Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

DOI Artikel:
Bayersdorfer, W.: Münchener Frühjahrsausstellungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0221

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
419

Münchener Frühjahrsausstellungen

420

sich nach den Feststellungen der Katalogverfasser als
Unbekannte ergeben haben. Es sind dies ein ge-
wisser Preißer, der mit drei Arbeiten vertreten war
(am besten das Bildnis eines Baron Leoprechting), ein
gewisser Rietfehlt, ein F. Mattheus Schäffler und ein
Franz Joseph Winter. Die beiden letzten vermutlich
Münchener Künstler, Preißer wahrscheinlich Bayer.
Besondere Überraschungen bot die österreichische
Abteilung durch sieben größtenteils unbekannt ge-
wesene Arbeiten Fügers, dabei ein ca. 1780 ent-
standenes Selbstporträt in pathetischer Haltung und
das bisher verschollen geglaubte Bildnis des Kur-
fürsten Friedrich Karl Joseph Freiherr von Erthal,
Erzbischof von Mainz, der Füger im Jahre 1789
nach seiner Residenz eingeladen und sich verschiedent-
lich von ihm hatte porträtieren lassen. Für noch
bedeutender als dieses Werk möchte ich das kleine
Medaillon des letzten Kurfürsten von Mainz, Reichs-
freiherrn Karl von Dalberg halten, dessen zarte, hellila
Töne (in der Kleidung) und weiche, lockere Behand-
lung des Gesichtes und des graumelierten Haares die
Vorzüge und Schwächen dieses heute so geschätzten
Malers noch stärker charakterisieren. Über Daffingers
Künstlerschaft konnte man sich an 21 Arbeiten ein
gutes Urteil bilden, ebenso waren Peter, Ender, Krie-
huber, Anreiter, Saar, die verschiedenen Theers und andere
Wiener Künstler gut vertreten, mit Ausnahme Wald-
müllers, von dem lediglich eine hübsche getuschte
Bleistiftszeichnung, die Fürstin Sofie Liechtenstein
darstellend, zu sehen war. Unter den Meistern des
Auslandes ragten die Franzosen hervor. Aus seiner
berühmten Sammlung von Limoges hatte Prof. Prings-
heim drei ausgezeichnete Stücke zur Verfügung ge-
stellt, zwei Porträts eines unbekannten Fürstenpaares
von Jean Court und ein außerordentlich schlicht und
einfach wirkendes Bildnis der Leonora Oaligai, Hof-
dame der Maria von Medici, in tiefen leuchtenden
Farben von Jean Limousin. Die spätere eigentliche
Miniaturmalerei Frankreichs wurde vornehmlich durch
eine Anzahl Porträts von J. B. Isabey (verschiedene
Napoleone, König von Rom, Marie von Orleans,
Friedrich Wilhelm III. von Preußen u. s. f.) und
Auguste Oarnerey veranschaulicht, durch Arbeiten von
J. B. Augustin (vorzügliches, sehr lebenswahres Bildnis
Ludwigs I. von Bayern als Kronprinz) und solche der
Isabeyschüler Aubry, Bell, Benner, Daniel Saint wie
einer weiteren großen Anzahl von Künstlern, von
denen der Katalog Bourdon, J. Desvernois, Gagnereaux,
Lecomte und Nandin als nicht näher bekannte Meister
aufführt. Die italienische Gruppe hatte als eines der
interessantesten Stücke das Porträt einer unbekannten
venezianischen Marchesa von der Hand der Rosalba
Carriera aufzuweisen, vortrefflich in seinen Farben
erhalten, weiterhin Arbeiten des Domenico Bossi, der
Louise Blangini, des unbekannten P. Betelli, des
Christofalo Marcuri u. a. Ein Ölbild von Isaak Oliver
(Lettice, Countesse of Leicester), Miniaturen von Peter
Lely, George Engleheart, Mary Green, Andrew Plimer,
A. Robertson, John Smart, um nur die wichtigsten
zu nennen, vertraten Englands Können in diesem
Kunstzweig und vervollständigten mit einigen nieder-

