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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0216

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Sansovinos mit unglaublichem Fleiße und Geduld aus ihren
geretteten Teilen zusammengesetzt worden, sämtliche Reliefs
restauriert, ebenso die Bronzefiguren und Türe. All das
wurde dann im Laufe der letzten zwei Jahre an Ort und
Stelle gebracht und aufgerichtet. — So steht denn jetzt
auch dieses Schmuckstück der Renaissance in seinem ganzen
Reize, dem Auge zur Freude, wieder vor uns. Daß die
architektonischen Teile dieser Loggetta, einige Säulen aus-
genommen, neu hergestellt werden mußten, ist begreiflich,
wodurch denn das kleine reizende Bauwerk sehr neu aus-
sieht. Man wollte nicht, wie das einst bei der Restauration des
Dogenpalastes geschah, durch eine künstliche Patina das
Auge täuschen. Dasselbe gilt vom Turm selbst. Das feuchte
hiesige Klima wird jedoch in Bälde beiden die Patina geben.
Wichtig ist dagegen, daß Moretti und seine Mitarbeiter alle
modernen Errungenschaften der Bautechnik bei der Kon-
struktion verwerteten, ohne irgendwie von der äußeren Er-
scheinung des Vorbildes bei ihrer Reproduktion abzugehen.
Wichtig ist ferner, daß der ganze 96 Meter hohe Bau ohne
eigentliches Gerüste aufgeführt wurde. Der verdienstvolle
hiesige Architekt Donghi hatte ein System erfunden, nach
welchem eine um den Turm umlaufende Holzgalerie, ein
beständiges Emporschrauben gestattend, den Maurern ein
sicheres Arbeiten auf der jeweilig angelangten Höhe er-
laubte. So hat sich denn auch kein einziger Unfall er-
eignet während des Baues, welcher, die Unterbrechungen
abgerechnet, etwas über sieben Jahre in Anspruch nahm.
Die Kosten desselben belaufen sich auf 2200000 Francs,
zum Teil von der Stadt und Regierung bestritten, sowie
durch freiwillige Beiträge, welche besonders zu Anfang
reichlich flössen. Auch das Ausland hat beigesteuert, wenn
auch nicht in so hohem Maße wie gewisse ausländische
Zeitungen behaupteten. Die ausländischen Beiträge beliefen
sich auf 42000 Francs. Davon kommen 25000 Francs auf
die Kgl. Akademie in London. — Es werden auch jene
Fachmänner jetzt eines besseren belehrt sein, welche seiner-
zeit Italiens Architekten und besonders den Venezianern
die Fähigkeiten absprachen, den Turm richtig fundamen-
tieren und überhaupt aufführen zu können. Sie vergaßen,
daß eine jahrhundertelange und hier stets geübte Praxis
den Venezianer in erster Linie in den Stand setzt, solchen
Untergrundpfahlbau meisterhaft herzustellen, ohne des da-
mals angebotenen Rates von außen zu bedürfen. — Die
massenhaften Besucher Venedigs werden jetzt beurteilen, ob
der Platz denn wirklich, wie so manche meinten, »schöner«
war ohne den Turm, oder ob dessen stolzes Emporstreben
nicht dem Platze das wieder verleiht, was ihm nach der
Meinung der Mehrheit fehlte. Aug. Wolf.

Fritz Klimsch, der jüngst unter die Akademiker auf-
genommen worden ist, legt die letzte Hand an eine
Reihe neuer Arbeiten. Bereits vollendet ist ein Bronze-
porträt von Prof. Dr. Alexander Conze, dem 81jährigen
Archäologen. Freunde und Schüler haben beschlossen,
diesen Kopf, der die geistige Energie in scharfer Charak-
teristik wiedergibt, für das neu erstehende Pergamon-
Museum zu stiften. Einen anderen Gelehrtenkopf, den des
Chemikers Emil Fischer, hat der Künstler in einer fesseln-
den kleinplastischen Arbeit festgehalten» einer Medaille in
Gold, die der Verein Deutscher Chemiker für hervorragende
Leistungen auf diesem Wissenschaftsgebiet verleihen will.
Von dem Reichstagspräsidenten Kämpf hat-Klimsch eine
große Büste geschaffen, die in der Darmstädter Bank Auf-
stellung fand. — Eine große Denkmalsanlage hat Klimsch
für Dortmund gearbeitet, und dort soll das Monument,
eine Stiftung des kürzlich verstorbenen Großindustriellen
Karl Funke, in diesem Sommer enthüllt werden, eine acht
Meter breite architektonische Anlage. Den mittleren Auf-

bau, den dorische Pilaster gliedern, wird eine überlebens-
große weibliche Oestalt krönen: die Frau in leichtem Ge-
wände, neigt sich herab und schüttet aus einem Füllhorn
einen Strom von Blumen. Unten soll ein in kräftiger Stili-
sierung gehaltenes Relief auf Handel und Industrie deuten.
Endlich hat Klimsch auch ein Kriegerdenkmal entworfen
für das Saarbrücker Ulanenregiment, ein kräftig empor-
strebender Aufbau, der die Gestalt eines nackten Reiters
tragen soll.

