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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Opperlin, Manfred: Aus dem Leipziger Kunstleben
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Wolf, August: Neues aus Venedig, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0198

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373

Neues aus Venedig

374

Nicht ganz leicht wird es München, es mit dieser
vielköpfigen Schar der unaufhaltsam nach allen Seiten
vorwärtsdrängenden jungen Berliner aufzunehmen.
Münchens Vertreter in Leipzig sind teils Illustratoren
wie der vorzügliche OlafGulbransson (Simplizissimus-
zeichnungen), Preetorius, — der außer seinen bekannten
Stilisierungen auch eine ganz unmittelbare, pariserisch
frische Figurenstudie vorlegt — Ad. Schinnerer, der
Radierer, mit meisterlichen Zeichnungen und Pastellen,
dann aber die malerisch impressionistischen Lichten-
berger, W. Klemm, P. Klee, der bekannte, bisweilen
nur allzusehr mit Liebermanns Kühnheit der Abbrevi-
ation wetteifernde Mayrshofer u. a. m. Wesentlich
matter in der Wirkung die schon länger bekannten
Namen C. Strathmann (gr. Temperabild »Der Hof-
narr«) und Ad. Münzer (Aktzeichnungen).

Die Leipziger Künstler sind, wie begreiflich, in ver-
hältnismäßig großer Zahl in der Ausstellung anzutreffen;
doch kann davon eine reichliche Hälfte kaum mehr
als ein lokales Interesse beanspruchen. Auch bei
manchen kräftigeren Erscheinungen ist der zwingende
Eindruck von Klingers Kunst deutlich fühlbar, so bei
Horst Schulze, H. Soltmann, Ed. Einschlag (figürliche
Studienzeichnungen), Erich Gruner (leicht skizzierte,
farbig ausgeschmückte Kompositionen heroischen In-
halts); während andere wie Wil Howard und Rüdiger
Berlit mehr französischen Vorbildern folgen. Nebenden
bekannten Namen der Leipziger Akademieprofessoren
H. Steiner-Prag (wirkungsvolle Bühnenbilder aus »Car-
men« und eine Bildniszeichnung), Franz Hein, M.
Seliger (landschaftliche Aquarelle) stellen sich auch
einzelne junge vielversprechende Erscheinungen vor,
wie O. J. Olbertz und Hans Domizlaff.

Nicht minder mannigfaltig ist das Bild der Dresdner
Künstlergruppe, unter der H. Unger, Ernst Dreher,
Paul Wilhelm und die eigenartigen Zeichner Rieh.
Müller und G. Gelbke besonders in die Augen fallen.

Aber auch aus verschiedenen kleirferen Kunstzentren,
fast aus allen Gauen Deutschlands sind Künstler zu
Beiträgen herangezogen worden, bewährte ältere Mei-
ster wie Graf Kalckreuth (große altmeisterlich feine
Porträtstudien), die Worpsweder Mackensen und Moder-
sohn mit sehr charakteristischen Blättern und Eugen
Kampf mit ein paar kraftvollen vorzüglichen Tempera-
landschaften; aber auch junge noch kaum bekannte
Künstler von ausgeprägter Eigenart, die wir hier so-
zusagen zu »entdecken« Gelegenheit haben, die
Weimaraner W. Wieger und Greve-Lindau z. B., die
Kölner Franz Jansen und Fr. A. Weinzheimer, beides
äußerst eigenartige zukunftsreiche Erscheinungen, die
Königsberger C. Albrecht und Max Neumann, die
eine gewählte malerische Kultur, selbst für die »Ultima
Thüle« Ostpreußens bezeugen. Endlich sind auch
einige im Ausland lebende moderne deutsche Künstler
anwesend, Karl-Hofer-Paris, Otto Hoeger-Florenz, Paul
Baum-Holland, jeder in seiner Art ein vortreffliches
Beispiel für die assimilierende Wirkung der Eindrücke
des dortigen Kunstlebens und der dortigen Natur.

