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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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379

Ausstellungen

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Die alte kaufmännische Erfahrung, daß mit der wach-
senden Nachfrage auch die Entwicklung fortschreitet, findet
auf unserer Ausstellung darin Bestätigung, daß dem Kopf-
und Einfigurenbildnis, das fast ausschließlich von der Früh-
zeit der althamburgischen Bildnismalerei berichtet, sich
bald das Gruppenbild gesellt, das in einzelnen Fällen —
auf einer von dem 1770 zu Ansbach geborenen Alexander
Macco gemalten Tafel — bis zu fünfzehn Personen in
ganzer Figur vereinigt. Mit dieser wachsenden Wert-
schätzung des Bildnisses hält aber die der Bildnismalerei
an sich nicht auch gleichen Schritt. Umsonst halten wir
unter den ausführenden Künstlern Umschau nach einem
von jenen Meistern der Bildnismalerei, an denen es gerade
in den hier vertretenen Zeitaltern nicht gefehlt hat und
deren Berufung bei ihren ausgedehnten Handelsbeziehungen
den Hamburger Patriziern kaum mehr Schwierigkeiten und
Kosten verursacht hätte, als dies bei den Kaufherren in
Genua, Florenz, Venedig der Fall war. Doch um es den
italienischen Mäzenen hierin gleich zu tun, fehlte es den
hanseatischen Kaufherren an jenem köstlichen Ehrgeiz, der
auch schon bei den alten Griechen die Wohlhabenden bei
Erteilung von Bildnisaufträgen sich nur an angesehene
preishaltende Künstler hat wenden lassen. In den auf
der Ausstellung des Kunstvereins vertretenen Jahrhunderten
und bis nahe an die Gegenwart heran ging der Anspruch
der Hamburger Mäzene bei Bildnisaufträgen über die For-
derung einer bloß porträtistischen Ähnlichkeit nicht hinaus.
Da aber für die Erreichung einer solchen Ähnlichkeit hand-
werkliche Geschicklichkeit nicht selten zureichender ist als
genialische Veranlagung, die leicht über die Stränge schlägt,
und der Hamburger auch in künstlerischen Dingen den
Kaufmann nie verleugnet, so ist es zu verstehen, daß den
Auftraggebern in der Hansastadt der Verzicht auf die um
so viel teurere, wenn auch erhöht künstlerische Wert-
beschaffenheit nicht allzu schwer gefallen ist.

Es ist kein bloßer Zufall, daß die ältesten ausgestellten
Bildtafeln Pastoren und Theologen veranschaulichen. Das
von einem Unbekannten gemalte Bildnis eines Predigers
von St. Petri knüpft an den Ausgang des fünfzehnten Jahr-
hunderts, während das eigentlich bürgerliche, sozusagen
das profane Bildnis, viel später einsetzt. Die Bildnismalerei
zehrte eben auch im protestantischen Norden von den um
so viel älteren Beziehungen, die diese Kunstform der
katholischen Kirche verband und die von den, in dem
bürgerlichen Familienbildnis neu geknüpften Fäden erst
ganz allmählich haben abgelöst werden können. Die aus-
gestellten Bildnisse sind weder durchweg signiert, noch
sind sie ausschließlich von Hamburger oder von in Ham-
burg seßhaften Malern gemalt. Die vorhandenen mancherlei
Aussichten auf Erwerb lockten, wie Lichtwark bemerkt,
auch reisende Künstler an, »die die scharfe Konkurrenz in
den Kunststätten nicht aushalten konnten und die hier nicht
so durch ernste Leistungen als durch Anpassung an den
Durchschnittsgeschmack voran zu kommen suchten«.

Für den Ausfall an innerer Beseeltheit, der bei der
meist oberflächlichen Bekanntschaft von Modell und aus-
führendem Künstler kaum zu vermeiden war, suchten viele
der letzteren durch ein um so liebevolleres Sichversenken
in die Details der Kleidung, Durchzeichnung des Haares
u. a. m. einigen Ersatz zu bieten, worin es einzelne denn
auch zu einer solchen Meisterschaft brachten, daß man
bei manchen Bildnissen unter den Eindruck gerät, als
sollten diese Nebendinge eigentlich das im Bildnisse
Hauptsächliche sein. Unter den über die Grenzen der
Ausstellungsstadt hinaus bekannten Künstlernamen vertreten
sind Balthasar Denner, Anton Graff, C. C. Magnussen,
Erwin Speckter, Ph. O. Runge, der aus seinem Umgang
mit Goethe bekannte, und infolge seiner Stellung als

Direktor der dortigen Akademie, der »Neapolitaner« ge-
nannte Tischbein, der zuerst in Hamburg (als Schüler des
Malers F. O. Gehrmann) lernend tätig gewesen, im Jahre
1802 als Direktor der Akademie der Künste in Kopenhagen
gestorbene Jens Juel.