X Die Berliner Opernhausfrage zieht immer noch
weitere Kreise. Nachdem schon die »Vereinigung Berliner
Architekten« mit unzweideutigen Worten ihrem Unwillen
über das bisher von der preußischen Regierung beliebte
Verfahren in dieser Angelegenheit Ausdruck gegeben und
eine neue, allgemeine Konkurrenz gefordert hat, sind ihr
jetzt der »Bund Deutscher Architekten« (die Organisation
der Privatarchitekten Deutschlands), der »Verein für deut-
sches Kunstgewerbe« und der »Verein Berliner Künstler«
mit Resolutionen, Eingaben an den Landtag und an die
beteiligten Ministerien sowie Immediateingaben an den
Kaiser gefolgt. Einmütig wurden von allen diesen Instanzen
die Ergebnisse der bisherigen engeren Wettbewerbe als
unbefriedigend und unannehmbar, wurde namentlich der
vom Ministerium besonders günstig beurteilte Entwurf des
Regierungsbaumeisters Grube als völlig ungenügende Lö-
sung bezeichnet. Aber darüber hinaus wandte sich die
Kritik der Künstler im allgemeinen wie der Spezialisten
vor allem gegen die vom Ministerium für öffentliche Ar-
beiten in Verbindung mit dem Ministerium des Königlichen
Hauses, d. h. mit der Generalintendantur, aufgestellte Pro-
grammskizze. Es wurde nachgewiesen, daß in ihr wie in
Grubes Projekt, das beinahe schon zur Ausführung be-
stimmt werden sollte, zahllose Mängel und Unzulänglich-
keiten vom Standpunkt der bestehenden theater- und feuer-
polizeilichen Vorschriften aus zu konstatieren seien, daß
weder für die Sicherheit, noch für Licht und Luft, noch
für die Möglichkeit einer schnellen Entleerung des Hauses
ausreichend gesorgt sei, daß die geforderten, ungewöhnlich
großen und ausgedehnten Räumlichkeiten für die Repräsen-
tationszwecke des Hofes, namentlich das riesige Proszenium,
eine klare und zweckentsprechende Raumentfaltung des
Zuschauerraumes bedeutend erschwerten, daß die im Pro-
gramm vorgeschriebene Schmalbrüstigkeit des eigentlichen
Theaterbaukörpers den Architekten gleichfalls beenge.
Darum wurde von allen Seiten auch eine wesentliche
Veränderung und Neubearbeitung dieser Grundlage
verlangt als unabweisbare Voraussetzung des zu erwarten-
den neuen Verfahrens. Zugleich hat der Berliner Archi-
tekt Rottmeyer eine Umfrage unter den bedeutendsten
Künstlern Deutschlands veranstaltet, die sich in großer
Zahl im gleichen Sinn — Ablehnung der Grubeschen Pläne
und Veranstaltung eines allgemeinen Wettbewerbs — aus-
gesprochen haben. Diesen Kundgebungen gegenüber fällt
die regierungsfreundliche Resolution des fast völlig aus
aktiven, inaktiven und pensionierten Regierungsbaubeamten
bestehenden »Berliner Architektenvereins« natürlich gar nicht
ins Gewicht. Ein Versuch dieses Vereins, seiner Äußerung,
die bei der abhängigen Stellung der Majorität seiner An-
gehörigen peinliches Aufsehen erregte, dadurch mehr Ge-
wicht zu geben, daß er die Zusammensetzung seiner Mit-
gliedschaft anders darstellte, wurde von der »Vereinigung
Berliner Achitekten« mit gebührendem Nachdruck zurück-
gewiesen. Es ist anzunehmen, daß sich auch die Fraktionen
des Abgeordnetenhauses, die selbstÄußerungen der Künstler-
schaft wünschten, dem Eindruck aller jener Darlegungen
und Beschlüsse nicht entziehen werden. Jedenfalls haben
sie verschiedene Versuche des Ministeriums, die Angelegen-
 
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