Die einigen Österreichern — wie Alfred Kubin und
Johann Oeltjen — und jungen Schweizern — Werner
Feuz, L. Moilliet, R. Prochaska, Ernst Geiger, unbe-

kannten Namen aber sehr beachtenswerten formstarken
und farbenfrischen Malern — gewährte Gastfreund-
schaft werden auch die Ausstellungsbesucher dank-
bar begrüßen. Nur recht und billig aber ist es,
daß den Franzosen, die auf unsere jüngste Künste
einen so tiefgreifenden und vielfach entscheidenden
Einfluß ausgeübt haben, ein so weites Feld einge-
räumt wurde. Diese große französische Gruppe, eine
eigentliche, in sich geschlossene Sonderausstellung,
die von Renoir, Monet, Pissarro bis zu den allerjüng-
sten Vertretern des Pariser Impressionismus, einem
P. Signac, H. E. Cross, L. Doucet u. a. hinführt, gibt
vielfach erst den eigentlichen Maßstab für die Würdi-
gung entsprechender Bemühungen bei manchen jungen
Deutschen; sie dürfte in ihrer Reichhaltigkeit und aus-
gezeichneter Auswahl manchem Besucher als einer
der vornehmsten Anziehungspunkte der Leipziger Aus-
stellung erscheinen.

Um endlich auch von der Plastik ein Wort zu
sagen, so sei wenigstens kurz erwähnt, daß auch hier
einige der interessantesten Namen wie Tuaillon, G.
Kolbe, Aug. Kraus, Gaul, Hoetger, Barlach, von Aus-
ländern aber G. Minne, Dalou, Bourdelle und der
Genfer James Vibert, vertreten sind.

Übrigens ist die »Jahresausstellung« im Handelshof
nicht das einzige große Kunstereignis, das uns für
dieses Jahr in Leipzig beschert ist; es sind auch auf
dem Gebiete der Architektur einzelne Unternehmungen
größten Stils in Angriff genommen oder unmittelbar
bevorstehend, so der Neubau des zum Jubiläumsjahr
1913 fertig zu stellenden Zentralbahnhofs, mit dem
Leipzig ein Riesengebäude von hohem künstlerischem
Wohlklang erhalten wird, und dann eine Aufgabe von
ganz exzeptioneller Bedeutung: die »Bebauungder Frank-
furter Wiesen«, d. h. die Anlage eines ganzen neuen
Stadtteils nach einem einheitlichen künstlerischen Pro-
jekt. Darüber soll, wenn einmal die Vorbereitungen
weiter gediehen sind, noch des Näheren berichtet
werden. Dr. MANFRED OPPERLIN.

NEUES AUS VENEDIG

Die Eröffnung der X. Internationalen Kunstaus-
stellung ist auf den 23. April festgesetzt. Sie wird diesmal
zu ganz besonderen Festlichkeiten Veranlassung geben, da
sie mit der Einweihung des nun vollendeten Glockenturmes
von S. Marco fast zusammenfällt. Man ist mit dem Ab-
nehmen der letzten Gerüste am Fuß des Turmes zurzeit be-
schäftigt, während der die Spitze desselben krönende ver-
goldete Engel, bereits enthüllt, herabgrüßt. Die Loggietta
am Fuße des Campanile ist so gut wie vollendet und die
Fassade bereits freigelegt. — In den letzten Tagen fand die
Stichwahl unter den vorgeschlagenen Jurymitgliedern der
Ausstellung statt. Zwei Strömungen machten sich unter
der wählenden Künstlerschaft geltend: die eine Partei wollte
mit ihren Kandidaten, offiziell anerkannten Künstlern, durch-
dringen, die Jugendpartei mit nur jüngeren Elementen in
der Jury den Sieg davontragen. Der Jugendpartei ist es
jedoch nicht gelungen (mit nur einer einzigen Ausnahme),
ihre Vertrauensmänner durchzusetzen. Wichtig bei der
ganzen Angelegenheit der Jurywahl, die hier viel von sich
reden machte, ist nur der oben angeführte Umstand, daß
keine fremden Künstler für die Jury vorgegeschlagen und
gewählt wurden.
 
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