Haarlemer Meisters zu tun, das die
bisher schon vorhandenen kleinen Bilder Berckheydes
in der Dresdner Galerie bei weitem überragt. Es
stellt ein reizvoll abgeschlossenes und charakteristisch
belebtes Straßenbild Haarlems mit der Grooten Kerk
als Abschluß dar.

Die Umgestaltung der Gemäldegalerie geht in-
zwischen rüstig vorwärts. Direktor Posse hat es ver-
standen, freigebige Gönner der Galerie zu finden, die
reiche Mittel für die zeitgemäße Veränderung der
großen Säle zur Verfügung gestellt haben, im ganzen
bisher nicht weniger als 70000 M. So werden denn
die großen Säle im ersten Obergeschoß einer nach
dem andern in Angriff genommen und in derselben
Weise umgestaltet, wie dies schon mit dem Rembrandt-
saal und mit dem Saal der Venezianer geschehen ist.
In spätestens zwei Monaten kann diese Arbeit getan
sein. Die weiteren Arbeiten stehen dagegen noch in
weiterem Felde, weil dazu der Bau eines besonderen
Gebäudes für die modernen Gemälde nötig ist.

Nicht der Museumsverein, aber eine Anzahl be-
kannter Dresdner Kunstfreunde haben vor kurzem dem
Albertinum zu Dresden ein echtes griechisches Grab-
denkmal aus der besten Zeit als Geschenk dargebracht.
Ein alter Wunsch des Direktors Treu ging damit in
Erfüllung.

Noch ein drittes Museum hat sich eines bedeut-
samen Geschenks aus letzter Zeit zu erfreuen, das
Kgl. Kunstgewerbemuseum oder vielmehr die gleich
ihm der Kgl. Kunstgewerbeschule angegliederte Kunst-
gewerbebibliothek. Sie erhielt die künstlerischen Nach-
lässe des Oberbaurats Dr. Oskar Mothes jn Leipzig
(Reisestudien aus Italien und Spanien, ältere Werke
über Architektur) und des Architekten Joh. Hinsch

(russische Studien u. a.), einen Lehrgang für Stickerei,
zusammengestellt von Prof. Dr. Freiherrn Hanns von
Weißenbach in Leipzig. Aus dem Besitze dieses her-
vorragenden Sammlers stammen zwei weitere Samm-
lungen: Großkaufmann Paul Knaur in Leipzig über-
wies der Bibliothek Weißenbachs Sammlung japani-
scher Farbenholzschnitte, Hoflieferant Julius Feurich
und Kommerzienrat Max Polter in Leipzig stifteten
gemeinschaftlich Weißenbachs allgemeine Sammlung
für Kunst- und Kunstgewerbe, die nach Gegen-
ständen geordnet in mehreren tausend Blättern kirch-
liche Kunst, profane Kunst und Kunstgewerbe um-
faßt. Besonders bemerkenswert ist darunter die fast
vollständige Sammlung von Cosmatenwerken — gegen
1000 Einzelheiten, großenteils in Originalaufnahmen,
ferner Aufnahmen Weißenbachs von seinen italieni-
schen Reisen u. a. Die erstgenannte japanische Samm-
lung umfaßt an Farbenholzschnitten und farbigen oder
schwarzen Nachbildungen rund 12000 Blatt, die aller-
dings zum größten Teil der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts entstammen, doch sind auch wert-
volle ältere Blätter vorhanden. Zu dieser Stiftung ge-
hören ferner mehrere Reihen von Originalholzschnitt-
platten (zu 12, 20, 22 und 37 Drucken), sowie rund
12000 Originalschablonen für Zeugdruck. Endlich
gehört dazu noch eine Sammlung japanischer Holz-
schnittwerke, sowie europäische Werke über japani-
sche Kunst. Die Kgl. Kunstgewerbebibliothek ist durch
diese Stiftungen in bedeutsamer Weise bereichert
worden.

Auch das moderne Kunstleben steht in Dresden
nicht still. Vor allem schreiten die Vorbereitungen
für die Große Kunstausstellung Dresden 1912, die am
1. Mai eröffnet werden soll, rüstig vorwärts. Alle
großen Künstlervereinigungen der deutschen Kunst-
städte werden vertreten sein und eigene Säle haben,
so aus Dresden die Künstlervereinigung und die
Kunstgenossenschaft, aus München der Verein bilden-
der Künstler Sezession und die Kunstgenossenschaft,
die Düsseldorfer, die Stuttgarter, die Karlsruher, die
Königsberger Künstler, die Vereinigung nordwest-
deutscher Künstler (Sitz Bremen), die Vereinigung der
deutsch-böhmischen Künstler und die Wiener Künst-
ler. Besonders bemerkenswert wird die Sonderabtei-
lung monumental-dekorativer Kunst sein, welche die
ganze linke Hälfte des großen Ausstellungspalastes
einnehmen wird. Hier wird z. B. Max Klinger zwei
eigene Räume haben, Hermann Prell wird den Rest
seiner Gemälde für den Festsaal des Dresdner Rat-
hauses zeigen, ein eigener Raum wird nach den Plänen
des Wiener Architekten Joseph Hoffmann ausgestaltet,
während Prof. Georg Wrba die übrigen Räume für
die Sonderausstellung, sowie den großen Hauptsaal,
Architekt Georg von Mayenburg aber die Einbauten
im westlichen Seitenflügel herstellen wird. An der
vielseitigen Sonderausstellung werden noch u. a. be-
teiligt sein: Otto Gußmann, Rößler und Perks (Dres-
den), Seeliger (Leipzig), Corinth und Orlik (Berlin),
Stuck (München), Holzel (Stuttgart), Ludwig von Hof-
mann (Weimar), Böhle (Frankfurt a. M.), Egger-Lienz
(Wien); von Ausländern: Axel Gallen, Larsson, Hodler,
 
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