So verständlich es ist, daß die Ausstellung zwecks
Wahrung ihres Charakters als historische Rückschau bei
der, von den jetzt lebenden Künstlern berührten Grenze
abschneidet, so ist dieser Abschluß doch im Hinblick auf
die dadurch entzogene Möglichkeit des Vergleichens zu be-
dauern. Denn wenn schon in den früheren Jahrhunderten,
in denenderanausländischenEinwirkungen erstarkte Eklekti-
zismus die Hamburger Bildnismalerei beherrschte, ein
stetes Steigen und Fallen und Sichwiedererheben, sowohl
in Ansehung rein ästhetischen, wie auch ihrer koloristischen
Qualitäten ein Charakteristikum war dieser Kunstform in
Hamburg, so trat dieser Prozeß der Wandelbarkeit in be-
sonders markanter Ordnungsfolge im Verlauf des vorigen
Jahrhunderts in Erscheinung. Im Anbeginn dieses Jahr-
hunderts befand sich die lokale Bildnismalerei — in ihren
wichtigsten Vertretern, den Malern Ph. O. Runge, C. J.
Milde, Julius Oldach, Martin und Jakob Gensler, — auf
dem Wege zu einer Höchstentwicklung, die tatsächlich zu
erreichen sie einerseits durch das frühe Ableben einiger
ihrer größten Begabungen und andererseits durch den
Mangel an Unterstützung verhindert worden ist. Der da-
mals erreichten Höchsterhebung der Kurve, die nicht zum
geringsten Teil mit eine Folge war der von den vorgenannten
Künstlern strenge eingehaltenen Übung, nur auf Grund
einer genaueren Bekanntschaft mit dem Modell Bildnisse
zu malen, folgte in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts
ein empfindlicher Tiefstand, dem erst gegen Ende des
Jahrhunderts durch die aushilfsweise Hierherberufung an-
erkannter in- und ausländischer Künstler ein Ende gemacht
wurde. H. E. Wallsee.

Die Münchner Sezession war von der Direktion
des Kupferstichkabinetts in Stuttgart eingeladen worden,
eine graphische Ausstellung ihrer Mitglieder zu veranstalten,
die am 7. April eröffnet wurde. Mit größeren Kollektionen
sind Diez, Graf, Habermann, Oberländer, Samberger, Stuck
und Zügel vertreten.

+ München. In die Jury der Sezession wurden für
die Sommerausstellung gewählt: 1. Präsident: Professor
Hugo Freiherr v. Habermann, Maler; 2. Präsident: Pro-
fessor Albert Ritter v. Keller, Maler; 1. Schriftführer: Ri-
chard Winternitz, Maler; 2. Schriftführer: Professor Joseph
Floßmann, Bildhauer; ferner die Herren: Professor K J.
Becker-Gundahl, Maler; Bernhard Bleeker, Bildhauer;Joseph
Damberger, Maler; Professor Julius Diez, Maler; Professor
Hans v. Hayek, Maler; Professor Ludwig Herterich, Maler;
Paul Rieth, Maler; Professor Rudolf-Schramm-Zittau, Maler;
Professor Franz Ritter v. Stuck, Maler; Charles Tooby, Maler.

Die Ausstellung der Unabhängigen. Seit einigen
Monaten munkelt man in französischen Künstlerkreisen,
daß im stillen ein schwarzes Attentat gegen die Unab-
hängigen geplant werde. Gerade die Führer der Unab-
hängigen hätten im geheimen Rate beschlossen, diesen
»Salon« zugrunde zu richten. Denn seit der Gründung des
offiziell anerkannten Herbstsalons hätten diese Führer, die
im Herbstsalon ebenfalls die erste Geige spielen, die Ver-
anstaltung des Frühjahrs nicht mehr nötig, sondern würden
im Gegenteil von der allzugemischten dortigen Gesellschaft
gewissermaßen komprimittiert. Also arbeiteten sie heimlich
am Ruin der Unabhängigen und würden es gerne sehen,
wenn dieser Salon eines seligen Todes verbliche. Man
erzählt dann allerlei Einzelheiten von diesem schwarzen
Plane, und wie daran gearbeitet werde, die Gesellschaft
 
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