ländischen, polnischen und russischen, dänischen und
schwedischen Künstlern das Gesamtbild der dankens-
werten Veranstaltung. Daß auch die Behälter und
Aufbewahrungsgegenstände der Miniaturen, als Dosen,
Broschen, Armbänder, oft mit reichstem Juwelenschmuck,
Fächer, Knöpfe und ähnliches, ferner hübsche Wachs-
Eglomisearbeiten, Silhouetten und etliche orientalische
Buchmalereien regstes Interesse verdienten, mag zum
Schluß noch erwähnt werden.

Etwa zu gleicher Zeit hatte die Galerie Heinemann
eine Ausstellung französischer Kunst des 18. Jahr-
hunderts eröffnet. Da aus jeder anderen Epoche der
Geschichte der Malerei heute eher eine einigermaßen
wertvolle Kollektion zusammenzubringen ist, als ge-
rade aus dem gefeierten Säkulum der Watteau, Boucher
und Fragonard, so durfte man sich nicht wundern,
wenn das Gebotene hinter den früheren Veranstal-
tungen einer modern französischen, altenglischen, alt-
spanischen und den deutschen Ausstellungen ziemlich
zurückblieb. Das einzige Bild, das von der Grazie und
dem Charme, wie sie Watteau in die französische
Malerei eingeführt hat, einen beiläufigen Begriff geben
konnte, war ein »Ländliches Fest« von Pater, das in
Motiv und Komposition ganz auf Watteauscher Kunst-
anschauung basierte. Der große Meister selbst war
mit keiner für ihn charakteristischen Arbeit vertreten,
denn die zwei Porträts eines Abbe Haranger und
seiner Nichte — sonst durchaus qualitätvolle Werke
— waren schon rein gegenständlich nicht das, was
man zu sehen wünschte. Eher konnte man bei
Boucher auf seine Rechnung kommen, von dessen
fünf ihm zugeschriebenen Werken »Das Geständnis«
(junges Liebespaar in schöner Landschaft lagernd) am
meisten der Beachtung wert war. Zwei leere, Fra-
gonard zugeschriebene Köpfe schlössen wenigstens
dem Namen nach das berühmte Dreigestirn. Wert-
voller gestaltete sich die Ausstellung aber bei Be-
trachtung der Künstler zweiten Ranges. So fanden sich
von' den noch in frühere Zeit zurückreichenden
Meistern ein recht lebendiges und liebenswürdiges
Bildnis Molieres von L. Bourdon, ein gutes Damen-
porträt von Nicolas de Largilliere und zwei Damen-
bildnisse von Robert Tourniere, von denen das einer
Madame de Parabere in der farbigen Behandlung der
Kleidung zwar Härten aufwies, in der Wiedergabe
des charmanten, lebenslustigen Köpfchens aber mit
den dunklen, verheißungsvollen Augen eine Ahnung
von der maßlosen Genußfreude jenes Jahrhunderts
aufdämmern ließ. Auch von Jean Francois de Troy
war ein tüchtiges, besonders in koloristischer Hinsicht
qualitätvolles Damenbildnis ausgestellt, weiter gute
Porträts von Alexandre Roslin, J. B. Perronneau und
Antoine Vestier, dessen 1792 datierte Dame am
Klavier zu den besten Werken des Saales gehörte.
Chardin war lediglich in einem Porträt des (selbst
ziemlich mäßig vertretenen) Malers A. Pesne schätz-
bar; von seinen berühmten Stilleben konnte man eher
durch ein Werk seiner Schülerin Anne Vallayer-Coster
einen Begriff bekommen, wie durch das ihm selbst
zugeschriebene Stück. Mit einigen der moralisierenden
Genrebilder und einem der bekannt »süßen« Mädchen-
 
Annotationen